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Staat fördert umstrittene Denkfabrik: Kristina Schröders Verein Republik21 erhält eine Viertelmillion Euro
Schon dieses Jahr wird die rechtskonservative Denkfabrik Republik21 mit bis zu 250.000 Euro gefördert. Kritiker schlagen Alarm und fragen: Wie konnte das passieren?
Stand:
Die Plattform „Nius“ lobt den Verein als „das konservative Gewissen der Union“. Kritiker warnen, er vertiefe die Spaltung im demokratischen Lager.
Trotzdem erhält Republik21 e. V. künftig staatliche Fördermittel. Noch in diesem Jahr stehen ihm bis zu 250.000 Euro zur Verfügung.
Die Förderung ist im Einzelplan 04 des Bundeshaushalts vermerkt, den das Parlament im September beschlossen hat. Der entsprechende Topf für institutionelle Förderungen ist beim Bundespresseamt angedockt. Dieses gehört zum Geschäftsbereich von Bundeskanzler und Kanzleramt.
Mitgründer will AfD-Brandmauer einreißen
Sich selbst bezeichnet R21 als „politischen Thinktank für neue bürgerliche Politik“. Dahinter steckt einerseits die CDU-Politikerin und frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, andererseits der Mainzer Historiker Andreas Rödder, der schon seit Jahren für ein Niederreißen der Brandmauer gegenüber der AfD plädiert. (Rödder war bis 2024 Kolumnist beim Tagesspiegel.)
Die Union solle sich parlamentarischen Initiativen der AfD nicht von vornherein verschließen, forderte er bereits 2023. „Parlamentarismus heißt, die Inhalte an erste Stelle zu setzen“, sagte Rödder damals dem „Spiegel“. Die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens lehnt er vehement ab.
Stattdessen zeigte sich Rödder schon vor zwei Jahren offen für CDU-Minderheitsregierungen im Osten, bei denen sich seine Partei hin und wieder von der AfD unterstützen lassen würde. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Thorsten Frei, damals Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, distanzierten sich öffentlich von Rödders Forderung.

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Zu diesem Zeitpunkt leitete Rödder noch die Grundwertekommission der CDU. Seine Vorstöße führten intern zu scharfer Kritik: Der Historiker habe offensichtlich seinen Wertekompass verloren, erklärte etwa der Unionspolitiker Ruprecht Polenz. Denn Rödder empfehle seiner Partei, sich „fallweise von einer faschistischen Partei tolerieren zu lassen“.
Die Leitung der Grundwertekommission gab Rödder daraufhin ab. Die Aufforderung an seine Partei, im Zweifel hin und wieder gemeinsam mit der AfD zu stimmen, behält er bis heute bei – wobei R21 das gemeinsame Durchbringen von Anträgen nicht als Kooperation wertet.
Noch in diesem Frühjahr kritisierte Rödder die Brandmauer energisch, plädierte für eine „konditionierte Gesprächsbereitschaft“ gegenüber der AfD. Andreas Rödder hält AfD-Mann Alexander Gauland für eine respektable Persönlichkeit und findet, Gauland hätte 2025 Alterspräsident des Bundestags sein sollen.
„Wokeness“ als größte Gefahr für die Gesellschaft
Als Feindbild hat die Denkfabrik R21 alles „Woke“ ausgemacht. Auf einer Veranstaltung des Vereins mit dem Titel „Wokes Deutschland – Identitätspolitik als Bedrohung unserer Freiheit?“ behauptete eine Rednerin, die Bewegung der sogenannten Woken sei „die größte Gefahr für unsere Gesellschaft“ und dazu „mächtiger, als es jede rechtsextremistische Bewegung gerade sein kann.“ Die Rednerin ist Mitarbeiterin von „Nius“.
R21-Gründer Andreas Rödder veröffentlichte im Juni dieses Jahres einen Text auf der Webseite des Vereins, den er mit der Überschrift „Bürgerliche müssen Kulturkämpfe annehmen“ betitelte. Als Beispiele für Kulturkämpfe, die Bürgerliche annehmen sollten, nennt er „die Debatten über Leitkultur, Gendersprache, Quoten oder Abtreibung – und auch die über die Frage, wie viele Geschlechter es gibt“.
Zudem wird R21 vorgeworfen, sich an populistischen Kampagnen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beteiligen. Inzwischen ist der Verein eine offizielle Kooperation mit dem stark umstrittenen, von einem CSU-Lokalpolitiker betriebenen „ÖRR Blog“ eingegangen, der immer wieder durch Verbreiten von Populismus und unzutreffenden Behauptungen auffällt.
