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Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dafür, dass die EU-Kommission die Situation in Ungarn noch einmal prüft.

© IMAGO/Christian Spicker

Showdown um Ungarns Milliarden: Lindner will eine Blamage der EU verhindern

Vor dem Gipfel kommende Woche will Ungarns Regierungschef Orban die EU von einer Kürzung der Subventionen abhalten. Doch Finanzminister Lindner und seine EU-Kollegen haben einen „Plan B“.

Das Jahresende naht. Und damit ist es auch wieder einmal Zeit für einen Showdown zwischen Ungarn und dem Rest der EU. Wenn es schlecht läuft für Ungarns Regierungschef Viktor Orban, dann droht ihm der Verlust von EU-Fördergeldern in Milliardenhöhe.

In der angespannten Situation versucht die deutsche Bundesregierung nun, Zeit zu gewinnen und ein mögliches Votum über das Einfrieren ungarischer Subventionen rechtlich abzusichern.

Schon vor zwei Jahren war die EU in einer ähnlich verfahrenen Situation. Damals blockierte Ungarn gemeinsam mit Polen zum Jahresende den milliardenschweren EU-Haushalt. Die beiden Länder wollten mit ihrem Veto verhindern, dass die Auszahlung von Geldern aus Brüssel künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft wird. Am Ende lenkte Orban, der für die Blockade im Wesentlichen verantwortlich war, ein.

Auch im aktuellen Streit mit der EU geht es dem rechtsnationalen Politiker darum, Rechtsstaats-Sanktionen aus Brüssel gegen sein Land zu verhindern. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, 7,5 Milliarden Euro aus Fördergeldern und weitere 5,8 Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds, die Budapest eigentlich zustünden, einzufrieren.

Der Grund: Orbans mangelnde Fortschritte im Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Die EU-Kommission kann sich in ihrer Entscheidung auf den so genannten Konditionalitätsmechanismus berufen, der eine Suspendierung von EU-Geldern ermöglicht.

Allerdings droht der EU in dem Streit eine interne Blamage. Denn es ist nach gegenwärtigem Stand keineswegs sicher, dass die notwendige Mehrheit unter den 27 EU-Staaten, die für das Einfrieren der EU-Gelder erforderlich ist, tatsächlich zustande kommt. Vor allem etliche osteuropäische Staaten scheuen davor zurück, der Kürzung der ungarischen EU-Mittel ihren Segen zu geben.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban legt sich mit Brüssel an.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban legt sich mit Brüssel an.

© dpa/APA/Georg Hochmuth

In dieser Situation hat Bundesfinanzminister Christian Lindner den Vorschlag einer Denkpause gemacht. Die EU-Kommission, so erklärte der FDP-Chef jüngst in Brüssel, solle noch einmal eine Neubewertung zum Stand der Dinge in Ungarn vornehmen. Nach den Worten Lindners dürfe es in Fragen der Rechtsstaatlichkeit zwar „keinen Rabatt“ für Budapest geben. Allerdings habe es zuletzt dort „noch Entwicklungen gegeben“, seit die Kommission im vergangenen Monat ihren Bericht zu Ungarn vorgelegt hat.

Zwar spricht wenig dafür, dass sich grundlegend etwas an einer Einschätzung der Brüsseler Behörde ändert. Zu den Defiziten gehört aus der Sicht der zuständigen Kommissarin Vera Jourova unter anderem, dass die Brüsseler Betrugsbekämpfungsbehörde (Olaf) keine wirksamen Untersuchungen in Ungarn durchführen kann.

18
Milliarden Euro an EU-Krediten für die Ukraine werden bislang durch Ungarn blockiert.

Dennoch dient der Vorstoß der Bundesregierung, der auch von Frankreich unterstützt wird, nach Angaben von EU-Diplomaten dazu, dass die EU-Mitgliedstaaten anschließend über ein mögliches Einfrieren der ungarischen EU-Gelder „auf einer soliden rechtlichen Basis entscheiden“ können.

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Der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Link, ist der Auffassung, dass die Rechtsstaatlichkeit „nicht verhandelbar“ ist. „Die EU darf Orbans neuesten Erpressungsversuchen weder nachgeben noch halbgare Kompromisse bei der Anwendung des Konditionalitätsmechanismus eingehen“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Wirkung auf Orban selbst und auf potenzielle Nachahmer käme einer Kapitulation der EU gleich, so Link.

Nach den Worten des FDP-Mannes hat Orbans Regierung „den Rechtsstaat in Ungarn systematisch ausgehöhlt, EU-Mittel in massiver Weise korrupt verwendet und den finanziellen Interessen der EU deutlich geschadet“. Die Freigabe der EU-Gelder dürfe daher erst dann erfolgen, wenn die Reformen der ungarischen Regierung in der Praxis sicher Bestand haben und nachweisbar dauerhafte Wirkung entfalten. „Der Schutz des EU-Haushalts und des europäischen Werte- und Rechtssystems müssen jetzt oberste Priorität haben“, so Link.

Michael Link, europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Budapest.
Michael Link, europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Budapest.

© dpa/Kay Nietfeld

Orban geht seinerseits davon aus, im Poker um die Rechtsstaatlichkeit mit der EU einen Trumpf in der Hand zu halten: Der Regierungschef will die geplanten Hilfen für die Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro durch sein Veto so lange blockieren, bis die Gefahr einer Suspendierung der ungarischen EU-Fördergelder gebannt ist.

Der Schutz des EU-Haushalts und des europäischen Werte- und Rechtssystems müssen jetzt oberste Priorität haben.

Michel Link, europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion

Allerdings wird in Brüssel auch schon nach Strategien gesucht, um Orban den Veto-Hebel aus der Hand zu schlagen. Welche Bedeutung die Milliardenhilfen für die Ukraine haben, hatte zuletzt auch Lindner betont.  Im Ukraine-Krieg würden „auch unsere europäischen Werte und Interessen verteidigt“, so der Finanzminister.

Die Ukraine benötigt den 18-Milliarden-Kredit, um die Gehälter für Staatsbedienstete und Renten zu finanzieren. Deshalb wird in Brüssel über einen „Plan B“ nachgedacht: Ein Beschluss über die Auszahlung der Ukraine-Hilfe wäre auch im Kreis von 26 Staaten möglich – ohne Ungarn.

Weil die Lage derart verfahren ist, gilt es auch als denkbar, dass Europas Streit ums Geld nicht zwischen Lindner und seinen EU-Amtskollegen gelöst wird, sondern auf höchster Ebene beim EU-Gipfel am Ende der kommenden Woche.

Auch für Orban steht dabei einiges auf dem Spiel. Denn falls bis Ende des Jahres keine Entscheidung fällt, müsste er automatisch auf 70 Prozent der Corona-Hilfen von insgesamt 5,8 Milliarden Euro verzichten.

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