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Politisches Sommertheater: Merz eint kurzzeitig die Ampel, zu Lösungen trägt er nicht bei
Was bleibt vom Angebot der Opposition, mit der SPD gemeinsam entscheidende Gesetze schnell umzusetzen? Vor allem ein lachender Friedrich Merz.

Stand:
Politik könnte so einfach sein. Da einigt sich mal eben die Oppositions- mit der Kanzlerpartei. Vorhaben, die politisch auf der Hand liegen, beschließt man kurzfristig mit absoluter Mehrheit im Bundestag. Probleme gelöst. Wähler zufrieden.
Als ob. Natürlich weiß Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), dass sein Angebot ein vergiftetes ist. Man könnte unterhaltsam finden, wie die Ampelparteien um diesen Vorschlag tänzeln, als wäre er Lava, wäre die Lage nicht so ernst.
Die Devise: Bloß keine Angriffsfläche bieten, bloß kein neuer Streit, bloß nicht den Eindruck erwecken, man wolle die Probleme im Land nicht ernsthaft anpacken. Alle Tore auf, dann kann sie niemand einrammen.
Die FDP muss sich dabei noch am wenigsten verstellen – sie kann sich eine Menge von dem vorstellen, was die Union gerne hätte. Selbst die Grünen müssen sich offiziell „offen für Gespräche“ zeigen.
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Und der Kanzler? Der bietet Merz nach einem Frühstück im Kanzleramt an, auch die Türen ins Innenministerium zu öffnen – allerdings nicht für den Unionschef alleine, sondern in einer Gruppe mit Ministerpräsidenten und Ministerienvertretern. Immerhin sind die mindestens so zuständig wie der CDU-Chef. Zu sehr will Scholz seinen Kontrahenten dann auch nicht adeln. Auch wenn beide so tun, als könnten sie sich gerade leiden und nähmen sich gegenseitig ernst.
Man könnte es auch so sehen: Merz hat geschafft, was dem Kanzler misslingt. Er eint die Ampel – zumindest in ihrer Reaktion auf die ausgestreckte Hand der Union. Kein hochrangiger Ampelpolitiker kann diese Hand ergreifen, es traut sich aber auch keiner, sie allzu hart wegzuschlagen. Das ist in erster Linie politisches Kalkül, kurz vor zwei Landtagswahlen, bei denen insbesondere die Ampelparteien um ihr politisches Überleben fürchten.
Man könnte noch – wahlweise konstruktiv oder entlarvend - fragen: Was wäre mit einer Temporärmehrheit aus SPD und Union denn machbar? Mehr law and order – sicherlich. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien?
Theoretisch ja, aber dazu braucht es die Union eigentlich nicht. Zwar halten die Grünen dagegen, berufen sich auf die gefährliche Lage in beiden Ländern. Es ist aber rein rechtlich nicht ausgeschlossen, Ausreisepflichtige dorthin zurückzuschicken.
Beispiel Syrien: Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied kürzlich, dass es möglich sei, einen Syrer in seine Heimatprovinz abzuschieben. Dass der Mann noch nicht ausgewiesen wurde, liegt daran, dass derzeit nach Einschätzung des BAMF anderweitige persönliche Gründe gegen eine Abschiebung sprechen.
Wichtig wäre, eine jahrelange Praxis zu durchbrechen und Menschen abzuschieben, wenn sie in ihrer Heimat nach bestem Wissen und Gewissen ausreichend sicher leben können. Notwendig wäre dazu weniger ein Gesetz, das zusammen mit der Union verabschiedet würde, als eine veränderte Einschätzung der Lage.
Leistungen für Asylbewerber in erheblichem Maße zu kürzen, scheitert an der Rechtsprechung zu diesem Thema. Auch daran kann die Union wenig ändern. Auch da geht es eher um Auslegung als um Rechtsetzung.
So einfach ist es nicht
Und dann kann man – wie Merz – natürlich noch so tun, als müsse man sich nur zurückbesinnen aufs Dublin-System. Dann kämen keine Migranten mehr ins Land. So als säßen diese alle miteinander in einem Zug, der einmal am Tag die Grenze überquert und den man einfach zurückschicken könnte.
Die Realität ist komplexer. Lösungen sind es auch.
Der Zeitpunkt ist schwierig – kurz nach einem Attentat, das das Land aufwühlt und vor Wahlen in Ostdeutschland, bei denen die demokratische Mitte massiv unter Druck steht. So mancher mag sich nach einer starken Hand abseits der AfD sehnen, die nun alles wieder eint. Nach einem Kanzler, der Tacheles spricht und Veränderung schafft.

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Ein kluger Schachzug von Merz, jetzt ein angeblich lösungsorientiertes Angebot zu machen. Clever ist aber auch, den CDU-Chef durch offene Türen laufen zu lassen und Sachfragen in Arbeitskreise zu verweisen. Frei nach dem Motto: Danke für das Angebot, wir nehmen das mal mit.
Gewinner dieses spätsommerlichen Polittheaters sind weder die Wähler, noch die Ampel, sondern in erster Linie Friedrich Merz, dessen Name vom ein oder anderen nun zum ersten Mal seit langer Zeit wieder im Zusammenhang mit dem Begriff Kanzler gedacht wird.
Bis zu wechselnden Mehrheiten im Bundestag wird die vermeintlich konstruktive Stimmung allerdings nicht reichen. Ließe sich Scholz darauf ein, könnte er gleich noch ein paar Abendessen im Kanzleramt dranhängen, bei denen er mit Merz über vorgezogene Wahlen spricht.
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