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Ukraine-Invasion, Tag 1090: Die Sorge vor einem zweiten „Appeasement“ – oder Minsk II
Die Europäer streiten über Friedenstruppen. Anders Fogh Rasmussen nennt Europas Betteln um Teilnahme an den Verhandlungen „peinlich“. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Im Ukrainekrieg überschlagen sich seit Ende letzter Woche die Ereignisse. Schon morgen trifft sich eine US-Delegation in Saudi-Arabien mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, um Verhandlungen über ein „Friedensabkommen“ zu verhandeln – ohne Wolodymyr Selenskyj. Der ukrainische Präsident reist erst am Mittwoch nach Riad, um separat mit den Amerikanern zu sprechen; die Europäer sind vorerst gar nicht dabei und halten daher heute in Paris ihren eigenen kleinen Krisengipfel ab – Ausgang noch ungewiss. Derzeit streiten sie vor allem über die Entsendung von Friedenstruppen.
Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die vor den Folgen eines Diktatfriedens warnen. Bereits am Freitag legte mein Kollege Christoph von Marschall die Gefahren eines „Appeasements“ Putins dar, wie es der britische Premierminister Neville Chamberlain 1938 mit Adolf Hitler versuchte, indem er Deutschland das Sudetenland annektieren ließ.
Die gleiche Parallele zog am Sonntagabend der Sicherheitsexperte Carlo Masala in der ARD-Talkshow „Caren Miosga“: „Wenn sich bewahrheitet, was sich abzeichnet, dann stehen wir in Europa vor einem neuen Krieg – und das wird nicht mehr lange dauern“, sagt Masala über die Gespräche Trumps mit Russland. „Wenn wir Putin alles geben, was er will, wird er dadurch ermutigt, weiterzugehen.“
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Nataliya Bugayova, Russia Fellow bei der US-Denkfabrik Institute for the Study of War, hält einen anderen historischen Vergleich für passender und lehrreicher: Minsk II. Das schwache Friedensabkommen aus dem Jahr 2014, an dem die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel maßgeblich beteiligt war, habe es Russland erlaubt, Zeit zu gewinnen und sich so auf den großen Angriff von 2022 vorzubereiten. Ein weiteres schwaches Friedensabkommen würde wahrscheinlich genau den gleichen Effekt haben und zu einem noch größeren Krieg führen, schreibt sie – mit schweren Folgen nicht nur für Europa, sondern auch für die USA.
Mit Blick auf die Lektionen von Minsk II hat Bugayova drei Ratschläge für die Trump-Regierung: Erstens dürfe sie Russland nicht wieder erlauben, Kosten und Verantwortung für den Krieg auf andere abzuladen. Zweitens müsse sie Putin den Glauben nehmen, dass er sein Ziel, die Ukraine als Staat zu zerstören, noch zu seinen Lebzeiten erreichen kann – militärisch oder durch ein „Friedensabkommen“. Drittens dürfe die Trump-Regierung Putin nicht glauben, dass Russland kein Scheitern akzeptieren könne.
Ob die Gesandten Trumps sich diesen Rat zu Herzen nehmen? Das könnten wir schon früher erfahren, als es derzeit möglich erscheint.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:
- Das russische Präsidialamt bestätigt ein Treffen von Außenminister Sergej Lawrow mit Vertretern der USA am Dienstag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Die Ukraine wird aber nach Angaben Selenskyjs nicht an den Gesprächen zwischen Vertretern der USA und Russlands über eine mögliche Beendigung des Krieges teilnehmen. Mehr dazu im Newsblog.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will mögliche Absprachen zwischen den USA und Russland zum Krieg in seinem Land nicht hinnehmen. „Die Ukraine betrachtet jegliche Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine als solche, die kein Ergebnis haben“, sagte Selenskyj im Gespräch mit Journalisten bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
- In Paris beraten europäische Staats- und Regierungschefs heute über die Pläne von US-Präsident Donald Trump zu einer möglichen Beendigung des Ukraine-Kriegs. Zu dem informellen Treffen werden die Regierungschefs Deutschlands, Großbritanniens, Italiens, Polens, Spaniens, der Niederlande und Dänemarks erwartet. Mehr dazu hier.
- Die ungarische Regierung hat das Treffen europäischer Spitzenpolitiker scharf kritisiert. Es handele sich um eine Zusammenkunft von „frustrierten, pro Krieg und anti Trump“ eingestellten europäischen Spitzenpolitikern mit dem Ziel, „ein Friedensabkommen in der Ukraine“ zu verhindern, erklärte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto am Montag in Kasachstan vor Journalisten. Mehr dazu hier.
- Der britische Premierminister Keir Starmer hat sich zu einer Entsendung britischer Soldaten in die Ukraine bereit erklärt. In einem Gastbeitrag für den „Telegraph“ schrieb Starmer, die führende Rolle, die London bisher bei der Unterstützung Kiews eingenommen habe, „bedeutet auch, bereit und willens zu sein, zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine beizutragen, indem wir bei Bedarf unsere eigenen Truppen vor Ort einsetzen“. Mehr dazu im Newsblog.
- Polen wird nach den Worten von Ministerpräsident Donald Tusk keine Soldaten in die Ukraine schicken. Es werde aber weiterhin und wie bisher sein Nachbarland unterstützen, sagt Tusk vor seinem Abflug nach Paris, wo er an dem vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron einberufenen europäischen Krisengipfel teilnimmt.
- Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hat das diesjährige Treffen in der bayerischen Landeshauptstadt als „eine der bedeutungsvollsten“ Sicherheitskonferenzen“ bisher bezeichnet. Nach der Rede des US-Vizepräsidenten JD Vance müsse befürchtet werden, „dass unsere gemeinsame Wertegrundlage nicht mehr so gemeinsam ist“, sagte Heusgen am Sonntag in München mit Blick auf die transatlantische Partnerschaft. Mehr dazu hier.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die europäischen Staaten in einem eindringlichen Appell zu Einigkeit und Stärke gegenüber Russland, aber auch im Zusammenspiel mit der neuen US-Regierung aufgerufen. Konkret forderte er auf der Münchner Sicherheitskonferenz gemeinsame europäische Streitkräfte. Mehr dazu hier.
- EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will über die Aktivierung einer Sonderklausel zu den europäischen Schuldenregeln höhere Verteidigungsausgaben ermöglichen. „Ich werde vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsinvestitionen zu aktivieren“, sagte sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Mehr dazu hier.
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