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Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

© dpa/Bernd Weißbrod

Update

„Verstehe nicht, was die bei uns will“: Grünen-Ministerpräsident Kretschmann legt Nietzard Parteiaustritt nahe

Grüne-Jugend-Chefin Nietzard provozierte auf Instagram mit einem Pulli mit polizeiverunglimpfender Aufschrift. Daraufhin wurde eine Entschuldigung gefordert, Winfried Kretschmann geht noch weiter.

Stand:

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Bundeschefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, zum Parteiaustritt aufgefordert. „Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will“, sagte der Grünen-Politiker übereinstimmenden Medienberichten zufolge in Stuttgart. 

Weiter sagte er demnach: „Sucht euch die richtige Partei aus und verlasst uns einfach. Wir sind nicht die richtige Adresse für die Art von Gesinnung, die ihr habt“, sagte Kretschmann.

Nietzard hatte sich auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit einem Pullover gezeigt, auf dem das Kürzel “ACAB„ zu lesen war. Es steht für „All Cops Are Bastards“ (deutsch: Alle Polizisten sind Bastarde) und wird in polizeikritischen Kreisen verwendet – unter anderem im linken bis linksextremen Milieu. 

Zudem trug sie eine Kappe mit der kapitalismuskritischen Aufschrift „Eat the rich“. Nach Kritik an einem Instagram-Beitrag ruderte die Vorsitzende der Grünen Jugend zwar etwas zurück – bleibt aber bei ihrer Polizei-Kritik. „Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, sagte sie im „stern“-Podcast „5-Minuten-Talk“.

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Zu der Instagram-Story postete Nietzard den Text: „Auf dem Weg in den Bundestag. Was findet Julia Klöckner schlimmer: ACAB Pulli – Eat the rich Cap?“ Vermutlich bezog sich die Grünen-Politikerin damit auf einen vergangenen Vorfall im Sitzungssaal des Bundestags, bei dem der Linken-Abgeordnete Marcel Bauer von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner aufgrund einer Baskenmütze des Saals verwiesen wurde.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, hatte Nietzard am Montag nahe gelegt, sich bei Polizistinnen und Polizisten wegen ihres Posts zu entschuldigen. „Alle Polizistinnen und Polizisten mit einem menschenverachtenden Label zu versehen, ist kein Beitrag zu einer kritisch-konstruktiven Debatte, sondern beschädigt unsere jahrelange Arbeit als Grüne im Dialog mit der Polizei“, sagte Mihalic dem „Spiegel“. Sie erwarte daher „eine aufrichtige Entschuldigung ohne Umschweife und Relativierung“.

Mihalic, die selbst Polizistin ist, sagte, sie habe der Auftritt persönlich tief getroffen. An ihre Parteifreundin gerichtet sagte sie: „Ich weiß nicht, ob sie sich einmal bewusst gemacht hat, dass da Menschen hinter stehen, die Tag für Tag auf die Straße gehen, um für Sicherheit zu sorgen, Kriminalität zu bekämpfen, Gefahren abzuwehren, den Verkehr am Laufen zu halten und vieles mehr.“

Nietzard besitze Pulli „als Privatperson“

Nietzard sagte über den Pullover: „Ich besitze diesen Pulli als Privatperson, habe als Privatperson eine Instagram-Story gepostet. Dass ich als Sprecherin der Grünen Jugend damit auffalle, hätte mir vielleicht klar sein müssen.“ Sie habe jedoch damit keinen Diskurs anstoßen wollen. „Jetzt haben wir ihn. Aber ich glaube nicht, dass es der richtige Weg war.“

Sie verhält sich genauso, wie Rechtspopulisten es häufig tun.

Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft

Für die Story war Nietzard hart kritisiert worden, führende Grüne gingen auf Distanz. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, schrieb auf X „All cops are bastards“ sei „ein völlig unterirdischer, inakzeptabler und beleidigende Take für alle Polizistinnen und Polizisten“.

Parteichefin Franziska Brantner teilte den Beitrag auf ihrem Profil. Ein Sprecher des Bundesvorstands der Grünen sagte der „Bild“: „Offensichtlich hat das nichts mit grüner Politik zu tun, unser Programm ist ja bekannt.“

Parteichef Felix Banaszak sagte im RT/ntv-„Frühstart“, niemand bei den Grünen könne sich einer solch pauschalen Beurteilung anschließen. „Das ist eine inakzeptable Aussage.“ Über ihren Verbleib an der Spitze der Jugendorganisation müsse diese selbst entscheiden.

Der frühere Bundesagrarminister und frisch gekürte Ministerpräsidenten-Kandidat im Südwesten, Cem Özdemir, schrieb auf der Plattform X: „Die Polizei verteidigt in höchstem persönlichen Einsatz jeden Tag die Werte, die uns als Partei ausmachen. Wer das nicht kapiert hat, ist bei uns falsch.“

Bayerns Innenminister pocht auf Entschuldigung

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann forderte eine umfassende Entschuldigung von Nietzard bei der Polizei. „Für die Beleidigung unserer Polizisten mit ‚ACAB‘ erwarte ich eine Entschuldigung. Klar ist, durch dumme Polemik werden weder Fragen des sozialen Ausgleichs noch der inneren Sicherheit auch nur einen Schritt vorangebracht“, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Nietzards Beitrag sei geist- und geschmacklos gewesen, so Herrmann. Zugleich betonte er, er lade die Grünen und alle anderen Vertreter der Oppositionsparteien im Bundestag zu einer inhaltlichen Diskussion über die Gestaltung der Gesellschaft in diesen herausfordernden Zeiten – national wie international – ein. „Ich denke, wir sollten unsere Energie auf die Suche nach Lösungen und deren Umsetzung konzentrieren.“

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt nannte Nietzards neue Aussagen halbherzig. „Das halbherzige Zurückrudern von Frau Nietzard ist völlig unglaubwürdig, sie verhält sich genauso, wie Rechtspopulisten es häufig tun: Erst mal schlagzeilenträchtig extreme Aussagen treffen, um dann mit "war nicht so gemeint" das Gesagte zu relativieren“, sagte er RTL.

Sie spreche für die Jugendorganisation einer Partei, die für sich ständig in Anspruch nimmt, die Menschen in Deutschland über Respekt, Toleranz und Zusammenhalt zu belehren.

Grüne-Jugend-Chefin „hasst Polizei nicht als Ganzes“

Bisher blieb die 26-Jährige bei ihrer Polizei-Kritik. „Ich hasse natürlich nicht die Polizei als Ganzes, aber was ich hasse, ist das System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist“, sagte sie in dem Podcast. Es gebe ihrer Ansicht nach keine vernünftigen Polizeistudien, keine strukturelle Aufarbeitung von Gewalt und rassistische Tendenzen, die von der Polizei nicht transparent genug gemacht würde.

Die Chefin der grünen Jugendorganisation kritisierte ihrerseits die Parteispitze, oft nicht direkt genug zu sein. „Ich würde mir auch wünschen, dass die Grünen die Polizei und gerade die strukturellen Dinge, die damit einhergehen, auch gerade nach dem Tod von Lorenz beispielsweise mehr thematisieren.“

Ein Polizist hatte in der Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt fünfmal in Richtung eines jungen Mannes namens Lorenz geschossen. Mehrere Schüsse trafen den jungen Deutschen, er starb an den Verletzungen.

Gegen den 27-jährigen Polizisten wird wie in einen solchen Fall üblich wegen Totschlags ermittelt. Aktivistinnen und Aktivisten befürchten, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen strukturellen rassistischen Hintergrund haben. (dpa/Tsp)

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