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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

© Ints Kalnins/REUTERS

Griechenland: Schäuble düpiert Bundestag und Wähler

Der Finanzminister möchte den Streit über mögliche Schuldenerleichterungen für Griechenland aus dem Wahlkampf heraushalten. Auf die Taktiererei sollte niemand hereinfallen. Ein Kommentar.

Zu den Gaben des griechischen Götterboten Hermes gehört die List. Und es ist schon eine ganz besondere List, mit der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das jüngste Kapitel der Griechenland-Rettung so zu gestalten versucht, dass der Bundestagswahlkampf der Union dabei keinen Schaden nimmt. Die Wähler und der Bundestag sollten darauf nicht hereinfallen.

Der Reihe nach: Griechenland braucht demnächst rund acht Milliarden Euro von den Geldgebern, die das Land seit 2010 über Wasser halten. Die Euro-Finanzminister bewilligten am Donnerstag in Luxemburg frische Kredite. Ausnahmsweise standen nicht Griechenlands Reformfortschritte zur Diskussion – die hat Athen als Gegenleistung für die benötigten Milliardenhilfen erbracht. Kompliziert wird die Lage eher dadurch, dass die Regierung in Athen auf Schuldenerleichterungen seitens der Gläubiger pocht. Solche Erleichterungen soll es nach einem Beschluss der Euro-Finanzminister vom Mai 2016 aber erst ab Mitte des kommenden Jahres geben. Darauf verweist auch Schäuble – und dabei ist ihm erst einmal nicht zu widersprechen.

Haarig wird die Angelegenheit aber dadurch, dass auch der Internationale Währungsfonds schon seit Langem Schuldenerleichterungen für Griechenland fordert. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn der IWF nicht, was vor allem die Bundestagsfraktion der Union will, beim dritten Griechenland-Hilfspaket unbedingt an Bord sein müsste. Davon ist man aber weit entfernt: Denn weil der IWF der Ansicht ist, dass Athen ohne Erleichterungen den Schuldenberg langfristig nicht tragen kann, haben sich die Währungshüter aus Washington bis heute mit keinem einzigen Cent am laufenden Griechenland-Hilfspaket beteiligt.

Schäuble und Lagarde schmieden faulen Kompromiss

Eigentlich hätte der Währungsfonds längst Farbe bekennen müssen in der Frage, ob die Organisation Griechenland ein weiteres Mal hilft. Aber auch diesmal kam es beim Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg nicht zum Schwur. Stattdessen schmiedeten Schäuble und die IWF-Chefin Christine Lagarde einen faulen Kompromiss: Der Währungsfonds billigte zwar das aktuelle Hilfsprogramm. Geld aus Washington soll aber erst im kommenden Jahr fließen – sofern sich die Euro-Staaten dann über Schuldenerleichterungen einig geworden sind.

Mit dieser Lösung düpiert Schäuble beide: einerseits den Bundestag, der seine Zustimmung zu den Griechenland-Hilfen an eine – echte – Beteiligung des Währungsfonds geknüpft hat. Und andererseits die deutschen Wähler. Denn sie erhalten vor der Bundestagswahl voraussichtlich keine Klarheit darüber, was sie ein Schuldennachlass für Griechenland kosten würde.

Eine besondere Ironie der Geschichte liegt darin, dass es Schäuble war, der sich zu Beginn der Griechenland-Krise im März 2010 gegen eine Beteiligung des IWF ausgesprochen hatte. Damals, auch das gehört zum Rückblick auf die griechische Endlos-Saga, sperrte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel lange gegen ein großangelegtes Rettungsprogramm. Sie hatte Angst davor, die Wähler in Nordrhein-Westfalen – dort standen seinerzeit Landtagswahlen an – zu verprellen.

Frankreichs Präsident Macron zeigt anderen Weg auf

Die Union scheint auch diesmal die Wähler über den Preis der Solidarität in der Euro-Zone im Unklaren lassen zu wollen. Aber die Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Zwei Vorzeichen haben sich mit Blick auf Griechenland in den vergangenen sieben Jahren geändert. Zum einen haben Athen und die Gläubiger die Talsohle der Krise gemeinsam längst durchschritten. Und zum anderen hat der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich gerade gezeigt, dass die Wähler sich keineswegs verweigern, wenn man sich zum Fürsprecher des Südens in der Euro-Zone macht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich mit deutlichen Worten dafür eingesetzt, Griechenlands Schuldenlast zu verringern.

Mal sehen, was SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz demnächst zu dem Thema zu sagen hat.

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