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Auf dem Gelände der Villa Adlon gehen seit Jahren führende Köpfe der rechtsextremen Szene ein und aus.

© Andreas Klaer

Update

Reaktion auf AfD-Geheimtreffen in Potsdam: CDU leitet Parteiausschlussverfahren für Teilnehmer ein

Aus der CDU sollen zwei nordrhein-westfälische Vertreterinnen der Werteunion am Treffen in Potsdam teilgenommen haben. Die SPD will die Rolle der AfD zum Thema im Bundestag machen.

| Update:

Nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Aktivisten und Extremisten in Potsdam hat der nordrhein-westfälische CDU-Kreisverband Oberberg ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied eingeleitet. Das bestätigte der Vorsitzende, Carsten Brodesser, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

Den Namen dürfe er aus parteirechtlichen Gründen nicht nennen, sagte der Bundestagsabgeordnete. Das CDU-Mitglied, das an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben solle, habe bis zur nächsten Vorstandssitzung der Landespartei am 26. Januar Zeit, sich zu äußern.

Die CDU reagiert damit auf einen Bericht über das Treffen im November in Potsdam. Zu den Teilnehmern zählten AfD-Politiker und mindestens ein CDU-Mitglied sowie Mitglieder der erzkonservativen Werteunion, die nicht zur CDU gehört, sich dieser aber lange verbunden sah.

Redner war bei dem Treffen Martin Sellner, lange Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Er sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könnte, dass mehr Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.

„Die in den Berichten geschilderten Vorgänge sind abstoßend und widerlich“, sagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak, der dpa. „Für die CDU Nordrhein-Westfalen ist klar: Wer das teilt oder unterstützt, verstößt erheblich gegen die Grundsätze unserer Partei.“ Solches Gedankengut werde in der CDU nicht toleriert. „Die erforderlichen Schritte für ein Parteiausschlussverfahren wurden durch den örtlich zuständigen Kreisverband eingeleitet“, bestätigte Ziemiak.

Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak.
Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak.

© IMAGO/Rene Traut

Laut Correktiv-Recherche gehörte die stellvertretende Bundesvorsitzende und NRW-Landeschefin der Werteunion, Simone Baum, zu den Teilnehmern des Potsdamer Treffens. Ein Sprecher der Werteunion bestätigte auf dpa-Anfrage, dass Baum CDU-Mitglied ist und ihr Kreisvorsitzender sie gefragt hat, ob sie an dem Potsdamer Treffen teilgenommen hat.

Baum habe ihm - wie auch allen anfragenden Medien - erklärt, dass sie dazu keinen Kommentar abgebe. „Von einem Parteiausschlussverfahren ist ihr derzeit noch nichts bekannt“, sagte der Sprecher.

Nach dpa-Informationen ist eine weitere Frau aus NRW, die an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben soll, am Freitag aus der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) NRW ausgetreten - einer Parteigliederung der CDU. MIT-Landesgeschäftsführer Stefan Simmnacher sagte der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe), man habe Konsequenzen geprüft, das Thema habe sich aber durch den freiwilligen Austritt erledigt.

Nach dpa-Informationen ist die Frau Stellvertreterin im Vorstand der Werteunion NRW und in der MIT - ohne Mitglied der Partei zu sein. Ein CDU-Sprecher bestätigte, dass dies möglich sei.

Linnemann kündigt harte Konsequenzen an

Die CDU hat harte Konsequenzen angekündigt, falls Parteimitglieder an einem Geheimtreffen von AfD-Politikern und Rechtsextremisten zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund teilgenommen haben. Sollten tatsächlich der Werteunion zugehörige CDU-Mitglieder anwesend gewesen sein, werde die Partei „hart und konsequent darauf reagieren“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Freitag zum Auftakt der Klausurtagung des Bundesvorstands in Heidelberg. Dies werde derzeit geprüft.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, gibt vor Beginn der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands Statements ab.
Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, gibt vor Beginn der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands Statements ab.

© dpa/Helmut Fricke

Aus der CDU sollen zwei nordrhein-westfälische Vertreterinnen des parteinahen Vereins Werteunion teilgenommen haben. Linnemann nannte die Vorfälle „menschenverachtend“, „erschreckend“ und „geschichtsvergessen“. Der CDU-Bundesvorstand wird sich demnach bei der Klausurtagung in Heidelberg mit den Vorgängen befassen.

CDU-Chef Merz gegen AfD-Verbotsverfahren

Das Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern hat die Debatte über den Umgang mit der AfD erneut befeuert. Aus Sicht des Thüringer Verfassungsschutzchefs Stephan Kramer ist ein Verbotsverfahren die „Ultima Ratio“ im Umgang mit der Partei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich klar gegen ein Verfahren aus. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte dagegen am Rande seiner Israel-Reise am Donnerstag, er halte es für geboten, Beweise gegen die Partei zu sammeln.

