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Eine Bühnenwand zeigt das Logo der Partei AfD.

© dpa/Hannes P Albert

Umfrage zum Aufstieg der Rechten: Die AfD hat ihr Wählerpotenzial aktuell offenbar fast ausgeschöpft

Im Bundestag zweitstärkste Kraft, in Erhebungen sehr gute Werte: Wie ist der Erfolg der AfD zu erklären? Eine neue Befragung lässt Rückschlüsse zu und zeigt, wovon die Populisten profitieren.

Stand:

Seit Monaten freut sich die AfD über gute Umfragewerte. Bei der Bundestagswahl im Februar erzielte sie 20,8 Prozent und kletterte seitdem weiter. Die Rechten liegen in den Erhebungen der verschiedenen Institute knapp hinter oder gleichauf mit der Union, zum Teil sind sie sogar stärkste Kraft.

Wie kommt es zu der Popularität, einer Partei, die bereits in vier Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird? Antworten auf diese Frage suchen auch die anderen Parteien, zumal es immer schwieriger wird, ohne die AfD Regierungen zu bilden.

Ein ARD-Deutschlandtrend extra von Infratest dimap liefert nun Aufschlüsse: Demnach spielen die Inhalte und die Personen der auf Bundesebene von Alice Weidel und Tino Chrupalla geführten Partei für die Wählerinnen und Wähler nur eine geringe Rolle. Als Hauptgrund wird demnach die Qualität der Politik der anderen Parteien und die Regierungsarbeit genannt – und zwar unabhängig davon, ob die Befragten AfD-Sympathisanten sind oder nicht.

Wer AfD wählt, hat mehr Angst vor den aktuellen Entwicklungen und sorgt sich mehr um die eigene Zukunft und Familie.

Analyse des Deutschlanstrends

Der Aussage „Die AfD wird wieder an Stärke verlieren, wenn der Bundesregierung Fortschritte auf wichtigen politischen Feldern gelingen“ stimmen 69 Prozent der Befragten zu. Auch 47 Prozent der AfD-Anhänger sehen das so. Unter mehreren vorgegebenen Aspekten, die zum Erfolg der Partei beigetragen haben, nennen die Befragten „die Enttäuschung über die Politik der anderen Parteien“ am häufigsten: 60 Prozent aller und 39 Prozent der AfD-Anhänger sehen das als wichtigsten Grund.

Anhänger der Union grundsätzlich für Zusammenarbeit mit AfD

In der Anhängerschaft der AfD folgen als Gründe „die politischen Konzepte der AfD“ mit 25 Prozent und „die Art und Weise, wie Politiker der anderen Parteien mit der AfD umgehen“ mit 15 Prozent. Die „Berichterstattung über die AfD in den Medien“ spielt für die Befragten die geringste Rolle. Je sechs Prozent bei allen und den AfD-Anhängern geben das an.

Eine weitere Schlussfolgerung aus der Befragung ist: Im Gegensatz zu anderen Parteien schöpft die AfD ihr derzeitiges Wählerpotenzial sehr weit aus. Dieses „Potenzial“ wird ermittelt, indem bei der Sonntagsfrage nachgehakt wird, welche anderen Parteien man sich auch vorstellen könnte zu wählen. Das so ermittelte Potenzial der AfD liegt mit 28 Prozent nur zwei Punkte höher als der Anteil in der Sonntagsfrage im Deutschlandtrend vom 6. November.

Die Union erreichte in dieser Umfrage 27 Prozent, ihr Potenzial liegt aber mit 52 Prozent fast doppelt so hoch. Am schlechtesten die SPD da. Bei einem Potenzial von 50 Prozent wollen sie gegenwärtig nur 14 Prozent wählen. Dabei bezieht sich das Potenzial auf alle Wahlberechtigten, der Parteianteil in der Sonntagsfrage nur auf diejenigen, die entschieden sind und wählen würden.

Die AfD konnte zudem dem Deutschlandtrend zufolge ihr Potenzial einerseits mit den steigenden Umfragewerten kontinuierlich erweitern, es wurde kein zwischenzeitlicher Rückgang gemessen. Andererseits liegt das Potenzial nur knapp über dem Umfragewert. In den Jahren der Ampelkoalition zwischen 2021 und 2024 konnte die AfD ihr Potenzial demnach besonders stark erweitern. Alle inhaltlichen, politischen und taktischen Vorstöße der anderen Parteien blieben weitgehend wirkungslos – oder waren sogar kontraproduktiv.

