
© dapd
Präsidentschaftskandidat auf Europa-Tour: Romney und das hohe Ross
Diese Woche reist Mitt Romney nach Europa. Der erste Halt heißt London, denn das Pferd seiner Frau hat dort beim Dressurreiten seinen großen Auftritt. Die Bilder davon sollen dem Obama-Herausforderer im Wahlkampf helfen. Der lahmt bisher ziemlich.
Stand:
Die Vielfalt der Bilder wirkt unerschöpflich. Sie sind ein Segen für Mitt Romney. Sie sind aber auch ein Fluch. Da ist der republikanische Präsidentschaftskandidat mit wehenden Haaren am Steuer seines Schnellboots; er erfreut die Enkel mit einer Spritztour über den Lake Winisekaupee. Ein anderer Schnappschuss zeigt ihn als Sozius in Bermudashorts und schwarzer Schwimmweste hinter seiner Frau Ann auf dem Wasser-Motorrad: ein Ehemann, der Spaß hat, auch wenn er sich unterordnet.
Weihnachtspostkarten porträtieren ihn als Oberhaupt einer Bilderbuch-Großfamilie, umgeben von den fünf Söhnen und ihren Ehefrauen sowie 18 Enkelkindern. Auf dem nächsten Bild tritt der 65-Jährige in einer Fabrikhalle mit offenem Hemdkragen und hochgekrempelten Ärmeln vor die Arbeiter und verspricht einen baldigen Aufschwung, sofern Amerika ihn im November zum Präsidenten wählt. Videoclips halten fest, wie er „America the Beautiful“ singt. Es klingt ein bisschen schräg und ungeübt, wirkt aber zugleich, als komme der Patriotismus von Herzen.
In dieser Woche werden andere Bilder hinzukommen. Mitt Romney bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in London. Mitt Romney als Sponsor einer amerikanischen Hoffnung: Seine Frau Ann ist Mitbesitzerin des Pferdes Rafalca, das in der Dressur an den Start geht. Außerdem wird man Mitt Romney im Gespräch mit dem britischen Premier David Cameron sehen, mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem Chef der palästinensischen Autonomiebehörde, Salam Fayyad, sowie dem ehemaligen polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa. Solche Szenen sollen die außenpolitische Kompetenz des Kandidaten unterstreichen.
Der US-Präsidentschaftswahlkampf in Bildern
Eines wird fehlen: ein Bild mit Angela Merkel. Romney hätte sie gerne getroffen. Aber seine Europareise fällt in die dreiwöchigen Sommerferien der Kanzlerin. So hat Romney den Besuch in Deutschland ganz aus dem Programm gestrichen. Auch diese Entwicklung gehört zu dem komplizierten Umgang Romneys mit den Fotobotschaften, die ihm helfen sollen, aber am Ende doch wieder schaden könnten. Die Begegnung mit der Kanzlerin hätte ihm Statur gegeben. Im Prinzip könnte er auch kommen, wenn sie nicht da ist. Doch jedes andere Bild aus Berlin, zum Beispiel bei einem öffentlichen Auftritt, würde ihm Vergleiche aufzwingen, die er vermeiden möchte: Barack Obama hatte bei seiner Rede an der Siegessäule 2008 mehr als 200 000 Menschen angezogen.
Eine alte amerikanische Wahlkampfregel besagt: Zeichne ein (positives) öffentliches Bild von dir, ehe dein Gegner dich (negativ) definieren kann. Das ist Romneys Ziel im Kampf der Fotos. Daraus ergibt sich aber auch die Strategie für die Gegenseite, in diesem Fall Obama: Er darf es dem Herausforderer Romney nicht erlauben, sich selbst zu definieren. Er muss ihm zuvorkommen und ein negatives Bild von ihm zeichnen.
Da liegt die Wurzel, warum Mitt Romney sich so schwertut und warum auch die Europareise in dieser Woche so viele Risiken für ihn birgt. Er läuft Gefahr, sich selbst um seine Aussichten auf das Weiße Haus zu bringen, indem er die Vorlagen für die Angriffe liefert, die am Ende zu seiner Niederlage führen können.
Barack Obama, das hat sich in den vergangenen Wahlkampfwochen in den USA gezeigt, ist nicht das größte Hindernis für Romneys Wahl zum Präsidenten. Obama ist nicht mehr populär in den USA. Die Amerikaner wollen ihn eigentlich nicht wiederwählen. Die Wähler sind zornig über die lauen Wirtschaftsaussichten, die hohe Arbeitslosigkeit und die dramatisch wachsende Verschuldung. Wenn sie eine vielversprechende Alternative zu Obama sehen, werden sie mehrheitlich für die stimmen.
Wie Obama das öffentliche Bild von Romney bestimmt
Bisher wird Romney jedoch nicht als dieser überzeugende Gegenkandidat wahrgenommen. Das liegt auch an der Flut der Bilder und ihren Interpretationsmöglichkeiten. Sie zeigen zu viele verschiedene Romneys, die sich nicht zu einer Person zusammenfügen lassen. Die Strategen der Partei haben ihm einen Wahlkampf aufgezwungen, der sich mehr an den ideologischen Bedürfnissen des rechten Lagers als an der Person des Spitzenkandidaten orientiert. Viel zu oft steht die kämpferische Pose in sichtbarem Widerspruch zu seinem Temperament und seinem Lebensweg.