Der Journalist Matthias Schwarzer sagt, der Blog kämpfe „mit unfairen Mitteln“. Nicht selten würden „Begebenheiten mit Screenshots oder abgeschnittenen Videobeträgen derart aus dem Zusammenhang gerissen und ad absurdum geführt, dass vom Vorwurf bei näherer Betrachtung kaum noch etwas übrig bleibt“. Wichtige Fakten würden den Followern des Blogs dagegen vorenthalten. Inzwischen existiert ein Watch-Blog, der die zahlreichen Fehler und Unsauberkeiten des „ÖRR Blogs“ dokumentiert.
Zu den Gründern von R21 gehört auch Kristina Schröder. Als die CDU-Politikerin 2016 ihren Abschied aus dem Bundestag ankündigte, erklärte sie, sie wolle sich beruflich neu orientieren. Schröder war mit 14 Jahren in die Junge Union eingetreten und arbeitete sich im hessischen CDU-Landesverband von Roland Koch nach oben. 2012 veröffentlichte sie die Streitschrift „Danke, emanzipiert sind wir selber“, die vor allem als Attacke auf den Feminismus gelesen wurde.
Wie Mitgründer Rödder trat Schröder bereits bei „Nius“ auf. Dort erklärte sie, Brandmauern schlössen Menschen aus, sie selbst wolle jedoch keine Menschen ausschließen.
Noch keine Fördermittel beantragt
Bislang habe man keinen Antrag auf Fördermittel gestellt, erklärt der Verein gegenüber dem Tagesspiegel. Dies werde man allerdings in den kommenden Wochen tun. Laut Förderrichtlinien kämen unter anderem Personalausgaben, Büroausstattung, Mieten und Pachten sowie Honorare für Dozierende und Vortragende als zuwendungsfähige Ausgaben infrage. Eine institutionelle Förderung sei für den Verein schon bei früheren Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestags im Gespräch gewesen, damals allerdings aus unterschiedlichen Gründen nicht beschlossen worden.
Die SPD sollte sich gerade machen und dafür sorgen, dass keine Bundesmittel in die Verbreitung von Verschwörungserzählungen fließen.
Marlene Schönberger (Grüne)
Dass ein Verein direkt eine institutionelle Förderung erhält, gilt als ungewöhnlich. Üblicherweise beantragt er zunächst eine Projektförderung. Sofern sich der Verein bewährt, kann die Projektförderung in eine institutionelle Förderung überführt werden. Bei R21 war das nicht der Fall.
Wie genau es der Union und insbesondere ihrer Haushälterin Kerstin Radomski in den jüngsten Haushaltsverhandlungen gelang, die Fördermittel für R21 durchzusetzen, ist bislang unklar. Aus der CDU heißt es, die SPD sei einverstanden gewesen und habe den Antrag an keiner Stelle nennenswert hinterfragt.
In der SPD-Fraktion ist der Unmut groß. Die Rede ist von einer „offensichtlichen Fehleinschätzung“ der zuständigen Genossen in den Haushaltsverhandlungen. Über diesen speziellen Bereich verhandelte der Haushälter Thorsten Rudolph, der auch haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist.
Angesichts der Tatsache, dass die Union seit Monaten gegen NGOs polemisiere, ihnen Parteilichkeit unterstelle und sich dabei von rechten Kampagnen treiben lasse, wirke es nun wie ein Hohn, ausgerechnet einen solchen Verein institutionell zu fördern.
Öffentlich möchte allerdings niemand in der Fraktion den Vorgang kommentieren. In der Unionsfraktion ebenfalls nicht.
Bei den Grünen dagegen schon. Die bayerische Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger bezeichnet die Förderung als skandalös. Sie sagt, bei der Denkfabrik Republik21 handle es sich um eine „Organisation, die rechtspopulistisches und verschwörungsideologisches Geraune verbreitet“. Damit schade Republik21 dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und schwäche das Vertrauen in die liberale Demokratie. Besonders irritiere, dass die Bundesregierung gleichzeitig im Bereich der politisch-historischen Bildungsarbeit spare.
Schönberger hatte Republik21 vor drei Jahren vorgeworfen, auf deren Kongress „Wokes Deutschland“ seien antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet worden. So wurde etwa auf der Bühne behauptet, eine Minderheit sei „im Besitz der kulturellen Produktionsmittel“. Der Verein bestritt die Vorwürfe und erklärte, es handle sich um einen Versuch, „Andersdenkende moralisch zu diffamieren und auszugrenzen“.
Angesichts der nun beschlossenen Fördermittel beklagt Schönberger auch Doppelmoral: „Regelmäßig kritisieren die Funktionäre dieses Vereines die staatliche Förderpraxis. Doch sobald es eine unionsgeführte Regierung gibt, möchte man sich selbst von diesen Töpfen abhängig machen?“ Die SPD solle sich gerade machen und dafür sorgen, dass keine Bundesmittel in die Verbreitung von Verschwörungserzählungen flössen.
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