zum Hauptinhalt
Abstimmung im Rahmen des Tagesordnungspunkt Antragsberatungen zur Frauenquote.

© IMAGOFoto: /Political-Moments

Update

Junge CDU-Frauen dagegen, ältere dafür: Am Ende setzt sich Merz bei der Frauenquote durch

Friedrich Merz muss seinen ersten Parteitag als CDU-Chef bestehen. Besonders heikel: die Frauenquote. Der Parteivorsitzende wirft sich selbst in die Debatte.

| Update:

Am Ende wirft sich Friedrich Merz doch noch selbst in die Debatte. „Trauen wir uns eine so minimale Veränderung nicht mehr zu?“, ruft der CDU-Chef. Natürlich, die Frauenquote allein löse das Problem nicht. „Aber es geht jetzt um ein Signal nach draußen, dass wir das Thema ernst nehmen!“ Diesen Schritt solle die Partei jetzt gemeinsam gehen.

Es ist der Schlusspunkt einer hitzigen, mehr als eineinhalbstündigen Debatte um die Einführung einer parteiinternen Frauenquote. Das Risiko für Friedrich Merz ist hoch: Er hat sich bereits im Vorfeld für die Einführung einer auf fünf Jahre befristeten Frauenquote ausgesprochen. Er weiß: Scheitert die Quote, bedeutet das einen herben Dämpfer für ihn.

Merz muss sich als Parteichef beweisen

Für Friedrich Merz ist es der erste Präsenzparteitag, seitdem er Anfang des Jahres zum Parteichef gewählt wurde. Es waren herausfordernde Monate für Merz. Als Oppositionsführer hat er versucht, den Kanzler vor sich herzutreiben. Er war vor Olaf Scholz in Kiew und machte Druck bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. In den eigenen Reihen wurde er dafür gefeiert.

Doch auf diesem Parteitag in Hannover muss Merz nun die Erneuerung der CDU vorantreiben. Er muss sich als Parteichef beweisen, muss diesen Parteitag begeistern, motivieren, aber auch führen.

Im Vorfeld hatten viele Christdemokraten die Sorge, dass sich die CDU vor allem mit sich selbst beschäftigen würde. Mit dem Streit um die Frauenquote, um die Dienstpflicht, mit Diskussionen um einzelne Formulierungen in der CDU-Grundwertecharta. Würde die Quote vom Parteitag abgelehnt, würde das die Schlagzeilen dominieren, fürchteten sie in der CDU. Und das in einer Zeit, in der sich Deutschland in einer tiefen Krise befindet.

Die Fallhöhe dieses Parteitages macht Friedrich Merz gleich zu Beginn klar. „Wenn wir es in den nächsten Tagen und Wochen richtig machen, werden wir dieses Jahr abschließen mit einem weiteren großen Erfolg“, ruft der CDU-Chef vom Rednerpult in der Hannoveraner Messe. „Richtig machen heißt, dass wir auf diesem Parteitag kluge Entscheidungen treffen und die richtigen Prioritäten setzen.“

Natürlich, sagt Merz, gehöre dazu Selbstbeschäftigung. Aber viel mehr müsse sich die CDU mit der aktuellen Krise beschäftigen. Wenn vom Parteitag das richtige Signal ausgehe, habe die CDU gute Chancen, die Landtagswahl in Niedersachsen zu gewinnen.

Merz widerspricht Kretschmer - ohne ihn zu nennen

Seine Auftaktrede will Merz zur außenpolitischen Positionierung nutzen. Will deutlich machen, dass seine Partei fest zur Unterstützung der Ukraine steht. In der Vergangenheit hatte etwa der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gefordert, den Krieg in der Ukraine „einzufrieren“, und erklärt, man könne auf die Rohstoffe aus Russland nicht verzichten.

Merz erwähnt Kretschmer zwar nicht, aber widerspricht ihm deutlich. Friedensverhandlungen seien nur möglich, wenn die Ukraine militärische Erfolge erziele und Russland die Hoffnung auf einen Sieg verliere.