Obamas Wahlkampfteam hat dieses Auseinanderklaffen von Biografie und Botschaft bei Romney früh erkannt und in den Attacken unbarmherzig ausgenutzt. So ist es ihm gelungen, die Debatte umzudrehen. Amerika diskutiert nicht mehr in erster Linie über Obamas Bilanz, sondern fragt misstrauisch, was für ein Mensch dieser Mitt Romney eigentlich ist und wofür er steht. Das wird sich in dieser Woche, in der Romney mit seiner Reise punkten wollte, wiederholen.
Die Bilder von Romney und seinem Olympia-Pferd transportieren widerstreitende Botschaften. Im Idealfall für ihn verstärken sie das Bild vom Patrioten, der sein privates Vermögen dafür einsetzt, den USA sportlichen Erfolg zu ermöglichen. Daneben geht es um eine anrührende menschliche Geschichte. Romney fand zum Pferdesport, als er seiner Frau helfen wollte, eine tückische Krankheit zu überwinden. Zugleich jedoch bestätigt das teure Pferd das Bild, das Obama von Romney zeichnet: ein Superreicher, der den Kontakt zum Alltag ganz normaler Amerikaner verloren hat; am Rande ist auch von Betrugsvorwürfen beim Pferdehandel die Rede.
Der US-Präsidentschaftswahlkampf in Bildern
Bei Ann Romney war 1998 im Alter von 49 Jahren Multiple Sklerose diagnostiziert worden. Reiten wurde ihr als Therapie empfohlen. Ihr Mann ließ seine Arbeit als Chef der Investmentfirma Bain Capital in Boston ruhen und zog mit Ann nach Utah, wo er 1999 Manager der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City 2002 wurde. Ann spezialisierte sich beim Reiten auf Dressur. Ihr Lehrer wurde ein gebürtiger Deutscher, Jan Ebeling. Heute ist er 53, gehört zu den besten Dressurreitern der USA und wird Rafalca in London reiten. Angeblich war er 1974 mit leeren Händen in die USA eingewandert. Die Romneys liehen ihm später einen sechsstelligen Betrag, damit er den Reiterhof seiner Frau Amy Roberts in Moorpark, Kalifornien, ausbauen konnte. Ebeling spezialisiert sich auf vermögende Kundschaft und kredenzt ihnen laut „New York Times“ Weine in der Preisklasse von 4000 Dollar die Flasche. Die Romneys haben eine Gästewohnung im mediterranen Stil auf dem Gelände und 250 Kilometer weiter südlich ein neun Millionen Dollar teures „Beach House“ in La Jolla.
Ann Romney führt es auf das Reiten zurück, dass ihre Krankheit sich nicht verschlimmert hat. Dank Ebeling habe sie auch Medaillen in kleineren Wettbewerben gewonnen. Daneben hat sich eine Geschäftspartnerschaft entwickelt. Mehrmals seit 2000 sind sie gemeinsam nach Deutschland gereist, um mit dem Geld der Romneys und Ebelings Sachverstand Pferde als Geldanlage zu kaufen. Eines davon namens „Super Hit“, das sie laut Zeitungsberichten 2003 in Deutschland für 100 000 Dollar erwarben und 2008 für 125 000 Dollar an eine Kundin des Pferdehofs verkauften, brachte Ann Romney und Jan Ebeling 2010 eine Klage ein. Der Vorwurf: Das Tier lahme; sie hätten davon gewusst, das aber beim Verkauf durch Tricksereien bei den medizinischen Untersuchungen verschleiert. Der Streit wurde durch eine außergerichtliche Einigung beigelegt.
In dieser Anlagegemeinschaft ist Rafalca das beste Pferd im Stall. Doch noch bevor Romney in London als Pferdesponsor glänzen kann, haben auch hier die demokratischen Wahlkämpfer versucht, die positive Botschaft zu überschatten. Vor wenigen Tagen schalteten sie Werbevideos, die Mitt Romneys Weigerung verhöhnen, seine Steuerunterlagen offenzulegen, wie die Kandidaten das üblicherweise tun. Zu Bildern von Rafalca, die mit tänzelnden Schritten die Dressuraufgaben absolviert, fragt der Sprecher: „Wollen wir wirklich einen Präsidenten, der um die Probleme herumtanzt?“
Die Republikaner wollen einen ideologischen Lagerwahlkampf führen
So geht es Romney mit vielen Bildern, von denen er dachte, dass sie seinem Image nutzen können. Bösartige Gegner finden auf jedem davon einen Ausschnitt, den sie gegen ihn einsetzen können. Wenn seine Kampagne Fotos vom Familienurlaub mit den Enkelkindern auf dem Feriengrundstück am Lake Winisekaupee verbreitet, kommt der Einwand: Welcher normale amerikanische Großvater hat gleich mehrere Sommerhäuser mit Privatstrand? Wenn die Partei seinen Erfolg als Investmentmanager anpreist, rechnen die Demokraten vor, wie viele Jobs er angeblich ins Ausland verlagert habe.
