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CDU-Chef Friedrich Merz unterwegs in Warschau mit seinem Fraktionskollegen Paul Ziemiak (links).

© dpa/Michal Dyjuk

Opposition auf Staatsbesuch: So ist Merz' Reise nach Polen und Litauen gelaufen

In Warschau wurde CDU-Chef Merz empfangen wie ein Regierungschef, an der Nato-Ostflanke besuchte er Soldaten. Der Zeitpunkt war günstig für den Oppositionsführer.

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Es ist ein Satz, den Friedrich Merz vermutlich gern gelesen hat. Die Reise des CDU-Chefs nach Polen und Litauen sei „schwer anders zu interpretieren als eine Demonstration, dass Friedrich Merz an der Spitze Deutschlands besser mit der schweren Krise des Ukraine-Krieges zurechtkommen würde als Olaf Scholz“, schreibt am Freitag die wichtige polnische Tageszeitung „Rzeczpospolita“.

Da ist Merz von Warschau zwar schon weitergereist nach Litauen. Aber der Satz kann dem Oppositionsführer als Hinweis darauf dienen, dass sich seine Auslandsoffensive bereits gelohnt hat. Unter anderem den polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki, den Vorsitzenden der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski und den früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk hat Merz in Warschau getroffen.

Merz, der in einer Maschine der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums angereist war, wurde fast empfangen wie ein Regierungschef. Abgesehen vom überparteilichen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier war Merz der erste ranghohe Besuch aus Berlin in Warschau seit Kriegsbeginn.

Großes Ärgernis: der schleppende Ringtausch

Die Reise, so wird in der Unionsfraktion betont, war lange geplant und eng abgestimmt mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium. Doch der Zeitpunkt spielt Merz als Oppositionsführer in die Karten. In Polen ist man verärgert über zu zögerliche Waffenlieferungen der Bundesregierung und darüber, dass der Ringtausch für Panzer für die Ukraine nicht schnell genug vorankommt. Merz konnte hier als einer auftreten, der die Wogen glättet.

Die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland sind ohnehin nicht besonders gut. Seit 2015 regiert die nationalkonservative PiS, deren Propaganda überall deutsche Verschwörungen wittert, um Polen zu kontrollieren. Gleichzeitig hat das Land an Selbstbewusstsein gewonnen. Seit Beginn des Krieges ist das Land der wichtigste Frontstaat der Nato. Über ihn läuft die internationale Militärhilfe.

Merz dankte Polen für seine Unterstützung für die Ukraine. Er präsentierte sich wie auch daheim in Deutschland als Antreiber der Ampel-Koalition und schlug sich in der Frage des Ringtauschs auf die Seite der Gastgeber. Polen hat mehr als 200 Panzer älterer Bauart als Militärhilfe an die Ukraine abgegeben, ist aber unzufrieden mit dem deutschen Ausgleichsangebot. „Diese Kompensation muss geleistet werden, so wie die polnische Regierung es erwartet“, erklärte Merz.

„Viel Enttäuschung erlebt“

Begleitet wurde Merz unter anderem vom Vorsitzenden der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe und früheren CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. „In Polen erwartet man von Deutschland Führung und Zuverlässigkeit. Wir haben viel Enttäuschung erlebt, unter anderem über die sehr zögerliche Haltung  Deutschlands bei der Frage der Waffenlieferungen“, berichtet er.

Die 200 Panzer, die Polen an die Ukraine geliefert habe, entsprächen einem Viertel des Heeresbestandes der polnischen Streitkräfte. „Das Land sieht sich als Frontstaat und fühlt sich bedroht“, sagte Ziemiak dem Tagesspiegel. „Es ist verständlich, dass es der polnischen Seite nicht reicht, wenn die Bundesregierung anbietet, mit der Lieferung von 20 Panzern zu beginnen.“ Die Bundesregierung müsse im Verhältnis zu den österlichen Nachbarn zeigen, dass man sich auf ihr Wort verlassen könne.

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Merz machte bei seinem Besuch aber auch Differenzen mit den Gastgebern deutlich. Er verteidigte das in Warschau kritisierte Rechtsstaatlichkeit-Verfahren der EU gegen Polen. Nach eigenen Angaben erklärte Merz seinen Gesprächspartnern zudem, dass er keine Grundlage sieht für die Reparationsforderungen an Deutschland wegen der verursachten Schäden im zweiten Weltkrieg. Aus deutscher Sicht hat sich die Frage von Reparationen mit den internationalen Verträgen zur deutschen Einheit von 1990 erledigt. Die polnische Zeitung „Gazeta Polska“ bezeichnete Merz’ Ausführungen dazu als „enttäuschend“, bescheinigte ihm aber ansonsten, einen „guten Eindruck“ hinterlassen zu haben.

Streit um Sprachunterricht für die deutsche Minderheit

Ein weiteres großes Thema in den Gesprächen war die Lage der deutschen Minderheit in Polen. Mit einer Verordnung war im Februar festgelegt worden, dass Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen anstelle von drei Wochenstunden ab September nur noch eine Wochenstunde muttersprachlichen Unterricht erhalten sollen.

„Es ist nicht akzeptabel, dass der Sprachunterricht gekürzt wird. Zum Teil ist das sicherlich auch innenpolitisch motiviert“, meint Ziemiak. „Aber wir sind in Deutschland auch gefragt, unseren Teil des Vertrages einzuhalten und Schülern polnischer Abstammung in Deutschland ausreichend zu fördern. NRW, Brandenburg und Sachsen gehen da schon voran.“

Am Donnerstagabend reiste Merz nach Litauen weiter. Dort besuchte er die von der Bundeswehr geführten Nato- Truppen in Rukla in Litauen. Am Freitag traf er sich in Vilnius mit Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte. Sie berichtete von der Sicherheitslage in ihrem Land und von der litauischen Abwehr gegen Desinformation aus Russland. Merz warnte im Anschluss davor, die Erwartungen des Landes zu enttäuschen. Bundeskanzler Scholz hatte angekündigt, dass eine Kampfbrigade unter deutscher Führung dort stationiert werde. Noch ist aber unklar, wie viele Soldaten wirklich kommen und wo wie viele stationiert werden sollen.

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