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Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland: Eine Pauschale von 15.000 Euro für Missbrauchsopfer
Das Thema Missbrauch bestimmt die jährliche Synodentagung der Protestanten: Für Betroffene soll es eine Pauschale geben – plus einen individuellen Betrag. Außerdem stimmen die Mitglieder für eine Fortführung des Kirchenasyls.
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Die Evangelische Kirche in Deutschland will weiter am Kirchenasyl festhalten. Auf ihrer am Mittwoch in Würzburg zu Ende gegangenen jährlichen Tagung beschlossen die 128 Mitglieder des protestantischen Kirchenparlaments, der EKD-Synode, dass die evangelischen Kirchen in Deutschland weiter „Zufluchtsorte“ bleiben sollten.
Das Kirchenasyl war in den letzten Monaten und Jahren vielfach unter Druck geraten: Zuletzt hatte es etwa in Hamburg einen Fall gegeben, bei dem ein Afghane in einem katholischen Gemeindehaus verhaftet und nach Schweden abgeschoben wurde.
Wichtigstes Thema der Synodentagung war jedoch der weitere Umgang mit dem sexuellen Missbrauch in der Kirche. Künftig sollen Betroffene im evangelischen Kontext eine Kombination aus einem individuellen und einem pauschalen Betrag erhalten. Die Höhe des individuellen Betrags ist vom jeweiligen Fall abhängig, und nach oben offen. Dazu soll es für alle Betroffenen eine Pauschale von 15.000 Euro geben.
Für uns Betroffene ist es ein hart errungener Kompromiss, aber ein Kompromiss, den wir tragen können.
Detlev Zander, Betroffenenvertreter
„Die Summe der pauschalen Leistung stellt für uns Betroffene im Beteiligungsforum die absolute Untergrenze dar, um dieser Reform überhaupt zustimmen zu können“, sagte der Betroffenenvertreter Detlev Zander. Man wisse, dass es Betroffene gebe, denen die Summe zu niedrig sei. Man wisse auch, dass es Personen in der Kirche und Diakonie gebe, denen der Betrag zu hoch ist. „Für uns Betroffene ist es ein hart errungener Kompromiss, aber ein Kompromiss, den wir tragen können“, sagt Zander. „Auch und besonders, weil für uns die individuelle Leistung einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass Betroffene nicht als pauschal abzugeltender Fall gesehen werden, sondern als Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen.“
Doch diese Regelungen müssen noch von den Landeskirchen und Diakoniewerken beschlossen werden. „Wir ringen darum“, sagte die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann.
Das Thema Missbrauch beschäftigt indes auch die neue EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs, die am Dienstag mit einem eher mäßigen Ergebnis zur Nachfolgerin der im letzten Dezember zurückgetretenen Annette Kurschus gewählt wurde. Gegen sie wurden im Verlauf der Synode Vorwürfe eines Hamburger Psychologen laut: Als Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der evangelischen Nordkirche habe sie die Aufarbeitung eines Missbrauchsfalls behindert. Seitens der Nordkirche ist eine externe Überprüfung der Vorwürfe geplant.
Für den Rat der EKD erklärte dessen Mitglied Prof. Andreas Barner jedoch, dass man „keinerlei Anhaltspunkte“ für ein Fehlverhalten der Bischöfin sehe. Fehr selbst bezeichnete die Vorwürfe als „gegenstandslos“. Sie sei „gewillt, rechtlich dagegen vorzugehen.“ Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche ist Fehrs, die damit seit 2011 auf der Ebene der Nordkirche und seit 2018 auf der Ebene der EKD befasst ist, schon seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen. „Wir dürfen nicht nachlassen mit der Aufarbeitung, wir müssen den Weg der Prävention weitergehen“, sagte Fehrs.
Die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, und die Synodenpräses ihrer Heimatlandeskirche, Ulrike Hillmann, würdigten Fehrs als „eine der wichtigsten Stimmen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt in der Kirche“: „Ihre Initiativen zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt und ihr Einsatz für Prävention und wirksame Schutzkonzepte sind beispielhaft und bundesweit von Bedeutung.“

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Ebenfalls in den Rat der EKD gewählt wurde auch der Berliner Bischof Christian Stäblein. Stäblein kündigte an, sich in dem Leitungsgremium vor allem um Zukunftsthemen kümmern zu wollen. So sollte es künftig ein EKD-weites Zentrum geben, das Innovationsorte in der Kirche miteinander verbindet und vernetzt.
Und solche Innovationen hat die EKD auch nötig: Denn die Kirche steht vor großen Herausforderungen. Seit vielen Jahren schon verliert die Evangelische Kirche massiv an Mitgliedern. Die Kirchensteuern sind rückläufig, die sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen werden im politischen Berlin zumindest angefragt. Doch kirchlichen Strukturen – von den öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen der Pfarrer bis zum Gebäudebestand der Kirchen – spiegeln das noch nicht wider.
„Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen, die in der Kirche anstehen“, sagte die neue Ratsvorsitzende Fehrs dazu in Würzburg. Dabei dürfe man sich aber nicht von der Furcht vor Veränderungen leiten lassen. „Vielmehr müssen wir mit Offenheit, Mut und innerer Zuversicht an die Entscheidungen herangehen.“
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