Punkten kann Merz vor allem seinen Angriffen auf Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Ampel.
Punkten kann Merz vor allem seinen Angriffen auf Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Ampel.

© dpa / Michael Kappeler

Neue inhaltliche Impulse gibt es wenige von Merz. Begeistern kann er den Parteitag vor allem mit seinen scharfen Attacken gegen die Ampel. Der CDU-Chef wettert, Deutschland leiste sich in dieser Krise eine der wohl „schwächsten Bundesregierungen aller Zeiten“. An Kanzler Olaf Scholz gerichtet ruft er: „Stoppen Sie dieses rot-grün-gelbe Narrenschiff auf diesem Kurs, auf dem Sie sind.“

Merz liest aus Habecks Kinderbuch vor

Merz kritisiert auch besonders deftig den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und spielt auf dessen Vergangenheit als studierter Philosoph und Kinderbuchautor an. Genüsslich liest Merz eine Stelle aus Habecks Kinderbuch „Kleine Helden, große Abenteuer“ vor.

Kinderbücher seien eine wunderbare Sache, sagt Merz, Philosophie eine fantastische Wissenschaft. „Aber nur mit Kinderbüchern und Philosophie kann man doch die Probleme unseres Landes nicht lösen.“

Er stichelt: „Wir sind nicht Bullerbü. Wir sind die viertgrößte Industrienation der Welt, die es sich nicht leisten kann, ein Trainee-Programm für Bundeswirtschaftsminister aufzusetzen.“ Die Attacke mag nicht recht zu Merz’ sonstiger Linie als „staatstragender“ Oppositionsführer passen. Doch der Parteitag applaudiert heftig.

Und Merz punktet noch mit einem weiteren Thema: Schon zum Auftakt begrüßt er scherzhaft die „stolze Zahl“ von 58 Redakteurinnen und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Mit ihnen werden wir uns im Verlaufe dieses Parteitages besonders liebevoll beschäftigen“, sagt Merz.

Später wettert er dann gegen das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Sender hätten einen staatlichen Bildungs- und Informationsauftrag. Er forderte sie auf, sich an Regeln zu halten, „die wir uns alle in diesem Land gegeben haben – auch für die Verwendung der deutschen Sprache“. Die Sprache von „Goethe und Schiller“. Es ist leicht verdienter Applaus für Merz.

Vor allem jüngere Politikerinnen wettern gegen die Quote

Doch nach der Rede steigt die Anspannung auf dem Parteitag. Kommt die Quote durch?

Am Abend eröffnet die 29-jährige Franziska Dezember die Debatte. Sie wettert: Die Quote helfe kein bisschen bei der Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement. Ähnlich argumentiert die junge Paderborner Kreisvorsitzende Corinna Gotte: „Keine Frauenquote der Welt stellt sicher, dass meine Kinder mittags aus der Kita abgeholt werden.“

Auffällig ist: Vor allem etablierte CDU-Politikerinnen wie die Chefin der Frauen-Union Annette Widmann-Mauz, Ex-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien argumentieren für die Quote. Es sind jüngere Frauen, die leidenschaftlich dagegen reden und tosenden Applaus bekommen.

In einer lautstarken Rede ruft die frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: „Ist Euch eigentlich aufgefallen: Das größte Johlen ist, wenn Frauen gegen Frauen in Stellung gebracht werden.“

Nachdem am Ende noch NRW-Ministerpräsident und CDU-Hoffnungsträger Hendrik Wüst für die Quote argumentiert hat, tritt Friedrich Merz ans Rednerpult. Womöglich ahnt er, dass die Abstimmung knapp ausgehen kann. „Wir müssen noch viel mehr tun, als das, was wir heute hier beschließen. Aber diesen Mut sollten wir haben“, ruft er.

501 Delegierte wären nötig gewesen, um die Quote zu beschließen. Applaus im Saal brandet auf, als am Ende 559 Ja-Stimmen auf der Leinwand auftauchen. Es ist ein Ergebnis, mit dem Merz durchaus zufrieden sein kann.

Zur Startseite