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Politik: Vereint verärgert

Deutsche und französische Politiker nennen die Kritik des US-Verteidigungsministers polemisch und ungehörig

Von Robert von Rimscha

Die Retourkutschen, die sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Donnerstag aus Berlin anhören musste, sind deutlich. Es gab keinen deutschen Spitzenpolitiker, der Rumsfelds Äußerungen verteidigen wollte, wonach Deutschland und Frankreich „ein Problem“ darstellten, für das „alte Europa“ stünden, durch die Verlagerung des „Kraftzentrums“ Europas gen Osten allerdings auch auszuhebeln seien.

Angela Merkel (CDU) nannte Rumsfelds Wertungen „problematisch“, Volker Rühe (CDU) bezeichnete sie als undiplomatisch und unklug, Gernot Erler (SPD) sprach von einem „hilflosen Ausdruck der Kritik“, Hans-Ulrich Klose (SPD) erkannte in Rumsfelds Ausspruch „ungehörige“ Worte.

Doch hinter der Empörung, im Kleingedruckten der deutschen Reaktionen, fand sich viel Widersprüchliches. Klose, bis 2002 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, beklagte zugleich die frühe Festlegung der Bundesregierung auf eine ablehnende Haltung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: Eine prominente SPD-Stimme, die Schröder exakt das vorhält, was auch US-Außenminister Colin Powell rügt.

Aus dem, was Klose – nicht zum ersten Mal – kritisiert, macht die Union einen offenen Zweifrontenkonflikt: Einerseits Schelte für Rumsfeld, andererseits Kritik an Rot- Grün. So meinte Wolfgang Schäuble, Schröder habe im „Alleingang“ und „völlig verantwortungslos“ gehandelt, als er ein deutsches Ja zu einem Krieg ausgeschlossen habe. Die UN und ihre Waffeninspekteure würden geschwächt, wenn man ihre Berichte nicht abwarte, sondern sich vorher festlege. Rühe sieht es ähnlich: Man dürfe jetzt „nicht den Druck vom Irak wegnehmen“. Wer dies tue, verringere die Chancen, eine einheitliche europäische Position zu Stande zu bringen.

Rühe und Friedbert Pflüger (CDU) versuchten parallel, hinter die Fassade der zur Schau gestellten deutsch-französischen Einigkeit in Sachen Irak zu blicken. Es könne keine Rede von einer Politik im Gleichschritt sein, so Pflüger, wenn nur ein abstraktes Bekenntnis zum Frieden und zum Humanismus der gemeinsame Nenner sei. Rühe sprach von „beträchtlichen Unterschieden“ zwischen Deutschen und Franzosen. Natürlich sage Paris, man wolle alles für den Frieden tun, aber gleichzeitig streiche Frankreich seine „Panzer in Wüstenfarbe“, um im Fall der Fälle eben doch gerüstet zu sein. Kurz: Paris halte sich eben jene Optionen offen, die Berlin kategorisch ausschließe.

So war die Kritik an Rumsfeld am Donnerstag die leichteste Übung für die deutsche Außenpolitik. Eine Übung, der sich die Franzosen anschlossen. Alain Juppé, Chef der neuen Chirac-Partei, verwahrte sich gegen „polemische“ Wertungen; Außenminister Dominique de Villepin mahnte einen „respektvollen“ Umgang miteinander an; Finanzminister Francis Mer zeigte sich „tief gekränkt“.

Es war Merkel, die einen Konsens formulierte. Alles, was die Verbündeten auseinander dividiere, müsse vermieden werden. Denn Europa allein oder Amerika allein würden im Kampf gegen den Terror nichts ausrichten. Und sie selbst, so Merkel mit Blick auf ihre DDR-Herkunft: Sei sie nun Teil des alten oder des neuen Europa?

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