
© imago/Jürgen Heinrich/imago/Jürgen Heinrich
„Wagenknecht ist jedes Mittel zur Profilierung recht“: Große Empörung über BSW-Boykott gegen Selenskyj-Rede im Bundestag
Erstmals hat der ukrainische Präsident Selenskyj eine Rede in Präsenz im Bundestag gehalten. Doch BSW- und auch viele AfD-Politiker blieben der Rede fern. Der Aufschrei ist groß.
Stand:
Dass das BSW von Sahra Wagenknecht der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Nachmittag im Bundestag geschlossen fernblieb, hat im Vorfeld für große Empörung gesorgt. „Das ist peinlich, respektlos und man blamiert sich so gut man kann“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. „Sahra Wagenknecht ist scheinbar jedes Mittel zur eigenen Profilierung recht. Das alles auf dem Rücken der Ukraine, wo Menschen auch zur Stunde um ihr Leben bangen und kämpfen müssen“, sagte die SPD-Politikerin hinzu.
Selenskyj hielt seine Rede am Dienstagnachmittag. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte schon vorher auf Anfrage bestätigt, dass die BSW-Abgeordneten diese boykottieren wollen. Zuvor hatte die Nachrichtenplattform t-online berichtet. Demnach heißt es in einer Erklärung des BSW, dass man der Rede des Präsidenten im Bundestag fernbleiben wolle, weil Selenskyj „mittlerweile nach dem Urteil vieler internationaler Beobachter auf eine offene Eskalation des Krieges und einen unmittelbaren Kriegseintritt der Nato“ setze. Das BSW verurteile zwar „den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine“.
Aber Selenskyj trage dazu bei, „eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern und nimmt dabei das Risiko eines atomaren Konflikts mit verheerenden Konsequenzen für ganz Europa in Kauf (...)“. Ihn mit einer Sonderveranstaltung im Bundestag zu würdigen, sei ein Symbol der kritiklosen Zustimmung zu seiner Politik, was man als BSW nicht unterstützen könne.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Die AfD-Fraktionsspitze kritisierte die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Plenum. „Wir lehnen es ab, einen Redner im Tarnanzug anzuhören“, erklären die beiden AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. „Selenskyjs Amtszeit ist abgelaufen. Er ist nur noch als Kriegs- und Bettelpräsident im Amt.“ Die Ukraine brauche jetzt „keinen Kriegspräsidenten“, sie brauche „einen verhandlungsbereiten Friedenspräsidenten“. Deshalb habe der Fraktionsvorstand am Montag beschlossen, der Rede Selenskyjs im Bundestag fernzubleiben. Dem sei die Fraktionsversammlung gefolgt. Dennoch saßen vier Abgeordnete der AfD bei der Rede des ukrainischen Präsidenten im Plenum.
Strack-Zimmermann: Zweite Partei, die Putin unreflektiert folgt
Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Fernbleiben von AfD und BSW bei der Bundestagsrede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kritisiert. Dieses Verhalten sei eine „Respektlosigkeit“, sagte ein Regierungssprecher dem ARD-Hauptstadtstudio. Scholz sei darüber „sehr verstört, aber nicht überrascht“.
„Ich habe schon mit Diktatoren und autoritären Herrschern in einem Raum sitzen müssen“, schrieb der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Mit Blick auf das BSW fügte er auf X hinzu: „Einem demokratisch gewählten Präsidenten, der für die Freiheit seines Landes kämpft, den Respekt zu verweigern, ist so mies.“
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann reagierte im Vorfeld sarkastisch auf die Ankündigung der Wagenknecht-Partei. „Ich bin verwundert, dass Sahra Wagenknecht heute schon wieder kommen will“, sagte Haßelmann am Dienstag in Berlin. Wagenknecht gehöre zu denen im Parlament, die am wenigsten Präsenz zeigten.“ Als Abgeordneter habe man eine Verantwortung, im Bundestag zu arbeiten. Dafür bekomme man eine Abgeordnetenentschädigung und eine Kostenpauschale, auch die Bürger erwarteten das. Mit Blick auf die Grünen betonte Haßelmann: „Für mich und unsere Fraktion ist es eine große Ehre, dass Selenskyj heute im Bundestag spricht. Und wir freuen uns darauf, zu hören, was er uns sagt.“
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz warf Wagenknecht und dem BSW vor, „den Weg für die eskalative und imperialistische Aggression Putins zu ebnen“. Deren Fernbleiben im Bundestag nannte auch er „schlicht beschämend“.
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann fand deutliche Worte: „Das sind dann die Menschen, die sonst immer darauf pochen, man müsse miteinander reden“, schrieb sie im Onlinedienst X. „Mit dem BSW hat Putin nun schon die zweite Partei in Deutschland, die ihm unreflektiert folgt.“ Mit Unverständnis äußerte sich auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr. „Das ganze Gerede von Frau Wagenknecht (...) von Frieden wird damit absolut unglaubwürdig“, sagte er.
Merz sieht in Fernbleiben von AfD und BSW einen Tiefpunkt
Der Linke-Politiker Dietmar Bartsch kritisierte den Schritt seiner ehemaligen Fraktionskollegin ebenfalls scharf und nannte das Verhalten ein „Unding“: Wie auch immer man zu Selenskyj oder zu Waffenlieferungen stehe, in der Demokratie gehe es darum, zumindest zuzuhören, und nicht darum, Aufmerksamkeit zu erregen. „Zuhören können ist das Mindeste in einer Demokratie“, sagte er der dpa. Ihn erinnere das Verhalten fatal an das Nichtaufstehen Wagenknechts nach einer Rede des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres 2010 im Bundestag.
Auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat das Fernbleiben mit deutlichen Worten kritisiert. „Man kann ja über die Hilfe für die Ukraine unterschiedlicher Meinung sein“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. „Aber dass man als Abgeordneter im Deutschen Bundestag dem Staatspräsidenten dieses vom Krieg bedrohten Landes den Respekt versagt, ist ein wirklicher Tiefpunkt in der Kultur unseres Parlaments.“ Er sei darüber einigermaßen entsetzt.
Wagenknecht und BSW richten ihre Appelle zur Deeskalation bislang ausschließlich an die Ukraine sowie deren westliche Unterstützer. Aufrufe zu einem Rückzug der russischen Truppen aus den von ihnen besetzten ukrainischen Gebieten und einem Ende der russischen Aggression unter Achtung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität gibt es von Seiten des BSW hingegen nicht.
Rund um den Bundestag galten angesichts des Besuchs und der geplanten Rede strengste Sicherheitsvorkehrungen. Polizeiboote patrouillierten auf der Spree, im Bundestag untersuchte die Polizei mit Spürhunden auch den Plenarsaal. Es ist Selenskyjs erste persönliche Rede im deutschen Parlament. Früher war er per Video zugeschaltet. (dpa, Reuters, AFP, Tsp)
- AfD
- Alice Weidel
- BSW
- Deutscher Bundestag
- Krieg in der Ukraine
- Nato
- Russland
- Sahra Wagenknecht
- SPD
- Ukraine
- Wladimir Putin
- Wolodymyr Selenskyj
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: