Große Koalition: Streit um Gesundheitsreform beigelegt
Im Streit um die Gesundheitsreform hat sich die Koalition auf gemeinsame Änderungsvorschläge verständigt. Demnach soll der private Basistarif zeitlich befristet geöffnet werden. Im Gegenzug wird es eine Versicherungspflicht geben.
Berlin - Nach monatelangem Streit um die geplante Gesundheitsreform haben die Experten der großen Koalition eine Einigung erzielt. "Das ist ein wichtiger Durchbruch", sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nach einer nächtlichen Marathonsitzung in Berlin. Der geplante Basistarif der Privaten Krankenversicherung (PKV) soll erst 2009 und nur befristet für bereits Privatversicherte geöffnet werden. Im Gegenzug vereinbarten Union und SPD eine Versicherungspflicht für alle. Allerdings müssen etwa die "Bayern- Klausel" zur Mehrbelastung der Kassen und die Höhe der Kürzungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten noch mit den Ländern abgestimmt werden.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass der vorgesehene Beginn der Reform zum 1. April eingehalten werden kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe die Einigung "sehr positiv", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Er könne nicht das Verhalten von Bundestag und Bundesrat bewerten, gehe aber davon aus, dass jetzt die weiteren Beratungen "gut vorankommen". Die CSU hatte zuletzt beim Basistarif stärkere Einschränkungen als geplant verlangt, während die SPD dies abgelehnt hatte.
Beck: "Endgültiger Durchbruch"
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sprach von einem "endgültigen Durchbruch" in den Verhandlungen. "Diese Gesundheitsreform ist jetzt wirklich politisch über die Bühne", sagte er in Kloster Irsee in Bayern. SPD-Fraktionschef Peter Struck bezeichnete die Einigung als "großen Erfolg". Nun sei ein Einstieg in die Bürgerversicherung erreicht. Er gehe fest davon aus, dass auch der Bundesrat mehrheitlich zustimmen werde, sagte Struck in Brüssel. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zeigte sich erleichtert. Damit sei eine gute Grundlage für die Entscheidung im Bundestag geschaffen worden. Die FDP-Fraktion sprach von einem "völlig unzureichenden Kompromiss".
Die Gesundheitsexperten der Koalition sehen die Einigung als tragfähigen Kompromiss. "Ich glaube, dass wir damit die Vollversicherung der PKV erhalten können", sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU). Der Zugang zum Basistarif sei begrenzt worden. Bisherige Privatversicherte sollen 2009 nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten in den geplanten Basistarif der PKV auch anderer Unternehmen wechseln können. Über 55-Jährige und Bedürftige können auch später auf den Basistarif umsteigen, aber nur in ihrer privaten Krankenversicherung. Nichtversicherte müssen von den Privatkassen bereits vom 1. Juli 2007 an aufgenommen werden.
Versicherungspflicht geplant
Im Gegenzug sei erstmals in der deutschen Sozialgeschichte eine allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung geplant, sagte Schmidt. "Die Verpflichtung für jeden, sich zu versichern, ist auch der beste Schutz gegen Missbrauch." SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sprach von einem "Meilenstein". "Wir hätten uns natürlich bei der PKV mehr Wettbewerb gewünscht."
Schmidt sagte, sie sei sehr froh, dass für alle Anträge "eine einvernehmliche Regelung gefunden" worden sei. Sie gehe davon aus, dass der Konsens auch im Bundesrat bestätigt werde. Offen ist aber noch eine Neufassung der "Bayern-Klausel" zur Mehrbelastung der Kassen, die die Staatskanzlei in München im Herbst selbst formuliert hatte. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU), CSU-Vize Horst Seehofer und Zöller wollten am Nachmittag darüber beraten.
Streit über Kürzungen hält an
Auch über die Höhe der geplanten Einsparungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten müssen Bund und Länder noch verhandeln. Bei den Krankenhäusern sollen nach dem Willen der Regierung rund 500 Millionen Euro gekürzt werden, beim Rettungsdienst 100 Millionen. Die Länder lehnen das in dieser Höhe ab. Für die geplante Insolvenzregelung für gesetzliche Kassen ist im Laufe des Jahres ein eines eigenes Gesetz geplant.
Der jüngste Kompromiss soll Anfang kommender Woche in beiden Fraktionen vorgestellt werden. Die Entscheidung des Bundestages ist für Anfang Februar vorgesehen, die des Bundesrates danach. Die Koalition hatte bereits im Juli und Oktober 2006 eine Einigung über strittige Fragen zur Gesundheitsreform verkündet. (tso/dpa/AFP)