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„Unter der Großen Koalition heruntergewirtschaftet“: Habeck pocht trotz Scholz-Kritik auf deutlich höheren Bundeswehr-Etat
Kanzler Scholz hält nichts vom Plan des Wirtschaftsministers, das Budget für die Truppe auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Jetzt legt der Grünen-Spitzenkandidat nach.
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Offener Streit zwischen den Noch-Koalitionspartnern: Auch nach scharfer Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz im Streit um den Wehretat hat Wirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck dem SPD-Politiker vorgeworfen, in Zeiten der Großen Koalition die Bundeswehr kaputtgespart zu haben.
„Die Bundeswehr wurde unter der Großen Koalition heruntergewirtschaftet, immer nach dem Motto, macht ja nichts“, sagte Habeck dem „Stern“. Damit attackiert Habeck indirekt auch Scholz, der zwischen 2018 und 2021 als Finanzminister in der Großen Koalition maßgeblich an den Bundeshaushalten beteiligt war.
„Das Sondervermögen, mit dem wir angefangen haben, gegen das Desaster anzuarbeiten, steht schon übernächstes Jahr nicht mehr zur Verfügung. Wir müssen also in den nächsten Jahren mehr für den Schutz des Friedens und die Sicherheit dieses Landes tun“, fuhr er fort.
Habeck hatte in einem Interview mit dem „Spiegel“ für die kommenden Jahre eine Erhöhung des Wehretats auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) gefordert. Aktuell sollen alle Nato-Bündnis-Partner mindestens zwei Prozent ihres BIP in die Verteidigung investieren. Deutschland hat dieses Ziel 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder erreicht.
Die restriktive Schuldenbremse darf nicht darüber entscheiden, wie sicher Deutschland ist.
Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Scholz hatte Habecks Forderung zuvor „unausgegoren“ genannt und ihm vorgeworfen, keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung geliefert zu haben. Der Etat würde sich Scholz zufolge damit von knapp 80 Milliarden Euro auf 140 Milliarden Euro fast verdoppeln, Habeck jedoch nicht sagen, „wofür das Geld aufgewendet und woher es kommen soll“. Scholz kritisierte: „Wer zahlt die Zeche? Die Bürgerinnen und Bürger?“
Habeck pocht auf Verteidigungsfähigkeit Deutschlands
Der Grünen-Kandidat sagte nun, er wolle die von ihm geplanten massiven Verteidigungsausgaben über neue Milliardenkredite finanzieren. „Deutschland muss verteidigungsfähig sein – in allen Bereichen, bei Cybersicherheit, dem Schutz der digitalen Infrastruktur, Zivilschutz. Und dazu muss das nötige Geld zur Verfügung stehen. Klar ist, dass wir das nicht einfach irgendwo ersparen können, sondern hier Kredite für die Sicherheit aufnehmen müssen“, sagte er.
„Die restriktive Schuldenbremse darf nicht darüber entscheiden, wie sicher Deutschland ist“, sagte Habeck weiter. „Diese Frage richtet sich in erster Linie an die Union. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern.“
Der Wirtschaftsminister weiter: „Die Bedrohungslage für Deutschland und Europa ist mit den Händen zu greifen: Es tobt ein Krieg vor der Haustür der Europäischen Union. Hybride Kriegsführung trifft Deutschland und seine europäischen Verbündeten.“
Derzeit sollen Nato-Staaten zwei Prozent des BIP investieren
Derzeit sollen alle Nato-Bündnis-Partner mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung investieren. Deutschland hat dieses Ziel 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder erreicht – mit dem 100 Milliarden Euro schweren und über Schulden finanzierten Sondertopf für die Bundeswehr.
„Geopolitisch ist absehbar, dass wir – Deutschland und Europa – mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen müssen, alles andere wäre angesichts der Aufstellung der USA naiv“, sagte Habeck.
Am Dienstag forderte der designierte US-Präsident Donald Trump von den Nato-Mitgliedstaaten, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Nach Trumps Vorstellung sollen die Partnerländer künftig fünf Prozent investieren.
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann teilt zwar Habecks Forderung nach einer Erhöhung der Wehrausgaben – hält sie aber vor allem für Wahlkampf.
„Er versucht offensichtlich, Verteidigungsminister Boris Pistorius zu kopieren in der Hoffnung, die eigenen Umfragewerte zu verbessern. Dazu eignet sich die Frage der Sicherheit allerdings ganz und gar nicht“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine reichten zwei Prozent des BIP nicht mehr aus.
„Wir sind enormen Bedrohungen ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit der Nato und der EU Fähigkeiten aufzubauen und diese finanziell zu hinterlegen und nicht aus der hohlen Hand heraus Pi mal Daumen eine Zahl in den Raum zu stellen“, sagte die Europaabgeordnete. (lem)
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