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Ivanka Trump (links) bezeichnete sich beim "Women20-Gipfel" als Feministin.

© dpa/ Kay Nietfeld

Ivanka Trump in Berlin: Viele Frauen und eine Tochter

Die Teilnahme der US-Präsidententochter Ivanka Trump am Berliner „Women20-Gipfel“ war ungewöhnlich. Welche Rolle spielte sie bei der Veranstaltung?

Gleich die erste Frage an Ivanka Trump hat es in sich. Wen sie hier in Berlin vertrete, will Moderatorin Miriam Meckel wissen, ihren Vater, den US-Präsidenten, oder das amerikanische Volk – oder ihr Unternehmen? Letzteres nicht, antwortet die 35-Jährige. Ivanka Trump sagt, sie wolle vor allem zuhören und lernen. Gemeinsam mit ihr sitzen acht Frauen auf dem Podium des „Women20-Gipfels“, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, und die niederländische Königin Maxima. Es ist ein sorgfältig zusammengestelltes Podium, auf dem Ivanka Trump am Ende kaum noch auffällt. Das Gehörte will sie mit nach Hause nehmen, „zu meinem Vater und dem Präsidenten“, und „hoffentlich einige Veränderungen herbeiführen“.

Mit Ivanka Trump hätte diese Geschichte eigentlich nicht anfangen sollen. Denn die „Women20“ (W20) sind weder ein Regierungsforum noch eine Veranstaltung, bei der es auf den Glamour-Faktor ankäme. Beim W20-Gipfel in Berlin wollen Frauen aus den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der Welt (G20) ihre Forderungen an die Staats- und Regierungschefs der G20 formulieren, die im Juli in Hamburg zusammenkommen. An diesem Mittwoch werden sie der Kanzlerin das Ergebnis ihrer Arbeit überreichen. Ivanka Trump war im Programm des vom Deutschen Frauenrat und dem Verband deutscher Unternehmerinnen organisierten W20-Gipfels gar nicht vorgesehen.

Clara Zetkin hätte gesagt: „Die bürgerliche Frauenbewegung ist nicht Vorkämpferin, Interessenvertreterin aller befreiungssehnsüchtigen Frauen. Sie ist und bleibt bürgerliche Klassenbewegung."

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Dass die „First Daughter“ doch eine Einladung erhielt, hat mit der Reise der Kanzlerin nach Washington im März zu tun. Dort saß Merkel bei einer Veranstaltung über das deutsche System der Berufsausbildung neben Ivanka Trump. Diese habe ein großes Interesse an dem Thema und an der Stärkung von Frauen gezeigt, sagte eine Regierungssprecherin. „So ist es nach einem Hinweis der Bundesregierung zu der Einladung der Veranstalter gekommen.“ Nur wenige Tage danach verkündete Ivanka Trump auf Twitter, sie freue sich darauf, die Rolle der Frauen in der Wirtschaft voranzubringen. Die W20-Organisatorinnen dagegen waren weniger begeistert. In letzter Minute mussten sie ihr Programm umstellen und drei Wochen vor dem Gipfel die Veranstaltung ins Hotel Intercontinental verlegen, weil das Medieninteresse plötzlich riesig war. Die Kanzlerin selbst nahm sich für das W20-Treffen ebenfalls mehr Zeit als zuvor geplant.

Das Weiße Haus kündigte sie als "First Daughter und Assistentin des Präsidenten" an

So viel Aufwand für eine 35-Jährige, die zunächst als Model und später mit einem eigenen Modelabel und in der Firma ihres Vaters Karriere machte? Doch Ivanka Trump, die vom Weißen Haus als „First Daughter und Assistentin des Präsidenten“ angekündigt wurde, spielt eine wichtige Rolle in Washingtons Machtgefüge. Die „New York Times“ bezeichnete sie und ihren Mann Jared Kushner, der wie Ivanka im Weißen Haus arbeitet, als „wichtigste Berater“ des Präsidenten. So gelang es den beiden offenbar, den Einfluss des ultrarechten Chefstrategen Stephen Bannon zu begrenzen. Die Bundesregierung, die nicht so gute Kommunikationskanäle zur neuen US-Regierung hat wie früher, will nun offenbar den Kontakt zur „First Daughter“ nutzen.