Die Republikaner möchten einen ideologischen Lagerwahlkampf führen. Sie sehen sich als die Partei des freien Unternehmertums und finden es gut, wenn Eigeninitiative, Erfindergeist und Risikobereitschaft mit Aufstieg und wirtschaftlichem Erfolg belohnt werden. Die Demokraten seien dagegen die Partei staatlicher Intervention, die das Wachstum der freien Wirtschaft behindert und die zudem Erfolg durch zu hohe Steuern bestraft. Das Hauptwahlkampfversprechen sollte sein, Obamas Reformen rückgängig zu machen, ganz voran die allgemeine Krankenversicherung.
Romney passt schlecht zu dieser Strategie. Als Gouverneur von Massachusetts hat er selbst eine Krankenversicherungsreform eingeführt, die der von Obama zum Verwechseln ähnelt. Er ist kein Anhänger der reinen Lehre bei den Herzensthemen der Republikaner, zum Beispiel der Forderung kategorischer Verbote von Abtreibung und Homo-Ehe. Generell ist Mitt Romney ein Pragmatiker, kein Ideologe – und in dieser Hinsicht Barack Obama ähnlich. Romney ist eher ein effizienter Manager als ein Politiker.
Seinen Erfolg und sein Millionenvermögen verdankt er nicht herausragender Risikobereitschaft, sondern, ganz im Gegenteil, kluger Risikovermeidung. Er ist als Millionärskind geboren; sein Vater George war Chefmanager einer der größten US-Autokonzerne seiner Zeit, American Motors, Gouverneur von Michigan und 1968 sogar Präsidentschaftskandidat. Seine Arbeitsverträge, das hat die „Washington Post“ kürzlich belegt, hat Romney meist so gestaltet, dass er selbst bei Misserfolg in einem neuen Job eine Rückkehrgarantie in die alte Stellung samt Gehaltserhöhung hatte. Es muss im Übrigen gar nicht schlecht sein, wenn ein Politiker risikoscheu ist, zum Beispiel in der Außenpolitik. Es passt halt nur schlecht zum Wahlkampfimage, das die Republikaner Romney verordnet haben: ein Manager, der Risiken eingeht, Erfolg hat und belohnt wird.
Der US-Präsidentschaftswahlkampf in Bildern
Nun, auf der Europareise wird sich der Streit um die Botschaft der Bilder fortsetzen. Bei der Eröffnung der Spiele wird Romney nicht auf der Tribüne für die mehr als 100 Staatsgäste sitzen und auch nicht Königin Elisabeth die Hand reichen. Diese Ehre ist First Lady Michelle Obama vorbehalten, sie ist die offizielle Abgesandte Amerikas.
In Israel, der zweiten Station, wird die Aufgabe leichter. Dort muss Romney nur zeigen, dass von ihm weniger Kritik, etwa an der Siedlungspolitik, zu erwarten ist als von Präsident Obama. Mit Regierungschef Netanjahu verbindet ihn eine lange Freundschaft. Nach dem Ökonomiestudium in Harvard haben sie beide für Boston Consulting gearbeitet.
Auch in Polen, der dritten und letzten Etappe, dürfte ihm ein freundlicher Empfang sicher sein und ihm eventuell Wählerstimmen polnischstämmiger Amerikaner in den Swing States Michigan und Pennsylvania einbringen. In seinen außenpolitischen Äußerungen greift Romney Russland scharf an. In Danzig will er gemeinsam mit Lech Walesa auftreten, der Polen 1989 die Befreiung vom Kommunismus brachte.
Die Schwergewichte fehlen jedoch auf Romneys Route. Neben Deutschland wird er auch Frankreich nicht besuchen, obwohl er dort zweieinhalb Jahre als junger Mann gelebt hat – als Missionar der Mormonen-Kirche. Französisch spricht er bis heute passabel. Aber so eine Fähigkeit erwähnt man im US-Wahlkampf besser nicht. Die Republikaner sind es gewohnt, die angebliche Frankophilie von Demokraten wie John F. Kerry 2004 zu verspotten. Außerdem ist dort gerade ein Sozialist zum Präsidenten gewählt worden. Romney hat sich im Wahlkampf damit hervorgetan, gegen das angeblich durch und durch sozialistische Europa zu wettern, von dem sich Amerika, Gott sei Dank, abhebe. Wahrscheinlich ist es besser für ihn, nicht nach Frankreich zu fahren. Er hat schon genug Ärger mit den Widersprüchen zwischen Biografie und Wahlkampfbotschaft.
- Angela Merkel
- Barack Obama
- Benjamin Netanjahu
- Gesundheit
- Israel
- Lehrer
- Olympische Spiele
- Tiere
- US-Wahl
- USA
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: