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Steuerentlastungen und steigende Beiträge: Was zum Jahreswechsel finanziell auf Arbeitnehmer zukommt
Die Ampel-Parteien haben sich auf ein Entlastungspaket geeinigt. Doch steigende Kassenbeiträge sorgen dafür, dass bei vielen ab Januar wohl dennoch weniger Netto vom Brutto bleibt. Ein Überblick.
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Die Parteien der ehemaligen Ampel-Koalition haben sich überraschend auf ein Projekt geeinigt und wollen Steuererleichterung und eine Kindergelderhöhung auf den Weg bringen. Doch selbst wenn das gelingt, wird das Leben zum Jahresbeginn für viele teurer. Zwar liegt die Inflation aktuell relativ stabil bei rund zwei Prozent, doch steigende Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge werden zur Belastung für Arbeitnehmer.
Welche Entlastungen wollen FDP, Grüne und SPD noch auf den Weg bringen?
Als Ausgleich für steigende Kosten plant die Regierung zusammen mit dem ehemaligen Koalitionspartner FDP Erleichterungen, insbesondere den Abbau der sogenannten „kalten Progression“ sowie die Erhöhung des Kindergeldes. Theoretisch könnte das Gesetz durch eine Fristverkürzung noch vor Weihnachten den Bundestag und den Bundesrat passieren. Doch Bundesfinanzminister Jörg Kukies schloss noch am Freitag eine Umsetzung zum Jahresbeginn aus.
„Sollte das entsprechende Gesetz nun rasch vom Bundestag beschlossen werden, hätte der Bundesrat bis zum 21. Februar Zeit, also zwei Tage vor der Wahl, es zu verabschieden“, sagte der SPD-Politiker der „Welt“. Eine Umsetzung noch vor der Neuwahl wäre also möglich, allerdings muss das Gesetz dafür von den Ländern im Bundesrat abgesegnet werden. Ob dies gelingt, ist offen, da diese durch die Steuererleichterung auf Einnahmen verzichten müssten.
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sieht nun Union und SPD, die die meisten Stimmen im Rat haben, in der Verantwortung: „Im Bundesrat müssen sich jetzt Union und SPD zum Entlastungspaket bekennen oder der arbeitenden Bevölkerung ins Gesicht sagen, dass die Länder sich die Entlastung nicht leisten wollen“, erklärte er.
Wie würde eine rückwirkende Entlastung funktionieren?
Sollte das Gesetz nicht mehr dieses Jahr, aber noch vor der Wahl im Februar verabschiedet werden, soll es rückwirkend ab dem 1. Januar 2025 gelten. Zunächst würden vom Lohn weiter die aktuellen Steuern abgezogen, bis das Gesetz in Kraft tritt. Das in den ersten Monaten zu viel gezahlte Geld können sich Arbeitnehmer dann 2026 mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2025 zurückholen.
Was bringt die Kindergelderhöhung konkret?
Der von der Ampel erarbeitete Entwurf sieht vor, das Kindergeld von monatlich 250 Euro auf 255 Euro zu erhöhen. Der Kinderfreibetrag soll um 60 Euro auf 6.672 Euro angehoben werden. Zudem erhöht sich der Kindersofortzuschlag für Familien mit geringem Einkommen um fünf Euro monatlich.
„Wir entlasten eine Familie mit zwei Kindern mit einem Einkommen von 60.000 Euro um 306 Euro nächstes Jahr“, rechnete der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler am Freitag vor.
Was bringt der Abbau der kalten Progression?
Vom anvisierten Abbau der kalten Progression hingegen profitieren nicht nur Familien, sondern nach Angaben der Regierung 48 Millionen Bürger. Im Schnitt sollen die Erleichterungen 16 Euro im Monat betragen.
Als kalte Progression bezeichnet man den Effekt, dass Menschen sich trotz Lohnerhöhung weniger leisten können. Dazu kommt es, wenn Arbeitnehmer durch eine Lohnerhöhung in eine höhere Steuerklasse rutschen und der Rest des Lohnplus niedriger als die Inflationsrate ist. Dadurch sinkt also der Lebensstandard, während die Steuereinnahmen des Staates steigen.
Um dem entgegenzuwirken, wird der Grundfreibetrag sowie die Grenzen der Steuerklassen um die erwartete Inflationsrate angehoben. Der Teil des Einkommens, der gar nicht besteuert wird, soll somit um 312 Euro auf 12.096 Euro steigen und die nächsthöheren Steuersätze entsprechend später greifen.
Welche Beiträge steigen ab Jahresbeginn?
Doch im Januar stehen den Erleichterungen auf dem Lohnzettel auch höhere Beiträge gegenüber. Am Freitagmorgen warnte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung vor stärker als erwartet steigenden Kassenbeiträgen zum Jahreswechsel. Der Zusatzbeitrag, den jede Kasse unabhängig erheben kann, drohe in vielen Fällen den von der Bundesregierung geplanten Durchschnitt von 2,5 Prozent deutlich zu überschreiten, warnt die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer in der „Augsburger Allgemeinen“ von Freitag.
Aktuell liegt der Zusatzbetrag meist zwischen einem und drei Prozent. Er wird zur Hälfe vom Arbeitgeber bezahlt. Bei Erhöhungen von ein bis zwei Prozent je nach Versicherung bleiben manchen Arbeitnehmern folglich ein halbes bis zu einem Prozent weniger Lohn am Ende des Monats. Kostensteigerungen dürften fast alle Arbeitnehmer spüren, zumal auch viele private Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen.
Wie entwickeln sich die Sozialabgaben?
Parallel steigt auch die Beitragsbemessungsgrenze deutlich. Diese legt fest, bis zu welcher Einkommensgrenze Beiträge für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen. Eine Erhöhung der Grenze führt dazu, dass für einen größeren Anteil der Einkommen Sozialabgaben fällig werden.
Für die Krankenversicherung steigt die Grenze zum 1. Januar von 5175 Euro auf 5512 Euro. Bei der Rentenversicherung steigt sie von 7550 Euro in Westdeutschland bzw. 7450 Euro in Ostdeutschland auf bundesweit 8050 Euro.
Das heißt: Gutverdiener, deren Einkommen zwischen 5175 und 5512 Euro im Monat sowie zwischen 7450 und 8050 Euro, zahlen ab 2025 deutlich mehr Abgaben. Für andere Einkommensgruppen ändert sich hingegen nichts.
Was bleibt am Ende übrig?
Eine generelle Aussage darüber, ob die Erleichterungen die gestiegenen Beiträge ausgleichen oder nicht, lässt sich nicht treffen. Klar ist, dass Familien mit Kindern und niedrigen bis mittlerem Einkommen anteilig mehr profitieren dürften. In der Masse führt der Ausgleich der kalten Progression zunächst zu einer höheren Summe auf dem Lohnzettel.
Genau genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Steuererleichterung, sondern nur um die Rücknahme einer nicht erklärten, schleichenden Steuererhöhung durch die kalte Progression. Der reale Kaufkraftverlust der vergangenen Jahre bleibt bestehen.
Da die Gesetze zudem vermutlich erst rückwirkend zum Jahresbeginn gelten werden, die Kassenbeiträge aber definitiv steigen werden, bleibt den meisten Arbeitnehmern zumindest in den ersten Monaten des neuen Jahres wohl weniger Netto vom Brutto. (mit Agenturen)
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