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Eine Frau hilft einem älteren Mann bei der Einnahme von Medikamenten.

© Imago/Westend61

Update

Rund 863.000 Patienten betroffen: Koalition prüft offenbar Streichung von Pflegegrad 1

Die schwarz-rote Koalition will auch im Sozialsystem kürzen. Einem Medienbericht zufolge steht zur Debatte, ob die unterste Pflegestufe entfallen soll. Einsparpotenzial: rund zwei Milliarden Euro.

Stand:

Wegen der enormen Lücken im Haushalt sucht die Bundesregierung nach Möglichkeiten, Geld einzusparen. Im Fokus steht dabei auch der Umbau der Sozialsysteme. Neben einer Reform des Bürgergelds und möglichen Änderungen bei den Krankenkassenleistungen geht es auch um die Leistungen in der Pflege.

Angesichts der Finanzierungslücke von rund zwei Milliarden Euro in der gesetzlichen Pflegeversicherung 2026 steht einem Medienbericht zufolge dabei innerhalb der schwarz-roten Regierung auch zur Debatte, den Pflegegrad 1 zu streichen.

Dies berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf übereinstimmende Angaben von führenden Koalitionspolitikern aus den Parteien und Fraktionen. Auch in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD war der Pflegegrad 1 nach Teilnehmerangaben bereits Thema.

Einteilung in fünf Pflegegrade

Bedürftige werden in fünf Pflegegrade eingeteilt – je nach ihrer körperlichen und geistigen Verfassung und ihren Pflegebedarf. Je mehr Unterstützung sie brauchen, desto höher der Pflegegrad.

Wie es in dem Bericht weiter heißt, waren Ende 2024 rund 863.000 Menschen in Pflegegrad 1 eingestuft. Dies bedeutet, sie haben eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Diese Personen beziehen einen monatlichen Entlastungsbetrag von 131 Euro, haben Anspruch auf Zuschüsse zum Umbau der Wohnung und für einen Notrufknopf.

Eine Berechnung des RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung beziffert die Einsparung durch Streichung des Pflegegrads demnach auf rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. 

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums verwies gegenüber dem Blatt auf die eingesetzte und aktuell beratende Kommission zur Pflegereform: „Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform befasst sich umfassend mit den Einnahmen und Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung. Das umfasst auch die Pflegegerade und deren Ausrichtung. Ergebnisse können nicht vorweggenommen werden.“ Bis Mitte Oktober soll ein erster Bericht vorliegen.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Sepp Müller (CDU) sagte der Zeitung: „Die Lohnnebenkosten müssen sinken, anstatt zu steigen. Das muss unser oberstes Ziel sein, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Deshalb müssen wir alle Instrumente ernsthaft prüfen.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christos Pantazis, bestätigte dem Tagesspiegel, dass die Union diesen Vorschlag bereits in die Koalitionsverhandlungen eingebracht habe. „Wir als SPD haben ihn klar zurückgewiesen, und er hat keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden“, sagte Pantazis weiter. „Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler haben bereits in nie gekannter Höhe Vorleistungen erbracht. Sie brauchen jetzt Verlässlichkeit – nicht ständig neue Testballons, die einzig auf Leistungskürzungen hinauslaufen.“

Einseitige Sparvorschläge lehne die SPD ab. „Was wir brauchen, ist ein Gesamtkonzept zur nachhaltigen Stabilisierung der Pflegeversicherung“, so der Politiker weiter. Die SPD-Fraktion verwahre sich entschieden gegen Leistungskürzungen in der Pflegeversicherung – „unser Ziel ist es, die Pflege solidarisch, verlässlich und nachhaltig zu stabilisieren“.

Angehörige und andere nahe stehende Personen sind der größte Pflegedienst Deutschlands.

Johannes Geyer, Autor einer Studie zur Pflege

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, des Deutschen Zentrums für Altersfragen und der Technischen Universität Dortmund zeigte gerade, dass die Pflege älterer Menschen überwiegend durch Familienangehörige und enge Freunde geleistet wird. Vor allem Menschen zwischen 50 und 65 Jahren betreuen außerhalb ihrer eigenen Wohnung die Eltern oder ältere Verwandte.

„Angehörige und andere nahe stehende Personen sind der größte Pflegedienst Deutschlands“, kommentierte Studienautor Johannes Geyer die Ergebnisse der Agentur KNA zufolge. Dieser Trend werde in den kommenden Jahren noch zunehmen.

Die sogenannte informelle Pflege übernehmen der Studie zufolge vor allem Frauen. 64 Prozent der Pflegenden sind weiblich, 36 Prozent männlich. Dabei erfolgt die Pflege meist außerhalb des eigenen Haushalts am Wohnort des Pflegebedürftigen.

Innerhalb des eigenen Haushalts werden meist die Partner gepflegt, entsprechend sind die pflegenden Angehörigen oftmals bereits selbst im Ruhestand. (lem)

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