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Wechsel ohne viel Vorlauf: Karsten Wildberger, Wolfram Weimer und Katherina Reiche wechseln ohne Karenzzeit von der Wirtschaft ins Kabinett von Friedrich Merz.

© Montage Sascha Lobers/Tagesspiegel/picture alliance/dpa/Sven Hoppe; Imago/Florian Gaertner (2)

Vom Manager zum Minister: Drohen im Team Merz Interessenkonflikte?

Ohne Karenzzeit wechseln ein Unternehmer und zwei Spitzenmanager ins Kabinett von Friedrich Merz. Die Opposition und Lobbycontrol sehen einen ungelösten Konflikt mit Geschäftsinteressen.

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Zeit zur Vorbereitung scheint Karsten Wildberger nicht zu benötigen. Bis Montag amtiert er noch als Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG, der Muttergesellschaft von Mediamarkt und Saturn. Am nächsten Tag dürfte der parteilose Manager dann auf Vorschlag des künftigen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) zum neuen Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung ernannt werden.

Ohne nennenswerte Karenzzeit werden auch zwei künftige CDU-Minister aus der Wirtschaft in das Kabinett Merz wechseln. Der Medienunternehmer Wolfram Weimer wird neuer Kulturstaatsminister. Katherina Reiche, die bisherige Chefin der Eon-Tochter Westenergie, soll das Wirtschafts- und Energieministerium führen.

Merz ist dabei, ein Bundeskabinett für die Reichen und Mächtigen zu bilden

Linkenchef Jan van Aken kritisiert die Personalpolitik von Friedrich Merz.

Grünen-Chef Felix Banaszak kritisiert die Personalpolitik des CDU-Chefs. „Der Staat ist dem Gemeinwohl verpflichtet und setzt Rahmenbedingungen für die Wirtschaft – doch Friedrich Merz macht jetzt die Perspektiven von spezifischen Teilen der Wirtschaft zur Regierungspolitik“, sagte er dem Tagesspiegel.

Auch Linken-Chef Jan van Aken ist irritiert. „Merz ist dabei, ein Bundeskabinett für die Reichen und Mächtigen zu bilden“, sagte er dem Tagessspiegel. „Dass jetzt beim designierten Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ein ganz konkreter Interessenkonflikt auftritt, passt komplett ins Bild“, so van Aken.

Der Medienunternehmer Wolfram Weimer auf dem kleinen Parteitag der CDU bei seiner Nominierung als neuer Kulturstaatsminister.

© imago/pictureteam/IMAGO/Matthias Gränzdörfer

Der Medienunternehmer betreibt mit seiner Weimer Media Group Titel wie „The European“, „Wirtschaftskurier“, die „Börse am Sonntag“ sowie „Business Punk“. Als Kulturstaatsminister wäre er zugleich für den staatlichen Auslandssender Deutsche Welle zuständig, der auf seinen Onlineseiten ebenfalls journalistische Artikel veröffentlicht. Weimer würde „also die öffentlich-rechtliche Konkurrenz zu seinem Unternehmen“ verantworten, erklärt Aurel Eschmann von Lobbycontrol.

Inzwischen hat Weimer zwar die Geschäftsführung vollständig an seine Frau übergegeben, aber die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol sieht weiterhin einen Interessenkonflikt, solange Weimer Anteilseigner bleibt oder die Anteile künftig vollständig bei seiner Frau liegen.

Bei Lobbycontrol betrachtet man aber auch die Personalien Wildberger und Reiche mit Skepsis. Die NGO verweist darauf, dass der Ceconomy-CEO bisher nebenbei auch als Lobbyist für den Handelsverband Deutschland und den CDU-Wirtschaftsrat tätig war. Nun befürchtet Lobbycontrol, dass Wildberger die Interessen der Wirtschaft und insbesondere der Handelsbranche sowie seines früheren Arbeitgebers bei der Regulierung der Tech-Konzerne und der Modernisierung des Staatsapparats über Gebühr berücksichtigen könnte.

Torpediert Reiche die Energiewende?

Ein handfesteres Problem sieht Lobbycontrol in der Ernennung von Katherina Reiche. „Mit Frau Reiche wird eine Energieunternehmerin zur Energieministerin gemacht. Sie wird sich in ihrer neuen Position kaum aus allen Entscheidungen zurückhalten können, die ihren jetzigen Arbeitgeber betreffen“, sagte die Sprecherin Christina Deckwirth. Es sei höchst fraglich, „ob Reiche die nötige kritische Distanz und Unabhängigkeit zur Energiewirtschaft einhalten kann, um ausgewogen zu entscheiden“.

2015 wechselte Katherina Reiche aus dem Bundesverkehrsministerium in die Energiewirtschaft. Bald kümmert sie sich um die Regulierung der Branche im Wirtschaftsministerium.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler

Das bezweifelt auch Grünen-Chef Banaszak. Er verweist darauf, dass sich Reiche als Chefin des Verteilnetzbetreibers Westenergie gegen einen schnellen Kohleausstieg bis 2030 ausgesprochen hat. „Die künftige Wirtschafts- und Energieministerin hat bisher auch für diejenigen lobbyiert, die möglichst lange noch mit fossilen Energien Geld verdienen wollen“, sagte Banaszak. „Es ist deshalb zu befürchten, dass eine Restauration des fossilen Energieverbrauchs aus dem Ministerium heraus angeleitet wird.“

Auf Tagesspiegel-Anfrage äußerten sich am Dienstag bis Redaktionsschluss weder Weimer, Wildberger und Reiche, noch die CDU-Parteizentrale zu den Vorwürfen. In der deutschen Wirtschaftswelt halten aber auch viele nicht direkt Betroffene die Aufregung um die Wechsel ins Kabinett für unbegründet. Zudem verzichten die drei Quereinsteiger wohl auf viel Geld.

Wirtschaftswelt hält Vorwürfe für unbegründet

Energiemanager, die der Union nicht nahestehen, gehen nicht davon aus, dass Reiche ihr Ministeramt nutzen wird, um vorteilhafte Bedingungen für ihren früheren Arbeitgeber zu schaffen. Ein solcher Move würde der CDU-Politikerin schon deshalb schwerfallen, weil die vom Grünen-Mitglied Klaus Müller geführte Bundesnetzagentur peinlich genau auf eine wettbewerbsneutrale Regulierung achtet.

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht es als Vorteil, dass die drei die Wirtschaftswelt genau kennen. „Nicht nur sind diverse Teams meist besser, sondern Externe können Kompetenzen einbringen, die reine Berufspolitiker nicht haben“, erklärte Fratzscher bei X. Der Ökonom begrüßte auch die Berufung von Reiche zur Wirtschaftsministerin. Fratzscher erhofft sich von der früheren Managerin ein gutes Verständnis dafür, welche Rahmenbedingungen Unternehmen derzeit benötigen.

Reiche wäre zudem nicht die erste Energiemanagerin im Wirtschaftsministerium. Bevor Werner Müller 1998 parteiloser Wirtschaftsminister von Gerhard Schröder (SPD) wurde, arbeitete er für die Branchenriesen RWE und VEBA. Für die rot-grüne Regierung verhandelte Müller danach erfolgreich den Atomausstieg.

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