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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im Bundestag

© Michael Kappeler/dpa

Mit forschem Ton an alte Sorgen: Verteidigungsministerin Lambrecht stellt ihre Pläne vor

Die neue Verteidigungsministerin Lambrecht verspricht mehr Geld, mehr Effizienz, bessere Beschaffung. Das kommt bekannt vor – von ihren Vorgängerinnen.

Von Robert Birnbaum

Christine Lambrecht geht gleich mal in die Vollen. In den fünf Wochen seit ihrer Ernennung zur Bundesministerin für Verteidigung ist die Sozialdemokratin noch wenig aufgefallen. Die Ex-Justizministerin hat Truppenteile besucht, auch einige im Ausland, hat sich in internationalen Konferenzen mit den Kollegen bekannt gemacht und mit öffentlichen Äußerungen eher zurückgehalten.

Am Freitag nutzt sie darum sichtlich gerne die Gelegenheit, sich in der einwöchigen Vorstellungsrunde für das neue Kabinett im Bundestag als ehrgeizige Macherin zu präsentieren. Von mehr Geld für die Bundeswehr bis zur Modernisierung der Beschaffung fehlt in ihrer Rede keins der Versprechen, das schon ihre Vorgängerinnen abgaben.

Das klingt energisch, doch es zeigt zugleich: Die Versprechen warten eben alle immer noch darauf, eingelöst zu werden.

Exemplarisch wird das an einem Bericht, den das Ministerium alljährlich – und diesmal just am Tag vor dem Auftritt der Ministerin – veröffentlicht. Vor acht Jahren hatte ihn Ursula von der Leyen (CDU) eingeführt, die entsetzt feststellen musste, dass die Bundeswehr keinerlei Überblick über die eigenen Be- und Zustände hatte.

Seither bilanziert das Ministerium regelmäßig die Einsatzbereitschaft und den Stand der Beschaffung für die Hauptwaffensysteme der Bundeswehr – von Fregatte über Jagdbomber bis Radpanzer.

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In einem geheimen Teil für die Abgeordneten wird das Elend genau aufgeschlüsselt, aber schon der öffentliche belegt: Fortschritte bemessen sich in einstelligen Prozentbereichen. Die Einsatzbereitschaft liegt nach den Zahlen von Generalinspekteur Eberhard Zorn und seinen Leuten insgesamt bei 77 Prozent – nach 76 Prozent im Vorjahr habe sie sich mithin wenigstens „verstetigt“.

Das ist sogar wirklich ein Trost, andererseits reicht es aber bei weitem nicht aus. Denn hinter den globalen Zahlen stecken nicht nur gewaltige Unterschiede im Detail, sondern zum Teil gravierende Mängel.

Hubschrauber kriegen nur ein "unbefriedigend"

Für die Dauersorgenkinder Hubschrauber nennt der Bericht zum Beispiel eine Quote von 40 Prozent Einsatzbereitschaft. Selbst die Militärs sprechen da höflich von einem „unbefriedigendem Niveau“.

Das wird erst recht unbefriedigend, wenn man weiß, dass nicht nur solche mit viel Mühe und Liebe der Wartungstechniker in der Luft gehaltenen Oldies wie der Transporthubschrauber CH-53 die Quote nach unten treiben, sondern auch quasi nagelneue Maschinentypen wie der Kampfhubschrauber Tiger. Zu wenig Ersatzteile, zu lange Reparaturzeiten, bei der Marine tauchen Komponenten auf, die mit Salzwasser nicht klarkommen – aus allen Truppenteilen kommen oft absurd anmutende Mängellisten.

Lambrecht geht auf die Probleme im Detail nicht ein, dafür tritt sie im Allgemeinen umso forscher auf. Mit Skandalmeldungen über „Hubschrauber, die nicht fliegen und Gewehre, die nicht geradeaus schießen“ müsse Schluss sein. „Ich werde das Beschaffungswesen gründlich modernisieren“, verspricht die 56-Jährige Hessin, von den Strukturen bis zum Vergaberecht.