Gemutmaßt wird auch viel darüber, inwieweit der Umgang mit der AfD sich auf die Stärke der Rechten auswirkt. Die Befragten äußerten dazu folgende Einschätzungen:

  • Wenn Politikerinnen und Politiker anderer Parteien die AfD als „nicht demokratisch“ bezeichnen, vermuten 52 Prozent der Befragten, dass dieser Sprachgebrauch die AfD stärkt, 77 Prozent der AfD-Anhänger sehen das so. 29 Prozent aller Befragten vermuten, dass dies die AfD eher schwächt.
  • Auf Gesetze zu verzichten, wenn sie nur mit Stimmen der AfD verabschiedet werden können, wird von 60 Prozent eher als Stärkung der AfD wahrgenommen, 21 Prozent gehen von einer Schwächung aus.
  • Den Ausschluss der AfD aus dem Bundestagspräsidium sehen 43 Prozent eher als schwächend für die AfD, 31 Prozent als eher stärkend.
  • 42 Prozent meinen, dass über die AfD zu viel in den Medien berichtet werde, 26 Prozent bewerten den Umfang als gerade richtig, 19 Prozent finden, es werde zu wenig über die AfD berichtet. Allein die AfD-Anhänger sind mehrheitlich (53 Prozent) der Ansicht, dass die AfD in den Medien zu wenig vorkomme.

Gespalten sind die Wählerinnen und Wähler in der Frage der Zusammenarbeit mit der AfD. 40 Prozent schließen sie aus, 30 Prozent sehen sie von Fall zu Fall. 25 Prozent wollen, dass die Zusammenarbeit gesucht wird. Die Anhänger von SPD, Grünen und Linken lehnen eine Zusammenarbeit jeweils zu mehr als zwei Dritteln ab, die der AfD befürworten sie genauso deutlich.

Unter den Anhängern der Union, in der diese Debatte tatsächlich geführt wird, sind 46 Prozent für eine Zusammenarbeit von Fall zu Fall, zehn Prozent befürworten sie grundsätzlich – zusammengerechnet also eine Mehrheit. 41 Prozent sind gegen jede Form der Zusammenarbeit.

75
Prozent der AfD-Wähler sehen Absicherung im Alter als unsicher.

Aus der Analyse des Deutschlandtrends geht zudem hervor, dass Sorgen und Ängste bei den Wählerinnen und Wählern der AfD besonders ausgeprägt sind – und zwar bezogen auf Wohlstand und Sicherheit gleichermaßen. 94 Prozent sind besorgt um die wirtschaftliche Stellung Deutschlands in der Welt, 75 Prozent empfinden ihre eigene Absicherung im Alter als unsicher. Bei den anderen Wählern sind es 62 beziehungsweise 42 Prozent.

Zugleich fühlen sich die Menschen, die der AfD ihre Stimme geben würden, unsicherer und stärker bedroht. 79 Prozent der AfD-Anhänger empfinden diese Unsicherheit im öffentlichen Raum, nur 39 Prozent sind es bei den anderen. Ähnlich ist es bei der Sorge um gesellschaftliche Stabilität und die außenpolitische Lage. „Wer AfD wählt, hat mehr Angst vor den aktuellen Entwicklungen und sorgt sich mehr um die eigene Zukunft und Familie“, heißt es in der Analyse des Deutschlandtrends.

Merz-Regierung ohne Mittel gegen Sorgen der AfD-Wähler

Die aktuelle Regierung aus CDU/CSU und SPD unter Kanzler Friedrich Merz kann demnach bisher mit ihrem Kurs nicht überzeugen und bietet keine Politik, um den Sorgen, die für die Gruppe der AfD-Wähler zentral sind, zu begegnen. Gegenwärtig trauen 27 Prozent aller Befragten der Union zu, die wichtigsten Aufgaben des Landes zu lösen, der SPD sogar nur zehn Prozent. Das ist ein Kompetenzverlust für beide um je fünf Punkte gegenüber Februar. Der Wert für die AfD legt hier um fünf Punkte auf 19 Prozent zu.

Für ihre Anhänger ist die AfD die einzige Partei, die diese Sorgen und Ängste formuliert. Dass sie dabei mitunter zuspitzt, verzerrt und Fakten verdreht, schreckt die meisten der Analyse des Deutschlandtrends zufolge nicht ab. Wichtiger sei offenbar, dass ihre eigenen Ängste klar benannt werden.

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