Merkel brachte zum W20-Gipfel einen Vorschlag mit, bei dem sie auf Ivanka Trumps Unterstützung setzt. Frauen in Entwicklungsländern sollen besseren Zugang zu Krediten erhalten. „Nichts ist so erfolgreich, wie Frauen Mikrokredite zu geben“, sagt Merkel. Dafür schlägt die Kanzlerin die Gründung eines Fonds vor, in den mehrere Länder einzahlen und der dann von der Weltbank aufgestockt wird. Zu den Geldgebern könnten neben Deutschland auch die USA, Kanada und die Niederlande zählen, sagt die Kanzlerin mit einem Lächeln und einem Seitenblick auf die anderen Podiumsgäste. Die Bundesregierung will diese Initiative in den G20 einbringen, deren Vorsitz sie in diesem Jahr innehat. Sollte es gelingen, den US-Präsidenten beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli auf dieses Projekt zu verpflichten, obwohl er multilateralen Prozessen skeptisch gegenübersteht, wäre das schon ein kleiner Erfolg. Dafür nimmt die Bundesregierung offenbar in Kauf, den in demokratischen Staaten sonst eher ungewöhnlichen Weg über Kontakte zur Tochter des Staatschefs zu gehen.

Die mehr als 100 Delegierten aus allen G20-Staaten stehen der Präsidententochter skeptisch gegenüber. Als Ivanka Trump ihren Vater als „riesigen Vorkämpfer“ der Unterstützung von Familien lobt, ist der Unmut im Saal deutlich zu hören. Angesprochen auf die Haltung ihres Vaters zu Frauen, die im Wahlkampf in den USA ein großes Thema war, sagt Ivanka Trump, sie habe die Kritik in den Medien gehört. „Tausende Frauen, die für meinen Vater gearbeitet haben, zeigen seine solide Überzeugung, dass Frauen das Potenzial und die Fähigkeit haben, einen Job ebenso gut zu machen wie jeder Mann.“

Schon seit einiger Zeit äußert sich Ivanka Trump zur Rolle von arbeitenden Frauen, wobei die Übergänge zum Verkauf ihrer Mode an diese Klientel mitunter fließend zu sein schienen. Vor kurzem veröffentlichte sie ein Buch mit dem Titel „Frauen, die arbeiten: die Regeln für Erfolg umschreiben“. Im Wahlkampf sollte sie auch Wählerinnen ansprechen, die von den frauenfeindlichen Kommentaren ihres Vaters abgeschreckt waren. Kurz vor der Wahl waren Äußerungen bekannt geworden, in denen Trump sich mit sexuellen Übergriffen brüstet. Nach seinem Amtsantritt demonstrierten Hunderttausende Frauen gegen ihn. Später ging ein Foto um die Welt, das den Präsidenten beim Unterzeichnen eines Erlasses zeigt. Mit der Anordnung ließ er finanzielle Unterstützung für Organisationen weltweit streichen, die sich positiv über Abtreibungen geäußert haben. Bei diesem Amtsakt zu einem für Frauen entscheidenden Thema war der Präsident umgeben von sieben Männern.

Eine W20-Teilnehmerin sagt, die USA seien seit vielen Jahren führend, wenn es darum gehe, die Rechte von Frauen weltweit voranzubringen. „Wir hoffen, dass das so bleibt.“

Für die Kanzlerin ist der Auftritt vor den W20 ein Heimspiel. Sie berichtet über die Fortschritte in Deutschland bei der Kinderbetreuung und der Frauenquote in Aufsichtsräten. An dieser Stelle widerspricht Merkel denjenigen, die zu viel staatliche Regulierung kritisieren. Jahrelang seien die Dax-Unternehmen um Selbstverpflichtungen für mehr Frauen in den Aufsichtsräten gebeten worden, doch es sei nicht möglich gewesen, auf 30 Prozent Frauen zu kommen. „Die haben sich das Gesetz selbst erarbeitet, durch Nichtstun.“

Ob sie eine Feministin sei, will die Moderatorin von Merkel wissen. Die Kanzlerin verzieht das Gesicht, zögert kurz und antwortet mit einem merkeltypischen Satz: „In der Geschichte des Feminismus, da gibt es Gemeinsamkeiten mit mir und Unterschiede.“ Und sie ergänzt, mit dieser Feder wolle sie sich nicht schmücken. Ivanka Trump dagegen betont, sie selbst sehe sich als Feministin.

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