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Angela Merkel und Olaf Scholz in Meseberg

© Axel Schmidt/AFP

Kabinettsklausur in Meseberg: Rotwein, Diesel – und kein Merkel-Machtwort

Das "Teambuilding" der großen Koalition endet mit guten Vorsätzen. Die außenpolitischen Herausforderungen dämpfen die Stimmung bei der Kabinettsklausur.

Rotwein habe es gegeben zu späterer Stunde, so viel ließ sich die Kanzlerin entlocken. Alle Mitglieder des Kabinetts seien „freudig und willig“, sich jetzt ihren Aufgaben zu widmen, und der Geist sei „gut und kooperativ“ gewesen. Das war’s, was Angela Merkel zur Stimmung beim Teamfindungstermin der neuen Bundesregierung in Meseberg zu sagen hatte.

Da der Vizekanzler jetzt Olaf Scholz heißt, der es an nüchterner Trockenheit locker mit der Regierungschefin aufnehmen kann, war am Mittwochmittag auch von der SPD-Seite nicht viel zu erfahren aus der Teamkabine, bevor die Mitglieder der vierten Regierung Merkel sich in ihre Dienstlimousinen setzten und wieder nach Berlin fuhren.

„Teambuilding gelungen, der Rest kommt jetzt“, meinte Scholz nur. Merkel sprach vom Herstellen der „Arbeitsfähigkeit“, man habe auch „einige pragmatische Fragen“ geklärt. Irgendwie wirkt es so, als starte die dritte große Koalition unter ihrer Führung mit noch weniger Esprit als die Vorgängerinnen der Jahre 2005 und 2013. Wohnt wirklich jedem Anfang ein Zauber inne?

"Globale Situation"

Aber das Treffen war wohl zu sehr von den internationalen Herausforderungen geprägt, die keine Stimmungsaufheller sind. Das Kabinett hatte sich am Dienstag mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionschef Jean- Claude Juncker ausgetauscht, die beide Wünsche, Anforderungen und Krisenszenarien an die Regierung herantrugen. Die Entwicklung in Syrien dürfte einige der pragmatischen Fragen der Innenpolitik weit in den Hintergrund gedrängt haben.

Europapolitisch schieben sich bald die Brexit-Folgen und die Neubalancierung in der EU nach vorn. Die beiden Regierungsspitzen machten deutlich, dass die Arbeit der Regierung noch mehr als zuvor von der "globalen Situation" (Merkel) bestimmt sein wird, dass für ihr Handeln "die Entwicklung der Welt wichtiger sein wird" (Scholz).

Zum tatsächlichen Kennenlernen war ohnehin nur Familienministerin Franziska Giffey (SPD) in das Regierungsgästehaus nach Brandenburg gereist, die als einzige völlig ohne Erfahrung im Bundesgeschäft ist. Der Rest kennt sich schon, mehr oder weniger. Weshalb die Forderung von SPD-Seite, Merkel solle in ihren Unionsreihen mal ein Machtwort sprechen und vor allem Innenminister Horst Seehofer und Gesundheitsminister Jens Spahn an das nötige Mindestmaß an Kabinettsdisziplin und Ressortbeschränkung erinnern, in Meseberg ungefähr so viel Raum einnahm wie die umstrittenen Äußerungen der beiden Ober-Konservativen zu Islam, Hartz IV oder Familiennachzug.

Seehofers neue Rolle

Seehofer stand bei der Pressekonferenz nicht neben Merkel und Scholz, für ihn vielleicht ungewohnt nach den vielen Wochen der Regierungsbildung. Aber wie sagte Scholz mit hanseatisch unterkühlter Süffisanz: „Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen.“ Es werde weiterhin Debatten geben, baute Merkel vor, mit dem bemerkenswerten Zusatz, dass der Koalitionsvertrag jetzt „in der ganzen Breite“ im Kabinett akzeptiert werde. Scholz hatte dazu nichts anzumerken, abgesehen von dem kurzen Hinweis, alle Kabinettsmitglieder würden an ihren Taten gemessen.

Beim Rotwein dürfte es nicht zuletzt auch um den Diesel gegangen sein, kurzfristig die größte innenpolitische Herausforderung, zumal das hauptbetroffene Unternehmen Volkswagen mit dem überraschenden Vorstandswechsel in die Kabinettsklausur hineinplatzte. Der hauptbetroffene Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte vor dem Kabinettstreffen den Versuch unternommen, einen neuen Milliardenfonds zur Hardware- Nachrüstung ins Gespräch zu bringen.

Merkel wies dazu auf ausstehende Gutachten hin, offerierte aber auch Planvorstellungen: Von den 66 Städten mit zu hohen Stickstoffwerten würden die allermeisten in zwei bis drei Jahren aus der Grenzwertüberschreitung herauskommen, etwa zehn bräuchten auch danach „besondere Maßnahmen“. Konkreteres war nicht zu erfahren. Einen weiteren „Auto-Gipfel“ soll es aber nicht geben. Außerdem beschloss die Kabinettsrunde, die Kontrollen vor allem an der Grenze zu Österreich „aus Sicherheitsgründen“ noch einmal zu verlängern. Der Geist des Heimatministers war also schon mit ihnen.

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