Man müsse sich genau einzelne Äußerungen, einzelne Personen und einzelne Gliederungen anschauen und dann Beweise sammeln, die hart genug seien, um ein Gerichtsverfahren durchsetzen zu können, eine Beweislage aufzubauen und entsprechend zu agieren. „Das halte ich schon für geboten“, sagte Habeck den Sendern RTL/ntv am Donnerstag während seines Israel-Besuchs.

Demokratische Parteien müssen sich von diesem braunen Sumpf fernhalten.

 Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, das Beispiel für gezielte Umsturzfantasien in Kooperation mit Vertretern einer Partei, die im Bundestag und in Landtagen sitze, erfülle sie mit tiefer Sorge. „Angesichts der nun deutlich gewordenen schwerwiegenden Bedrohungslage muss aus meiner Sicht die Strafverfolgung Priorität haben“, sagte sie der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sowie der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.

Die SPD will die Rolle der AfD beim Geheimtreffen in Potsdam zum Thema im Bundestag machen. „Wir wollen von der AfD wissen, ob auch aktive Politiker diesen Kreis mit initiiert haben oder vielleicht sogar beteiligt gewesen sind“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Freitag nach einer zweitägigen Klausur seiner Fraktion in Berlin. Diese Fragen müssten in der nächsten Sitzungswoche gestellt werden, sagte Mützenich.

„Ich bin erschrocken, wenn es stimmt, dass sich möglicherweise auch Mitglieder demokratischer Parteien daran beteiligt haben“, möglicherweise sogar Einlader, sagte dazu Mützenich. „Demokratische Parteien müssen sich von diesem braunen Sumpf fernhalten“, forderte er weiter, ohne die CDU direkt zu nennen. „Darauf kommt es in diesen Tagen an.“

Mit Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD sagte Mützenich, darüber werde auch in der SPD-Fraktion nachgedacht. Dafür müssten aber „belastbare Informationen“ vorliegen. Wenn die Behörden von klaren verfassungsfeindlichen Tendenzen ausgehen, „dann muss das natürlich auch Konsequenzen haben“.

Wer die AfD noch stärker machen will, der sollte noch lange über ein Verbotsverfahren reden.

Friedrich Merz, CDU-Chef

Über das Potsdamer Treffen im November hatte zuerst das Medienhaus Correctiv berichtet. Zu den Teilnehmern zählten mehrere AfD-Politiker, darunter Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Correctiv nannte zudem mehrere Mitglieder der Werteunion. Diese stand CDU und CSU lange nahe, ist aber keine Parteigruppierung. Sie gilt als besonders konservativ und übte an der CDU-Linie unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel teils scharfe Kritik.

Merz: AfD inhaltlich stellen

Redner war bei dem Potsdamer Treffen Martin Sellner, lange Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Er sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer und sogar Menschen mit deutschem Pass Deutschland verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.

Merz sagte der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Freitag), man solle der AfD nicht dabei helfen, sich im Rahmen eines Verbotsverfahrens auch noch als Opfer zu gerieren. „Wer die AfD noch stärker machen will, der sollte noch lange über ein Verbotsverfahren reden.“ Es gelte, die AfD mit politischen und nicht juristischen Mitteln zu bekämpfen. „Wir müssen diese Partei inhaltlich stellen, weil sie nirgendwo realistische Antworten hat“, sagte Merz dem Medienhaus Table.Media. Der CDU-Bundesvorstand kommt ab diesem Freitag zu seiner Klausur in Heidelberg zusammen.

Verfassungsschützer: Aussagen keine Überraschung

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) schließt ein Verbotsverfahren dagegen nicht aus. „Wenn der Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden hier ausreichend Erkenntnisse für ein Verbotsverfahren sehen, dann ist die Frage eines Verbots der Partei zu beantworten“, sagte Strobl dem SWR. Es gebe gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD auch in Baden-Württemberg beobachte.

Verfassungsschützer Kramer sagte dem „Handelsblatt“, er selbst und auch andere Kolleginnen und Kollegen vom Verfassungsschutzverbund hätten den Correctiv-Bericht mit Interesse gelesen. Die dargestellten Aussagen seien keine Überraschung für den Verfassungsschutz. Sie deckten sich mit den Erkenntnissen der Behörden und den Bewertungen in den vergangenen Jahren.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte die CDU zu einer klaren Abgrenzung nach rechts auf. „Die CDU-Führung könnte sich hier deutlich klarer zeigen. Eine schleichende Normalisierung von menschen- und demokratieverachtender Politik am äußersten rechten Rand darf sich nicht fortsetzen“, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag).

CDU-Chef Merz betonte, dass es keine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben werde. Auf die Frage, ob er sich sicher sei, dass kein CDU-Landesverband eine AfD-Minderheitsregierung tolerieren würde, sagte Merz der „Rhein-Neckar-Zeitung“: „Wir haben dazu eine klare Beschlusslage, die wir an diesem Wochenende bei der Klausurtagung des Bundesvorstands auch noch einmal bekräftigen werden: Es wird keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“ (dpa, AFP)

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