
© IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Studie sieht Linke als Nutznießer: Merz’ Migrationskurs kostete die Union Wählerstimmen
Kurz vor der Bundestagswahl setzte Friedrich Merz voll auf das Thema Migration und ließ eine Abstimmung mit der AfD zu. Daraufhin wandten sich Unions-Sympathisanten anderen Parteien zu, wie eine Studie zeigt.
Stand:
Die von CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kurz vor der Bundestagswahl betonte Migrationspolitik samt einer gemeinsamen Bundestagsabstimmung mit der AfD hat der Union eher Wählerstimmen gekostet als gebracht. Das ergibt eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Dafür wertete das Meinungsforschungsinstitut Ipsos die Angaben von 700 Bürgerinnen und Bürgern vor und nach der Bundestagswahl vom 23. Februar aus.
„Von der Betonung der Migrationsfrage ab Januar 2025 konnte die Union mutmaßlich nicht profitieren“, heißt es in der Untersuchung. Im Vergleich des Wahlergebnisses mit den Umfragen vor der Wahl habe die Union nicht alle Sympathisanten halten und „nur einen Teil des vorhandenen Potenzials bei anderen Wählerschaften mobilisieren“ können.
Anders gesagt: Mit Themen wie der zuvor von Merz gesetzten Wirtschaftspolitik hätte die Union mehr Wähler für sich gewinnen können. So verwiesen bei der Umfrage Bürger, die noch vor der Wahl im November 2024 mit der Union sympathisierten, dann aber für SPD oder Grüne stimmten, auf „das Abstimmungsverhalten der CDU mit der AfD“ oder die „Brandmauerdiskussion“.
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Bei der Bundestagswahl hatte die CDU/CSU 28,5 Prozent der Stimmen erreicht und damit weit weniger als erhofft und erwartet. Noch im Dezember 2024 hatte Infratest Dimap in der Sonntagsfrage eine Zustimmung von 33 Prozent gemessen.
Die Linke habe zwischen Ende 2024 und der Wahl im Februar „aus allen Richtungen Zuwächse verzeichnet“, ist in der KAS-Studie zu lesen. Die Gründe für deren gestiegenen Zuspruch: größere Hoffnung, die Fünf-Prozent-Sperrklausel zu überwinden, eine Rolle als „Antipol gegen rechts und die AfD“, außerdem „Miet-, Steuer- und Sozialpolitik […], Auftritte im Wahlkampf, Plakate, TikTok bis hin zu Friedenspolitik“.
Die Linke, die bei der Wahl 8,8 Prozent errang, hatte noch Anfang 2025 bei nur vier Prozent gelegen. „Die Linke profitierte mutmaßlich von der Betonung der Migrationsfrage ab Januar 2025“, heißt es in der 34-seitigen KAS-Studie
Insgesamt hatte Ipsos für die Erhebung Ende des vergangenen Jahres 3535 Bürgerinnen und Bürger befragt und nach der Wahl in diesem Februar 4001. Für das Ergebnis der Erhebung wurden die Antworten von 700 Befragten berücksichtigt, der Schnittmenge beider Umfragen.
Für die Anhänger der Union waren die schwache Wirtschaft, die Inflation und die Infrastruktur zusammen das mit Abstand wichtigste politische Problem (29 Prozent), deutlich vor Migration/Zuwanderung (19 Prozent) und Krieg/internationale Konflikte/Außenpolitik (14 Prozent). Die Anhänger der Linken nannten an erster Stelle soziale Ungerechtigkeit/Armut/Mieten (21 Prozent), gefolgt von AfD/Rechtsruck/Fremdenfeindlichkeit (zwölf Prozent).
Anders als in den vergangenen Jahrzehnten machten die Wählerinnen und Wähler ihre Wahlentscheidung mehr von inhaltlichen Positionen als von den Spitzenkandidaten abhängig.
Für die Wähler von AfD, Grünen, Linken, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war die Person des Spitzenkandidaten sehr wichtig, für die Wähler von Union und SPD weniger wichtig. So nennen 73 Prozent der AfD-Wähler die Spitzenkandidatin Alice Weidel wichtig, 63 Prozent der BSW-Wähler sagen das über Sahra Wagenknecht und 62 Prozent der Grünen-Wähler über Robert Habeck.
Bei den Anhänger von Union und Linken sagen es jeweils 53 Prozent über Merz und Heidi Reichinnek. Hingegen war für nur 46 Prozent der SPD-Anhänger Olaf Scholz wichtig (2021: 79 Prozent). Scholz war deutlich weniger beliebt als Verteidigungsminister Boris Pistorius, der zeitweise als SPD-Kanzlerkandidat gehandelt wurde, aber nicht zum Zuge kam.
Der Trend zur Bereitschaft, von Wahl zu Wahl für unterschiedliche Parteien zu stimmen, ist nach wie vor groß. Rund 60 Prozent der Befragten sagten vor der Wahl 2025, sie könnten sich auch vorstellen, ihr Kreuz bei einer anderen als ihrer bevorzugten Partei zu machen.
So konnten sich 25 Prozent der Unionswähler vorstellen, FDP zu wählen. Für 15 Prozent kam ein SPD-Votum infrage. Die SPD-Wähler neigten zu den Grünen als Alternative (32 Prozent), gefolgt von der Union (17 Prozent). Unter den Grünen-Wählern gaben 41 Prozent an, sich eine Stimme für die SPD vorstellen zu können, und 13 Prozent für die Union.
Die AfD-Wähler sagten zu 22 Prozent, sie könnten sich vorstellen, ihr Kreuz bei der Union zu machen, 18 Prozent nannten das BSW. Die BSW-Wähler neigten am ehesten zu der AfD als politischer Alternative (19 Prozent), gefolgt von der Union (14 Prozent).
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