
© dpa/Ebrahim Noroozi
Verzögerung von Ukraine-Hilfen: Baerbock rechnet mit Scholz ab – der Kanzler kontert
Kanzler Scholz hatte eine Grundsatzdebatte über die Finanzierung neuer Militärhilfen für die Ukraine angestoßen. Baerbock warnt, dass Deutschland damit das Vertrauen der Europäer verliere.
Stand:
Außenministerin Annalena Baerbock hat ihre eigene Regierung – und indirekt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – für den Zickzackkurs in Bezug auf weitere Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert. „Deutschland als Ganzes wird derzeit nicht als treibende Kraft für die Friedenspolitik in Europa gesehen, und das schmerzt mich“, sagte die Grünen-Politikerin dem Medium „Politico“.
Ohne Scholz beim Namen zu nennen, sagte Baerbock, im aktuell laufenden Wahlkampf gehe es „einigen eher um eine nationale Perspektive – oder darum, wie man schnell ein paar Stimmen bei der Bundestagswahl gewinnen kann – als darum, echte Verantwortung für die Sicherung von Frieden und Freiheit in Europa zu übernehmen“.
Baerbock sagte weiter: „Für mich heißt verantwortungsvolle Politik, eben nicht das Fähnchen in den Wind zu hängen und das in Wahlkämpfen vielleicht nochmal andersrum aufzuhängen“.
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Scholz hat am Freitag bekräftigt, dass er zusätzliche Waffenlieferungen nur bei einer Aussetzung der Schuldenbremse zustimmen will. „Die einzige Lösung, ohne es durch Kürzung überall in Deutschland zu finanzieren, ist eine zusätzliche Kreditaufnahme“, sagte er nach einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in Berlin. „Das ist übrigens der Weg, den praktisch jedes Land um uns herum gegangen ist.“
Den indirekten Vorwurf von Baerbock, dass er das Thema zu Wahlkampfzwecken missbrauche, wies Scholz zurück. „Wer da so sein Fähnchen in den Wind hängt, will ich mal undiskutiert lassen“, sagte er.
Scholz knüpft Militärhilfen an Aufnahme neuer Schulden
Hintergrund ist die seit Tagen geführte Debatte um ein zusätzliches, drei Milliarden Euro schweres Hilfspaket für das von Russland angegriffene Land. Seit einem Bericht des „Spiegel“ aus der vergangenen Woche ist bekannt, dass das Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes seit mehreren Wochen daran arbeitet, weil sich die militärische Lage der Ukraine zuletzt deutlich verschlechtert hat.
Doch bei seiner jüngsten Visite in Kiew konnte Pistorius das Hilfspaket nicht präsentieren, weil Scholz eine Grundsatzdebatte über dessen Finanzierung angestoßen hatte. Der Kanzler wies zwar den Vorwurf der Blockade der noch mitregierenden Grünen zurück, forderte von diesen aber eine Erklärung, wo das Geld herkommen solle.
Der Kanzler sprach sich gegen Kürzungen im Sozialen aus und machte seine Zustimmung davon abhängig, dass dafür die Schuldenregeln ausgesetzt werden. Neue Kredite aufzunehmen ist für die CDU, Hauptkonkurrent der SPD im Wahlkampf, hingegen ein rotes Tuch.
Militärhilfen in Höhe von drei Milliarden Euro blockiert
Doch nach dem Zerbrechen der Ampelregierung und dem Ausscheiden der ebenfalls fiskalpolitisch konservativen FDP ist die Regierung zur kurzfristigen Durchsetzung des Hilfspakets auf die Unterstützung der Union angewiesen. Damit scheint das 3-Milliarden-Euro-Paket vorerst tatsächlich blockiert, obwohl nicht nur die Grünen, sondern auch FDP und CDU es prinzipiell unterstützen.
Für mich heißt verantwortungsvolle Politik, eben nicht das Fähnchen in den Wind zu hängen und das in Wahlkämpfen vielleicht nochmal andersrum aufzuhängen.
Annalena Baerbock, Außenministerin
Baerbock argumentiert nun, dass ihre Regierung das Vertrauen ihrer europäischen Verbündeten durch wahlkampfpoltische Manöver zu verlieren drohe: „Dieses Vertrauen darf nicht erneut durch ein Zögern beschädigt werden, das bei anderen Ländern die Befürchtung auslösen könnte, dass Deutschland nicht zu ihnen steht“, sagte Baerbock. Schon jetzt habe das Zögern bei „europäischen Nachbarn Spuren hinterlassen“.
Zugleich wiederholte sie ihre Kritik an früheren deutschen Regierungen, insbesondere unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die den russischen Expansionismus nicht erkannt hätten und sich in die Energieabhängigkeit von Moskau bugsiert hätten. Daher sei es heute „entscheidend“, dass Deutschland durchgehend mehr als zwei Prozent des BIP in die Verteidigung investiere. „In Krisenjahren könnten es sogar bis zu drei Prozent sein“, fügte Baerbock hinzu.
Kritik an Scholz auch von Merz
Auch Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz stimmte in die Kritik an Scholz ein: „Ich finde es verantwortungslos, dass hier offensichtlich mit den Menschen in der Ukraine ein innenpolitisches Spiel getrieben wird“, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal „t-online“.
Er fügte hinzu: „In dem Augenblick, in dem die Alternativen lauten: staatspolitische Verantwortung oder innenpolitischer Geländegewinn entscheiden sich diese SPD und dieser Bundeskanzler in der Regel für die Zweite.“
Deutschland ist in absoluten Zahlen nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine und hat 16 Prozent der gesamten Waffenlieferungen bereitgestellt.
Drei Milliarden Euro in einem Paket wären zudem die bisher größte Lieferung von Waffen, die Kiew von einer Unterstützernation auf einen Schlag erhalten hat. (Mit Agenturen)
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