Da sei zwar ein „ganz dickes Brett“ zu bohren, räumt sie ein. Aber „wenn’s einfach wäre, würden es andere machen“.

Tatsächlich herrschte wohl kein Gedränge bei Olaf Scholz, als der damals noch künftige Kanzler eine Besetzung für den Posten im Bendler-Block suchte, der im Koalitionspoker seiner SPD zugefallen war.

Ihr erfahrener Wehrexperte Fritz Felgentreu hatte der Partei erst kurz vor der Wahl die Brocken vor die Füße geworfen, als Fraktionschef Rolf Mützenich sich als Friedenslinker gegen die Bewaffnung von Drohnen stellte. Seine Nachfolgerin Siemke Möller ist zu jung für einen Ministerposten; die Ostfriesin kann sich jetzt erst einmal als Parlamentarische Staatssekretärin bewähren.

Lambrecht hatte darauf verzichtet, sich noch einmal für ein Mandat als Abgeordnete zu bewerben. Als generellen Ausstieg aus der Politik wollte das die Ex-Justizministerin allerdings nie verstanden wissen.

So kam sie ins nächste Ministeramt. Scholz, heißt es, schätze ihre Verwaltungserfahrung. Ein Schuss robuster Durchsetzungswillen kann auf dem Schleuderstuhl auch nicht schaden.

Unten in der Truppe wird die dritte Frau an der Spitze oft noch mit der Mischung aus leisem Argwohn und Schulterzucken betrachtet, mit der sich schon ihre Vorgängerinnen konfrontiert sahen. Ihr erster Aufschlag als Vorkämpferin für Frauen in der Armee ging allerdings auch daneben.

In der Debatte reibt ihr den der CSU-Wehrexperte Florian Hahn noch einmal genüsslich hin. Es wäre zu viel von einer Fachfremden verlangt, wenn sie gleich in den ersten Wochen alle Dienstgrade im Kopf hätte, merkt Hahn an.

Aber wenn ihr in einem Interview geäußerter Wunsch in Erfüllung gehen sollte, in dieser Amtszeit eine erste Generalin zu befördern, dann müsste es dafür jetzt schon eine Kandidatin im Obersten-Rang geben.

Die gibt es aber nicht. Nichts geht schnell bei der Riesenorganisation Bundeswehr. Auch in Sachen Gleichberechtigung bemessen sich Fortschritte in niedrigen Prozentzahlen.

Ukraine, Mali - eine Welt voller Bedrohungen

Dafür hat Lambrecht schon erfahren müssen, dass sie ihr Amt in militärisch-politisch heißen Zeiten angetreten hat.

Am Donnerstag hat sie mit ihren europäischen Kollegen in Brest über den russischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine beraten. Jetzt markiert sie „rote Linien“ für Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

Dessen Aufmarsch verletze „alle Regeln des friedlichen Miteinanders“; ein Einmarsch ins Nachbarland würde „Konsequenzen“ haben: „Wir müssen alle Mittel ausschöpfen, um diesen Konflikt zu beenden.“

Aber mit den Mitteln, wie gesagt, ist das so eine Sache. Und auch bei ihrem aktuell größten und schwierigsten Auslandseinsatz bleibt Lambrecht in der Konsequenz vorsichtshalber vage.

In Mali zögern die regierenden Militärputschisten die versprochenen Wahlen um Jahre hinaus, obendrein mischen offenbar die berüchtigten russischen Wagner-Sölder in dem westafrikanischen Land mit. Lambrecht warnt: „Wenn sich in Mali nichts ändert, kann es ein einfaches Weiter-so dort nicht geben.“ Ob es überhaupt weiter geht und wie - sie wird das vielleicht sehr schnell genauer beantworten müssen.

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