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Es gibt Kritik an unzureichenden Befugnissen deutscher Geheimdienste. (Symbolbild)

© Foto: Oliver Berg/dpa; Bearbeitung: Tagesspiegel

Nach Festnahme von „White Tiger“: Politiker von Union und SPD drängen auf rasche Einführung von Vorratsdatenspeicherung

Erst ein Hinweis des FBI brachte die deutschen Ermittler auf die Spur des Pädokriminellen „White Tiger“. Seit Jahren fordern die Behörden mehr Rechte im Netz.

Stand:

Man mag sich nicht ausdenken, was ohne das FBI passiert wäre. Erst durch den Hinweis des US-Inlandsgeheimdiensts im Jahr 2023 kommen die deutschen Ermittler dem Hamburger Pädokriminellen auf die Spur, der sich selbst im Netz als „White Tiger“ ausgibt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der deutsch-iranische Staatsbürger offenbar bereits einen 13-jährigen Amerikaner zum Suizid angestiftet. 122 weitere Straftaten umfasst der Haftbefehl gegen den Mann, der führender Kopf einer extremistischen, international vernetzten Online-Community gewesen sein soll.

Dass es erst den Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes braucht, damit die deutschen Ermittler aktiv werden, ist keine Seltenheit. So wurden etwa sechs Terroranschläge in Deutschland zwischen 2011 und 2022 durch eine Information von CIA und FBI, aber auch dem israelischen Mossad, den Schweizer Sicherheitsbehörden oder dem marokkanischen Geheimdienst vereitelt.

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Zwar gehört es zur Geheimdienstpraxis, dass sich die Dienste untereinander bei Terrorgefahr warnen, doch im Falle Deutschlands ist dahinter auch ein Muster zu erkennen. Die Abhängigkeit der deutschen Sicherheitsbehörden von ausländischen Informationen ist offenkundig.

Für Experten macht der Hamburger Fall erneut deutlich, dass die Sicherheitsbehörden dringend mehr Mittel und mehr Kompetenzen benötigen. „Wir brauchen spezialisierte Kräfte, die gezielt im Netz nach solchen Taten suchen – nicht erst dann, wenn ein Kind tot ist“, sagte etwa Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, dem „NDR“. Mehr Geld und Personal reiche aber nicht, auch eine „rechtssichere Vorratsdatenspeicherung“ sei notwendig, um die Täter zu identifizieren.

Speicherung ist nur in Ausnahmefällen zulässig

Genau darüber gibt es in Deutschland aber seit Jahren politischen und juristischen Streit. 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Regelung aufgehoben, später setze auch der Europäische Gerichtshof Grenzen. Eine flächendeckende Speicherung von Verbindungsdaten ohne Anlass sei nur in Ausnahmefällen zulässig.

123
Straftaten umfasst der Haftbefehl gegen den Pädokriminellen aus Hamburg

Die neue schwarz-rote Regierung will dennoch einen neuen Versuch wagen, um eine Speicherung von IP-Adressen für drei Monate zu ermöglichen. Der erneute Pädokriminellen-Fall bestärkt die Innenpolitiker von Union und SPD in ihrem Vorhaben: „Deutschland legt seinen eigenen Sicherheitsbehörden so viele Fesseln an wie kaum ein anderes souveränes Land“, sagt etwa der innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm, dem Tagesspiegel. Man sei abhängig von ausländischen Diensten, kritisierte der CDU-Politiker: „Das nimmt absurde Züge an.“

Mit der befristeten Vorratsdatenspeicherung nehme man den Schutz von Kindern in den Blick und schlage einen neuen Weg ein: „Weg vom Misstrauen gegenüber unseren Behörden, hin zu mehr Sicherheit online und offline.“

Datenschutz darf kein Täterschutz sein.

SPD-Politiker Ingo Vogel ist offen für eine umfassende Vorratsdatenspeicherung.

Auch der SPD-Innenpolitiker Ingo Vogel hält die Reform für dringend geboten: „Die deutschen Polizeien und Sicherheitsbehörden müssen endlich technisch und rechtlich in die Lage versetzt werden, mit den Tätergruppierungen überhaupt Schritt halten zu können“, sagte der langjährige Polizeibeamte dem Tagesspiegel.

Neben dem Einsatz von KI sei sogar eine längere und vollständige Vorratsdatenspeicherung sinnvoll. „Warum sollten diese so wichtigen Beweismittel im Vergleich zu allen anderen analogen Beweismitteln nur drei Monate zur Verfügung stehen? Datenschutz darf kein Täterschutz sein“, sagte Vogel.

Grüne lehnen die Speicherung ab

Aus der Opposition kommen jedoch auch andere Töne. Die Sicherheitsbehörden müssten finanziell, personell und technisch gut ausgestattet sein, fordert auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Marcel Emmerich. „Ganz entscheidend sind spezialisierte Ermittler und moderne IT-Forensik“, sagte er dem Tagesspiegel.

Dass Deutschland immer wieder Hinweise von ausländischen Geheimdiensten bekomme, sei jedoch „kein Makel“, sondern unabdingbar. Eine Einführung der Vorratsdatenspeicherung lehnt Emmerich ab: „Die Vorratsdatenspeicherung stellt alle Bürger unter Generalverdacht und ist in der Vergangenheit vom Bundesverfassungsgericht immer kassiert worden“, sagte er dem Tagesspiegel. Eine Speicherung von drei Monaten sei unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Das sieht Deutschlands dienstältester Landesinnenminister, der CSU-Politiker Joachim Herrmann, anders. Der Europäische Gerichtshof habe diese Möglichkeit ausdrücklich erlaubt. „Jetzt muss der Bundestag schnell entscheiden. Die sofortige Einführung einer dreimonatigen Mindestspeicherfrist ist jedenfalls besser, als noch lange über eine sechsmonatige zu diskutieren“, sagte Herrmann.

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