
© dpa/Michael Kappeler
Türkischer Präsident bei EM: Erdogan will offenbar zum Viertelfinalspiel nach Berlin reisen
Erdogan wollte am Samstag eigentlich nach Aserbaidschan reisen. Nun fliegt er nach Deutschland. Grund ist wohl auch die Wolfsgruß-Debatte. Die Kurdische Gemeinde appelliert an die Bundesregierung.
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Der Torjubel des türkischen Fußball-Nationalspielers Merih Demiral bei der EM hat scharfe Kritik ausgelöst. Nun will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kurzfristig nach Berlin reisen, um sich das Viertelfinalspiel Türkei gegen die Niederlande im Stadion anzuschauen.
Erdogan sagte dafür seine geplante Reise nach Aserbaidschan ab, wie die Deutsche Presse-Agentur aus informierten Kreisen erfuhr. In türkischen Medien hieß es demnach, Grund sei die Debatte um den sogenannten Wolfsgruß, den Demiral mit seinem Torjubel ausgelöst hatte. Erdogan wolle der türkischen Mannschaft den Rücken stärken.
Faeser kritisiert Wolfsgruß scharf
Demiral hatte beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Tor in Leipzig den sogenannten Wolfsgruß gezeigt, der unter anderem einer rechtsextremistischen Bewegung zugeordnet wird. Unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) kritisierte dies scharf.
Das Auswärtige Amt bestellte am Donnerstag Ankaras Botschafter in Deutschland ein. Die Einbestellung habe am Vormittag stattgefunden, teilte eine Ministeriumssprecherin mit, ohne Details zu den Gesprächen zu nennen. Am Mittwoch hatte die türkische Regierung den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt.
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Der 26 Jahre alte Demiral hatte mit beiden Händen das Zeichen und Symbol der „Grauen Wölfe“ geformt. Als „Graue Wölfe“ werden die Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Erdogan.
Der Gruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit und das Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus. Demiral hatte gesagt, dass er mit der Geste nur ausdrücken wollte, dass er stolz sei, Türke zu sein und keine versteckte Botschaft dahinterstecke.
Zuletzt war der Wolfsgruß in der Türkei auch von Teilen der Opposition verwendet worden, um Nationalisten anzusprechen – etwa im Wahlkampf vom früheren Präsidentschaftskandidaten Kemal Kilicdaroglu, der der religiösen Minderheit der Aleviten angehört.
Autokraten sollten zu Hause bleiben.

Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde in Deutschland
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, hat die Bundesregierung aufgefordert, Erdogan bei seinem geplanten Besuch in Berlin keine große Bühne zu bieten. „Autokraten sollten zu Hause bleiben“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Aber man kann den Besuch des Spiels wahrscheinlich nicht verhindern. Deshalb erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie Erdogan zumindest nicht den roten Teppich ausrollt und ihm keine große Bühne bietet“, sagte Toprak.
Anders sieht das Gökay Sofuoglu. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland findet Kritik an der EM-Reise des türkischen Präsidenten unberechtigt. „Wenn Erdogan nach Berlin kommen will, dann soll er kommen“, sagte Sofuoglu dem RND.
„Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Andere Präsidenten und Könige kommen ebenfalls zu den Spielen ihrer Mannschaften“, betont er. „Als Viktor Orbán zum Spiel der ungarischen Mannschaft nach Stuttgart gekommen ist, hat sich auch niemand aufgeregt.“ Das müsse für den türkischen Präsidenten dann genauso gelten.
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde beklagt: „Erdogan ist ein National-Islamist, der die Türken in Deutschland für seine Zwecke instrumentalisiert. Das sollten wir nicht zulassen.“
Toprak befürchtet, dass der Besuch „den türkischen Nationalismus in den Stadien und auf den Straßen noch einmal beflügeln wird. Erdogan nutzt das aus. Er lebt von diesen Konflikten und lenkt damit von eigenen Problemen ab.“
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