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Alaa Abdel Fattah während eines Interviews im Mai 2019.

© Foto: AFP/Khaled Desouki

Update

Todesfasten während des Klimagipfels: Amnesty-Chefin sieht nur noch Tage zur Rettung von Alaa Abdel Fattah

Er ist der wohl prominenteste Aktivist Ägyptens, hat viele Jahre in Haft verbracht. Seit April ist Fattah bereits im Hungerstreik. Jetzt trinkt er auch nicht mehr.

| Update:

Alaa Abdel Fattah wird in wenigen Wochen 41 Jahre alt, aber es ist fraglich, ob er seinen Geburtstag noch erlebt. Seit Sonntag lehnt der inhaftierte ägyptische Blogger nicht nur feste Nahrung, sondern auch Wasser ab, wie er vor wenigen Tagen in einem Brief an seine Mutter ankündigte.

Zur Rettung des ägyptischen Demokratieaktivisten bleiben nach Worten von Agnès Callamard, der Chefin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, nur noch wenige Tage. „Maximal 72 Stunden, um ein Leben zu retten“, sagte Callamard am Sonntag bei einem Besuch in Kairo vor ihrer Weiterreise zur Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich. „Wenn die Behörden keinen Tod wollen, den sie hätten verhindern können und sollen, müssen sie jetzt handeln“, forderte Callamard.

Schon seit April war Fattah – auf dem Bild während eines Interviews im Mai 2019 – im Hungerstreik und nahm nur noch ein Minimum an Nahrung zu sich, um gegen seine Verurteilung wegen „Verbreitung von Falschnachrichten“ zu protestieren. Sein Todesfasten begann er am Eröffnungstag des Klimagipfels COP27 im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich. Der Dissident könnte während des zwölftägigen Gipfels sterben.

Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al Sisi will den Klimagipfel mit rund 30.000 angemeldeten Teilnehmern nutzen, um für Ägypten und sein Regime zu werben. Kritiker sprechen von einer Schauveranstaltung al Sisis, auch wegen Einschränkungen für Demonstrationen von Umweltgruppen und Menschenrechtsorganisationen in Scharm el-Scheich. Die UN warfen al Sisis Regierung vor dem Gipfel vor, mit Verhaftungen, Verboten und Reisebeschränkungen ägyptische Umweltaktivisten zu drangsalieren.

60.000
Menschen hat Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al Sisi Menschenrechtlern zufolge seit 2013 einsperren lassen.

Der ehemalige General Sisi, der sich 2013 an die Macht putschte, unterdrückt jeden Dissens und hat nach Medienberichten und Angaben von Menschenrechtlern seit seiner Regierungsübernahme etwa 60.000 Menschen aus politischen Gründen einsperren lassen. Gegner von Sisi haben für den 11. November – gegen Ende der ersten Woche des Klimagipfels – zu Protesten gegen das Regime aufgerufen. Ägyptische Menschenrechtler berichten, in den vergangenen Tagen seien Dutzende Aktivisten festgenommen worden.

Alaa Abdel Fattah, der neben der ägyptischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, engagierte sich 2011 bei den Protesten, die zum Sturz des damaligen Diktators Hosni Mubarak führten, und kritisierte seit 2013 das Sisi-Regime. Er hat deshalb einen Großteil des vergangenen Jahrzehnts im Gefängnis verbracht.

Zuletzt wurde er 2019 festgenommen und im vergangenen Jahr zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er einen Kommentar eines anderen Twitter-Nutzers über den Folter-Tod eines Häftlings auf seinem Twitter-Konto veröffentlichte.

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Staatschef al Sisi könnte während des Klimagipfels wegen Fattahs Schicksal unter Druck geraten. Menschenrechtler, Schriftstellerverbände und eine Gruppe von 15 Literatur-Nobelpreisträgern – darunter Elfriede Jelinek – appellierten an internationale Spitzenpolitiker, sich beim Gipfel in Scharm el Scheich für den inhaftierten Blogger einzusetzen.

Sanaa Seif, eine Schwester des Häftlings, reist aus London nach Ägypten, um auf die Freilassung ihres Bruders zu dringen. Sie geht damit ein Risiko ein: Sie saß selbst bereits mehrmals in Ägypten im Gefängnis.

Politiker wie US-Präsident Joe Biden oder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) riskieren innenpolitische Probleme in ihren Ländern, wenn sie bei al Sisis Show kritiklos mitmachen. Der britische Premierminister Rishi Sunak versprach, er werde mit Sisi über Fattah sprechen.

Das Regime hat schlicht kein Bewusstsein für richtig, falsch oder unmenschlich. Es gibt nur Stolz und Bestrafung.

Dirk Kunze, langjähriger Nahost-Experte

Fattah schrieb an seine Mutter, der Zeitpunkt für seinen Total-Hungerstreik sei günstig für seinen Kampf und den anderer Häftlinge. Er wehre sich gegen ein Regime, „das auf alle Krisen immer nur mit Repression reagiert“, schrieb er in dem Brief, der von seiner Tante, der Schriftstellerin Ahdaf Soueif, veröffentlicht wurde.

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Dass sich der Staatschef vom Druck im Fall Fattah beeindrucken lässt, ist unwahrscheinlich. Es gebe Hinweise darauf, dass der Präsident die Herausforderung durch den Aktivisten persönlich nehme, sagt Dirk Kunze, langjähriger Nahost-Experte und früherer Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Region. „Dies erschwert ein Einlenken ägyptischer Offizieller“, sagte Kunze dem Tagesspiegel. „Das Regime hat schlicht kein Bewusstsein für richtig, falsch oder unmenschlich. Es gibt nur Stolz und Bestrafung.“

Fattah sei auch deshalb in Lebensgefahr, weil al Sisi in den vergangenen Jahren schon häufig erlebt habe, „dass ein Tod keine Konsequenzen hat“, fügte Kunze hinzu. So unterstütze Deutschland weiterhin den ägyptischen Sicherheitsapparat und damit die Unterdrückung der Opposition.

Ziel der deutschen Ägypten-Politik sei es, die Überfahrt von Flüchtlingen aus dem Land nach Europa zu stoppen: „Indem Deutschland Ägypten finanziert, um die Einwanderung zu stoppen, finanzieren wir den Prozess, der noch mehr Verzweiflung erzeugt“ und noch mehr Menschen aus dem Land treibe. (mit dpa)

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