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SPD-Nachwuchs für „deutliche Nachbesserungen“: Jusos sprechen sich gegen schwarz-roten Koalitionsvertrag aus
Die SPD-Mitglieder stimmen ab Dienstag über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Nicht nur Juso-Verbände in den verschiedenen Bundesländern sprechen sich dagegen aus, sondern auch Philipp Türmer.
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Die SPD-Jugendorganisation Jusos lehnt den Koalitionsvertrag ihrer Partei mit der Union ab. „Unser Votum lautet Ablehnung. Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer am Montag den Sendern RTL und ntv.
„Es ist eine schwierige Situation. Aber wir sagen deutlich, was unsere Einschätzung ist. Das verlangen unsere Mitglieder von uns. Und deswegen hat sich der Bundesvorstand auch in enger Abstimmung mit den Landesverbänden und Bezirken dazu entschieden“, sagte Türmer.
Als einzige der wahrscheinlich künftigen Regierungsparteien lässt die SPD ihre Mitglieder über den in der vergangenen Woche vorgestellten Koalitionsvertrag abstimmen.
Die Mitgliederbefragung startet am Dienstag und soll bis 29. April laufen. Mehrere Juso-Landesverbände hatten bereits am Wochenende ihre Ablehnung angekündigt.
Türmer kritisierte nun, dass der Vertrag in der Migrationspolitik sowie bei Arbeit und Sozialem den falschen Weg gehe. Den vereinbarten Finanzierungsvorbehalt nannte er „eine tickende Zeitbombe“.
Anders als nach der Bundestagswahl 2017 wollen die Jusos nach Türmers Worten aber keine Kampagne gegen die voraussichtlich künftige schwarz-rote Koalition starten. „Eine NoGroKo Kampagne wie beim letzten Mal ist so nicht zu erwarten. Die ging über viele Wochen und Monate“, sagte Türmer. Nun sei der Abstimmungszeitraum deutlich kürzer. „Aber wir sind im Dialog mit den Mitgliedern. Wir diskutieren viel.“
358.000 SPD-Mitglieder stimmen ab
Zunächst lehnten die Jusos aus Bayern und aus Schleswig-Holstein die Vorhaben ab und riefen zu einem Nein beim Mitgliederentscheid ihrer Partei auf. Mit Baden-Württemberg und Brandenburg signalisierten dann weitere Juso-Landesverbände eine Ablehnung des Koalitionsvertrags von Union und SPD.
„Ich werde den Koalitionsvertrag im Mitgliedervotum ablehnen“, sagte Baden-Württembergs Juso-Chef Daniel Krusic dem Magazin „Politico“ nach Angaben vom Montag. Der Landesvorstand wolle den gesamten Juso-Landesverband zu einer Ablehnung bewegen. Die Befragung der gut 358.000 SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag beginnt am Dienstag und soll zwei Wochen dauern.
Vom Juso-Chef in Brandenburg, Leonel Richy Andicene, kommt ebenfalls ein klares Nein zur Einigung von CDU/CSU und SPD. „Ich werde dem Koalitionsvertrag aus voller Überzeugung nicht zustimmen“, sagte Andicene dem Magazin. Der Vertrag entspreche in zentralen Punkten in den Bereichen Migration, Arbeit und Soziales nicht den Grundüberzeugungen eines sozialistischen Jugendverbands. Dem Landesverband solle aber keine Entscheidung vorgeben werden, sagte Andicene.
Kritik an Migrationsplänen
Die Vorsitzende des größten Juso-Landesverbands in Nordrhein-Westfalen, Nina Gaedike, sagte dem „Handelsblatt“, die Pläne von Union und SPD gingen in eine Richtung, „die wir nicht gutheißen können“. Die Juso-Chefin aus Niedersachsen, Ronja Laemmerhirt, sprach von „Dealbreakern“ im Koalitionsvertrag. Für die Berliner Jusos steht schon fest, dass sie die Vereinbarung von Union und SPD ablehnen werden.
Die Jusos aus Bayern und Schleswig-Holstein fassten bereits Beschlüsse dazu. Der Koalitionsvertrag sei „nicht geeignet, um die zentralen politischen Fragen und die enorme Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft anzugehen“, argumentierte die bayerische SPD-Jugend. Die Jusos aus Schleswig-Holstein sprachen von „unsolidarischen migrations-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorhaben“.
In mehreren Bundesländern übten Jusos Kritik unter anderem an der geplanten Abkehr vom Bürgergeld, einer Aufweichung der Rechte von Arbeitnehmern im Bereich der Arbeitszeit und den Plänen zur Migration. Außerdem fehlten eine Vermögensteuer und eine Erbschaftssteuerreform. „Zu viel geht gegen die Ideen der Sozialdemokratie!“, argumentierten sie. Bei Menschenrechten und grundlegenden Idealen der Sozialdemokratie dürften keine Kompromisse gemacht werden.
Miersch: Entscheidung ist „kein Selbstläufer“
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern mit Blick auf den Widerstand bei den Jusos: „Das Mitgliedervotum ist natürlich eine freie Entscheidung. Aber: Wer über ein Nein nachdenkt, sollte auch die Konsequenzen ehrlich abwägen.“
Jede Alternative zu dieser Einigung würde Miersch zufolge deutliche Rückschritte in der Migrationspolitik und keine Fortschritte bei Sozialpolitik und gesellschaftlichem Zusammenhalt bedeuten. „Und wer denkt, es werde schon eine Mehrheit zustande kommen, spielt mit dem Feuer“, sagte er.
Diese Entscheidung sei „kein Selbstläufer“. Sie brauche Beteiligung, Überzeugung und am Ende auch „unsere gemeinsame Verantwortung“. (dpa)
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