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Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) wird vom Kronprinzen des Königreichs Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, im Al-Salam-Palast empfangen.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Update

Kanzler auf Gas-Mission: Jung, erfolgreich, brutal – das sind Scholz’ Gastgeber am Golf

Der Bundeskanzler reist nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar. Deren Herrscher verstehen den Besuch als Bestätigung ihrer Politik.

| Update:

Bundeskanzler Olaf Scholz will an diesem Wochenende die neue Herrscher-Generation am Golf um Hilfe zur Linderung der Energiekrise in Europa bitten. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Zayed, und der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, haben die Macht von ihren Vätern übernommen und ihre Länder auf einen neuen Kurs gebracht.

Sie wollen die Golf-Staaten modernisieren und ihren Einfluss ausweiten, gehen dabei aber über Leichen. Den Besuch des Bundeskanzlers dürften sie dabei als Bestätigung ihrer Politik auffassen.

Zum Auftakt seiner zweitägigen Reise traf Scholz am Samstag in Saudi-Arabien ein. Er wurde vom Kronprinzen des Königreichs, Mohammed bin Salman, im Al-Salam-Palast empfangen. Am Samstagabend reist er in die Vereinigten Arabische Emirate und dann nach Katar weiter. In Dschidda, Abu Dhabi und Doha geht es demnach „um unseren Einsatz für eine regelbasierte internationale Ordnung und den Ausbau der Wirtschafts- und Energiekooperation“.

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Spitzenpolitiker am Golf erwarten von westlichen Gästen, dass sie das Thema Menschenrechte auslassen, hat der Nahost-Experte Joe Macaron beobachtet. Und europäische Spitzenpolitiker seien „immer mehr bereit, Realpolitik zu betreiben“ und diesem Wunsch nachzukommen, sagte Macaron dem Tagesspiegel. Der Grund sei, dass Europa entweder Energie vom Golf kaufen oder Waffen in die Region verkaufen wolle.

Scholz und andere Politiker müssten die „Balance zwischen Interessen und Werten finden“, sagte Macaron. Sensible Themen wie die Menschenrechte könnten zumindest hinter verschlossenen Türen angesprochen werden. Am deutlichsten wird dieses Problem für Scholz beim saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman. Modernisierung heißt nicht Demokratisierung

Der 37-Jährige verfolgt einen Reformplan namens „Vision 2030“, mit dem er das konservative Königreich auf eine Zukunft ohne Öl und Gas vorbereiten will. Milliardeninvestitionen in neue Technologien und die umweltfreundliche Produktion von Wasserstoff sollen dazugehören.

Heikle Balance zwischen Interessen und Werten

Begleitet wird die Vision von einem gesellschaftlichen Umbau: Mohammed bin Salman, genannt MBS, hat nach 30 Jahren die Kinos in seinem Land wieder geöffnet, die Macht der Religionspolizei beschnitten und Frauen das Autofahren erlaubt. Damit will er sich die Unterstützung der überwiegend jungen Bevölkerung sichern.

Politische Veränderungen lehnt MBS strikt ab: Modernisierung bedeutet für ihn nicht Demokratisierung. Unter seiner Führung werden mehr Menschen hingerichtet, Regimekritiker werden zu langen Haftstrafen verurteilt. Im Jahr 2018 ließ er den Dissidenten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermorden. Der Anschlag machte den Prinzen für einige Zeit zum Paria der internationalen Politik, doch die Energiekrise lässt ihn wieder salonfähig werden.

Er hat US-Präsident Joe Biden empfangen sowie Frankreich, die Türkei und Griechenland besucht. Nun empfängt er den deutschen Bundeskanzler. Dass MBS bei dem Treffen an diesem Samstag den Deutschen und anderen Europäern mit einer Steigerung der Ölexporte helfen wird, steht aber nicht fest. Der Prinz arbeitet bei der Steuerung des Ölpreises mit Russland zusammen und hat bisher westliche Rufe nach mehr Öl ignoriert.

Weltpolitische Bedeutung der Golfstaaten wächst

Wie MBS genießt auch sein Mentor Mohammed bin Zayed in den VAE seine gewachsene weltpolitische Bedeutung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vereinbarte im Frühjahr eine erste Lieferung von umweltfreundlich produziertem Wasserstoff aus den Emiraten nach Deutschland – eine erste Testlieferung kam in den vergangenen Tagen in Hamburg an. Außerdem verfügen die VAE über viel Erdgas und wollen ihre Exportkapazitäten ausbauen.

Ähnlich wie MBS will der 61-jährige Präsident der VAE aber nichts von einer politischen Liberalisierung wissen. Menschenrechtsorganisationen werfen den Emiraten willkürliche Verhaftungen, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und Hinrichtungen vor. Auch außenpolitisch verfolgt Zayed einen Kurs, der sich nicht an westlichen Interessen orientiert.

So bekämpften die VAE zusammen mit Saudi-Arabien die Volksaufstände des Arabischen Frühlings und mischen in den Konflikten in Libyen und im Jemen mit. MBZ, wie Zayed häufig genannt wird, empfing im Frühjahr den syrischen Staatschef Baschar al-Assad, der in Europa und den USA als Kriegsverbrecher gilt.

Saad Sherida Al-Kaabi (links), Staatsminister für Energie in Katar und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundeswirtschaftsminister bei der Unterzeichnung einer katarisch-deutschen Energiepartnerschaft.
Saad Sherida Al-Kaabi (links), Staatsminister für Energie in Katar und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundeswirtschaftsminister bei der Unterzeichnung einer katarisch-deutschen Energiepartnerschaft.

© Foto: dpa/Michael Kappeler

Auch Katar unter Emir Tamim bin Hamad al-Thani (42) ist ein schwieriger Partner für westliche Länder. Die kleine Nation am Persischen Golf ist der weltweit führende Exporteur von Flüssiggas und gab vor kurzem die Erschließung neuer riesiger Erdgasvorräte bekannt.

Scholz lobte bei einem Besuch von Thani in Berlin im Mai das „riesige Potenzial“ des Emirats bei Erdgas und Wasserstoff. Wieviel Gas aus Katar kurzfristig für Europa abgezweigt werden kann, ist unklar, weil ein Großteil der Exporte schon anderen Abnehmern in Asien versprochen ist. Selbst wenn Gas für Deutschland verfügbar sein sollte, wäre eine Einigung schwierig, denn Katar will anders als die Deutschen langfristige Verträge.

Zudem muss Deutschland erkennen, dass auch der Emir nicht nach westlichen Spielregeln spielt. Vor der Fußball-WM im November steht Katar wegen der Ausbeutung von Arbeitskräften und der Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen und Andersdenkenden am Pranger.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rät homosexuellen Fans vom Besuch der WM in Katar ab. Dort ist Homosexualität illegal und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft.

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