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Vorwurf sei „absurd“: Regierung widerspricht Anschuldigung der Unionsfraktion gegen Wahlleiterin
Deutschland steuert auf Neuwahlen zu. Die Unionsfraktion wirft dem Kanzleramt jedoch vor, die Bundeswahlleiterin bei der Terminwahl instrumentalisiert zu haben. Die Regierung widerspricht.
Stand:
Nach ihrer Warnung vor einem frühen Termin für eine Bundestags-Neuwahl steht Bundeswahlleiterin Ruth Brand weiter in der Kritik der Union.
„Wenn die Bundeswahlleiterin den Eindruck hat, dass wir in Deutschland nicht mehr verfassungsgemäß Wahlen durchführen können, dann hätte sie sich vielleicht auch mal etwas früher melden sollen“, sagte Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) am Montag den Sendern RTL und ntv. „Man hat den Eindruck, da gab es politische Einflussnahme.“
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend zunächst angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Der Urnengang hätte dann im März stattgefunden.
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Scholz zeigte sich am Sonntagabend offen für einen früheren Termin. Dies fordert auch die Union. Bundeswahlleiterin Brand hatte aber vor „unabwägbaren Risiken“ einer frühen Neuwahl gewarnt.
Und da muss doch ein Land wie Deutschland jederzeit in der Lage sein, in den Fristen der Verfassung diese Wahl durchzuführen.
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU)
Spahn kritisierte nun die Ausführungen der Wahlleiterin. „Die Verfassung sieht die Vertrauensfrage vor. Die könnte ja zu jedem Zeitpunkt in einer Wahlperiode gestellt werden“, sagte er. „Und da muss doch ein Land wie Deutschland jederzeit in der Lage sein, in den Fristen der Verfassung diese Wahl durchzuführen.“ Laut Grundgesetz-Artikel 39 hat eine Neuwahl nach Auflösung des Bundestags innerhalb von 60 Tagen stattzufinden.
Dass es für eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl angeblich an Papier und an Druckern fehle, lasse Spahn nicht gelten, wie er sagte. „Jetzt sagen schon unsere Nachbarländer in Europa fast mitleidsvoll, sie würden uns mit Papier aushelfen, wenn Klarheit da ist.“
Regierung weist Kritik als „absurd“ zurück
Die Bundesregierung hat Anschuldigungen der Union zurückgewiesen, Bundeswahlleiterin Ruth Brand lasse sich im Streit um den Termin für die geplante Neuwahl des Bundestages von ihr instrumentalisieren. „Dieser Vorwurf ist absurd“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin.
Die Bundeswahlleiterin agiere unabhängig. Er rate auch dazu, die Unabhängigkeit „derjengen, die dafür zuständig sind, nicht in Frage zu stellen“.
Bundeswahlleiterin weist Vorwurf der Union zurück
Der Parlamentsgeschäftsführer der CSU im Bundestag, Alexander Hoffmann, betonte, die Bundeswahlleiterin müsse als „Organisatorin“ der Wahl „neutral agieren und jeden Anschein parteipolitischer Einflussnahme vermeiden“. Die Bundeswahlleiterin müsse „immer mit der Möglichkeit einer vorgezogenen Neuwahl rechnen“, betonte Hoffmann.
Die Bundeswahlleitern hatte den Unions-Vorwurf einer Einmischung des Kanzleramtes bereits zurückgewiesen. „Es gab keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen“, sagte ihr Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende.
„Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Bundeswahlleiterin als unabhängiges Wahlorgan (...) nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden.“ Es sei Aufgabe der Bundeswahlleiterin, bei der Vorbereitung von Wahlen auch auf Risiken hinzuweisen.
Unionsfraktion will Bundeswahlleiterin in Innenausschuss zitieren
An diesem Montagnachmittag berät Brand mit den Landeswahlleitern über die Vorbereitung von Neuwahlen im Bund. Bei dem virtuellen Treffen handelt es sich nach Angaben der Behörde um eine „reguläre Vorbesprechung zur Wahlvorbereitung, wie sie auch bei jeder regulären Bundestagswahl vorgesehen ist“.
Die Union forderte zudem, dass sich Brand am Mittwoch dem Innenausschuss des Bundestags stellt. Es werde von ihr Aufklärung zu einem Schreiben an den Kanzler verlangt, in dem die Bundeswahlleiterin vor einem zu frühen Neuwahltermin warnt, berichtete die „Welt“.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), erklärte das öffentlich gewordene Schreiben gegenüber der Zeitung für „höchst irritierend“ und sieht darin einen Widerspruch zu früheren Aussagen. „Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Schreiben auf eigene Initiative hin verfasst wurde oder ob das Bundeskanzleramt oder das SPD-geführte Innenministerium Einfluss darauf genommen haben“, sagte Throm.
Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Schreiben auf eigene Initiative hin verfasst wurde oder ob das Bundeskanzleramt oder das SPD-geführte Innenministerium Einfluss darauf genommen haben.
Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion
Zuvor hatte bereits der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem Kanzleramt vorgeworfen, die Bundeswahlleiterin instrumentalisiert zu haben. Brand war Anfang 2023 als Präsidentin des Statistischen Bundesamtes vom SPD-geführten Bundesinnenministerium berufen worden und nimmt in dieser Funktion auch das Amt als Bundeswahlleiterin ein.
Brand habe in ihrem Schreiben von Freitag an Kanzler Olaf Scholz erklärt, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl essenziell für das Vertrauen der Bürger in die Demokratie sei, sagte ihr Sprecher. Deshalb sei es erforderlich, den vom Grundgesetz vorgegebenen Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Deutschen Bundestages voll ausschöpfen zu können, um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können.
Der Sprecher wies den Vorwurf zurück, dass Brand in den vergangenen Tagen ihre Meinung zum Zeitpunkt vorgezogener Neuwahlen geändert habe. Ein Beschäftigter der Bundeswahlleiterin habe gegenüber Medien lediglich gesagt, dass es bei vorgezogenen Neuwahlen unabhängig vom konkreten Zeitpunkt gesetzliche Fristen gibt, welchen die Bundeswahlleiterin selbstverständlich unterliege.
Daraus sei in Berichten teilweise abgeleitet worden, dass sich die Bundeswahlleiterin für eine Wahl im Januar ausgesprochen habe. „Die Aussage gilt aber unabhängig von einem konkreten Wahltermin“, betonte der Sprecher. (Reuters, AFP)
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