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Soll das Rauchen in der Öffentlichkeit stärker reglementiert werden? Die Anti-Verbote-Partei FDP wagt sich vor.

© Getty Images/Westend61

Update

Ungewöhnlicher FDP-Vorstoß: Liberale fordern strengeres Rauchverbot

Die FDP will das Rauchverbot in der Öffentlichkeit ausweiten. Doch die Reaktionen von Experten sind verhalten. Sie wittern ein Ablenkungsmanöver.

Verkehrte Welt, wie es scheinen will: Ausgerechnet von der FDP, die so gerne gegen angebliche „Verbotsparteien“ zu Felde zieht, kommt nun die Forderung, das Rauchverbot in Deutschland auszuweiten. „Rauchen muss überall dort verboten sein, wo Menschen nicht oder nur schwer ausweichen können“, fordert der sucht- und drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Wieland Schinnenburg. Und er listet auf: öffentliche Spielplätze, Bushaltestellen, Bahnsteige, Behörden...

Macht sich bei den Liberalen nach all den Lobgesängen auf die Eigenverantwortung der Bürger nun das große Umdenken breit? Die Experten der großen Koalition zeigen sich überrascht – reagieren jedoch verhalten.

Für den Gesundheitsminister hat das Tabakwerbeverbot Vorrang

„Der Gesundheitsminister verschließt sich nicht vernünftigen Vorschlägen, den Tabakkonsum zu reduzieren“, lässt Jens Spahn über einen Sprecher ausrichten. „Wir sollten aber zunächst das Tabak-Werbeverbot durchsetzen, bevor wir mit neuen Ideen von dieser Diskussion ablenken.“ Bekanntlich hält die FDP von diesem seit Jahren geforderten Projekt wenig – auch wenn sie vor einer Woche im Bundestag versehentlich mit den Grünen dafür gestimmt hat.

Ähnlich reserviert gibt sich SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Über eine Ausweitung des Rauchverbots auf öffentliche Plätze könne man durchaus nachdenken, sagte er dem Tagesspiegel. Weit wichtiger aber sei es jetzt, „die CDU gemeinsam zu zwingen, endlich ein Tabakwerbeverbot umzusetzen“. Er hoffe, sagt der SPD-Politiker, dass Schinnenburgs Vorstoß diesbezüglich „kein Ablenkungsmanöver“ sei.

Offizielle Fraktionsmeinung oder doch nicht so ganz?

Tatsächlich ist die Sache ein wenig unklar. Der FDP-Politiker Gero Hocker, immerhin Fraktionssprecher für Ernährung und Landwirtschaft, behauptet auf Anfrage, dass es sich bei Schinnenburgs Vorstoß keineswegs um die offizielle Fraktionsmeinung handle. Als gelernter Mediziner sei der Kollege da „vielleicht ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen“. So viel zur Sorge von FDP-Abgeordneten, nun womöglich selber als Verbotsapostel verspottet zu werden.

Schinnenburg selber versichert dagegen, dass seine Forderung durchaus „mit der Fraktionsführung abgestimmt“ sei. Zum Beleg dafür lässt er sein Positionspapier von deren Geschäftsstelle verschicken. Ziel sei es nicht etwa, das Rauchen im öffentlichen Raum generell zu verbieten, heißt es darin. „Es geht darum, dass der Staat eingreifen muss, wenn Menschen der Gefahr des Passivrauchens nicht ausweichen können.“ Das sei „besonders dort wichtig, wo Kinder betroffen sind: Vor Schulen, Kitas und auf Spielplätzen“. Und das gelte, fügt Schinnenburg im Gespräch hinzu, natürlich auch für E-Zigaretten und Verdampfer, die ebenfalls Gefährdungspotenzial enthielten.

Krebsforscher begrüßen den Vorstoß

Hintergrund für den Vorstoß ist die Verschärfung des öffentlichen Rauchverbotes in Schweden. Nach dem bereits bestehenden Verbot für Gastronomiebetriebe ist es dort seit dem 1. Juli nun auch verboten, vor Bars oder Restaurants, auf Spiel- und Sportplätzen, an Bahnsteigen und Bushaltestellen zu rauchen. Und in Paris müssen seit einem Monat sogar Parkbesucher, die mit Zigarette erwischt werden, Strafe bezahlen.

Ganz so weit, sagt Schinnenburg, würde er aber nicht gehen. Wenn auf der Terrasse oder Eingangsbereich einer Kneipe geraucht werde, könnten sich die Nichtraucher auch für ein anderes Lokal entscheiden. Und wenn es in Bahnhöfen und auf Bahnsteigen bereits abgetrennte Raucherbereiche gebe, müsse sich dort ebenfalls nichts ändern.

Krebsforscher begrüßten die Forderung des FDP-Mannes. Gerade im Sommer seien viele Menschen in der Öffentlichkeit von Tabakqualm betroffen, sagte Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle für Krebsprävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, auf Anfrage. Problematisch seien vor allem öffentliche Orte mit Überdachung, wo sich Rauch langsamer verflüchtigen könne. Allerdings gebe es Vordringlicheres, meint die Expertin: ein bundeseinheitliches Nichtraucherschutzgesetz für Innenbereiche. Viele Bundesländer erlaubten Gastwirten nach wie vor schlecht abgegrenzte Raucherräume oder reine Raucherlokale. Hier müsse als erstes nachgebessert werden – und bei dieser Gelegenheit dann auch gerne mit besserem Schutz an öffentlichen Plätzen.

Von Schweden lernen

Die Grünen finden ebenfalls, dass Deutschland von Schweden lernen könne. Mehr als zehn Prozent der Nichtraucher hierzulande seien regelmäßig einer Passivrauch-Belastung ausgesetzt, rechnet ihre Fraktionsexpertin Kirsten Kappert-Gonther vor. „Klare Raucherzonen in den Außenbereichen von öffentlichen Gebäuden, Kneipen und Restaurants und vor allem am Arbeitsplatz geben Sicherheit und tragen zum Gesundheitsschutz bei.“ Dass „nun auch nun auch ein Vertreter der FDP für mehr Rauchprävention eintritt“, sei ein Fortschritt. Als erstes sollten sich die Liberalen aber für ein Tabakwerbeverbot einsetzen. Deutschland sei das letzte Land der EU, wo noch großflächig für Tabak geworben werden dürfe. Die Linke sieht das genauso. „Zuerst ein Werbeverbot für Tabakprodukte, dann können wir weitere Maßnahmen ergreifen“, sagt ihr Experte Harald Weinberg.

Auch bei der Union scheint sich hier nach langer Blockade etwas zu tun. Kanzlerin Angela Merkel hat ihrer Truppe ins Gewissen geredet und deutlich gemacht, dass sie sich ein solches Werbeverbot wünscht. „Ich persönlich glaube, dass wir hier handeln sollten“, sagte sie und kündigte bis zum Jahresende eine Entscheidung an. Lauterbach sieht das aber skeptisch. Merkels Wort habe in der Unionsspitze „abnehmendes Gewicht“, konstatiert er.

Und die FDP? Man habe dazu noch keine abgeschlossene Meinung, sagt Schinnenburg. Er persönlich sei aber für ein Tabakwerbeverbot.

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