
© dpa/Rafiq Maqbool
Strafantrag wegen „Schwachkopf“: Wie gefährlich kann das Habeck werden?
Ein Rentner bezeichnet Vizekanzler Robert Habeck auf X als „Schwachkopf“, wenig später durchsucht die Polizei sein Haus. Wird die vermeintliche Lappalie für Habeck zur Belastung?
Stand:
Robert Habeck wähnt sich am Ziel, endlich Kanzlerkandidat. 96,5 Prozent Zustimmung hat er gerade auf dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden bekommen. Minutenlanger Beifall, „Robert, Robert“-Sprechchöre, schöne Bilder. Nun steht nur noch die Runde vor den TV-Kameras an. Habeck tingelt sie ab, während im Hintergrund bereits die Stühle aus der Halle getragen werden. Routine. Doch in der ARD geht es schon bei der dritten Frage nicht mehr um seinen großen Moment.
Als Kanzler habe Olaf Scholz „Nehmerqualitäten“ bewiesen, führt ARD-Journalist Matthias Deiß ein. „Sie scheinen da etwas zimperlicher zu sein“, sagt Deiß und spricht Habeck auf seinen Strafantrag gegen einen 64-Jährigen aus Bayern an. Ende Juni hatte der Mann auf X eine Porträtaufnahme von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weiterverbreitet. Darunter stand ein Logo der für Haarpflegeprodukte bekannten Firma Schwarzkopf, mit dem inhaltlich abgewandelten Schriftzug: „Schwachkopf PROFESSIONAL“.
Ein Strafantrag des Vizekanzlers der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Schwachkopf-Posts? „War das nicht ein bisschen drüber von Ihnen?“, will Deiß von Habeck wissen.
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„Natürlich ist Schwachkopf nicht die schlimmste Beleidigung, die jemals ausgesprochen wurde“, räumt Habeck ein. Er habe sich zu Beginn der Legislatur jedoch dazu entschieden, Beleidigungen und Bedrohungen zur Anzeige zu bringen. „Das sind sehr viele“, sagte Habeck, der für diese Fälle mit einer Agentur zusammenarbeitet, die für ihn die sozialen Netzwerke scannt. Dabei handelt es sich um das Unternehmen So Done, das gegenüber dem „Spiegel“ jedoch erklärte, man konzentriere sich dabei auf „schwerwiegende Beleidigungen“ und habe mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun.
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Tatsächlich hat sich die bayerische Polizei initiativ im Büro von Habeck gemeldet und auf den Post hingewiesen. Erst durch den Hinweis stellte Habeck, dem der „Schwachkopf“-Sachverhalt gemeinsam mit anderen Fällen vorgelegt wurde, dann den Strafantrag.
Es geht auch um den Verdacht der Volksverhetzung
Was dann passierte, erstaunte jedoch sein Umfeld. Denn die Polizei in Unterfranken erwirkte vor dem Amtsgericht in Bamberg einen Durchsuchungsbeschluss und rückte gegen sechs Uhr morgens bei der Wohnung des früheren Soldaten an.
Alles nur wegen einer geteilten Bildmontage? Nachdem der Fall bekannt geworden war, hatte die Staatsanwaltschaft Bamberg mitgeteilt, dass gegen den Mann auch der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung vorliege. Er habe im Frühjahr 2024 ein Bild mit einem „SS- oder SA-Mann“ mit einem Plakat mit der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ verbreitet. Dazu stand unter anderem der Text: „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“
Ob die Staatsanwaltschaft Bamberg den Durchsuchungsbeschluss allein aufgrund der Anzeige Habecks erließ oder auch wegen des zweiten Posts, wird aus der Presseerklärung nicht eindeutig klar. „Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“, heißt es in der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bamberg.
Auch auf mehrfache Nachfrage weigert man sich dort, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Mehrere Juristen übten im „Spiegel“ bereits Kritik am Vorgehen der Behörden, dies sei nicht verhältnismäßig.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums erklärte: „Dass eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung bei dem Beschuldigten stattfand, ist einzig und allein die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte.“ Robert Habeck sei darüber weder informiert noch sonst beteiligt gewesen.
Doch für Habecks Image dürfte nicht die Hausdurchsuchung und die späteren Schilderungen des Rentners in der „Bild“-Zeitung zum Problem werden. Im Kern geht es um die Frage, warum er diese scheinbare Lappalie zur Anzeige brachte. Von April 2023 bis Sommer 2024 erstattete er laut Wirtschaftsministerium mehr als 700 Anzeigen wegen Hassnachrichten. Für einen Vizekanzler, der nach noch größeren Aufgaben strebt, wirkt dieses Verhalten vermeintlich dünnhäutig.
Diese Hausdurchsuchung ist ein skandalöser Eingriff in die Meinungsfreiheit.
AfD-Chefin Alice Weidel empört sich über den Fall.
Für Habeck ist der Fall zudem gefährlich, weil er das Klischee über die Grünen bedient, sie wollten die Sprachpolizei der Menschen sein. Dieser Eindruck wird von rechten Parteien gezielt verstärkt. „Diese Hausdurchsuchung ist ein skandalöser Eingriff in die Meinungsfreiheit, völlig unverhältnismäßig und eines Rechtsstaates unwürdig“, kommentierte AfD-Chefin Alice Weidel prompt den Fall.
Wie problematisch scheinbare Nebensächlichkeiten werden können, hat die jüngere Geschichte gezeigt. Gerade für Kanzlerkandidaten, die unter strengster öffentlicher Beobachtung und Bewertung stehen, können solche Momente entscheidend werden. Das unangemessene Lachen von Armin Laschet (CDU) im zerstörten Ahrtal kostete ihn im Wahlkampf 2021 entscheidende Stimmen für die Kanzlerschaft. Mit den Ungenauigkeiten in ihrem Lebenslauf wuchsen die Zweifel an Annalena Baerbock (Grüne).
Entscheidend dürfte nun sein, ob Habeck den Eindruck der Unverhältnismäßigkeit entkräften kann. Auf Anfrage lässt er am Montag Fragen zu Details offen.
Stattdessen berichtet die „Welt“ am Montag über einen ähnlichen Fall aus dem Sommer 2023. Damals soll die Polizei das Haus einer Frau in Unterfranken durchsucht haben, nachdem sie gefälschte Zitate von Habeck, Baerbock, Scholz und Finanzminister Lindner in Umlauf brachte. Pikant: Scholz und Lindner verzichteten nach dem Hinweis der Polizei auf einen Strafantrag, Habeck und Baerbock nicht.
Hinweis: In einer früheren Version des Textes haben wir den zweiten Posts des 64-jährigen Beschuldigten verkürzt wiedergegeben. Dadurch entstand der Eindruck, dieser könne antisemitisch gemeint sein. Tatsächlich ist die Intention unklar, die Staatsanwaltschaft Bamberg prüft den Verdacht der Volksverhetzung und erklärte, die Hausdurchsuchung habe im Zusammenhang mit einem Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität gestanden. Wir haben die entsprechende Stelle im Text präzisiert.
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