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Kampfausbildung: Rund 13.000 Soldaten haben bislang an Lehrgängen der Bundeswehr in Mali teilgenommen.

© DPA/Maurizio Gambarini

Deutsche Auslandseinsätze: Was die Bundeswehr in Afrika erreicht hat – und was nicht

Im Kampf gegen den Terror in Mali kommt die Bundeswehr kaum voran. Und jetzt gibt es auch noch Ärger um deutsche Soldaten, die ohne Mandat unterwegs sind.

Mit einfachen Mitteln versuchen sie, große Beute zu machen – die Piraten vor der Küste Somalias. Bewaffnet mit Pistolen und Messern rasen die Männer in Schnellbooten übers offene Meer und hoffen auf den großen Fang. Den hat allerdings schon länger keiner mehr von ihnen gemacht – auch nicht am 21. April, dem jüngsten Piratenangriff rund 280 Seemeilen vor der ostafrikanischen Küste.

Zwei Fischerboote, die koreanische „Adria“ sowie die spanische „Txori Argi“, griffen die Piraten an. Erbeuten konnten sie dabei jedoch nichts. Sie wurden von Sicherheitsleuten in die Flucht geschlagen, bevor die Freibeuter die Fischerboote entern konnten. Fünf von ihnen wurden später von einer spanischen Marine-Einheit festgenommen.

400 Millionen Euro für die Bundeswehr in Afrika

Der Vorfall erinnerte daran, dass „die Piraterie am Horn von Afrika keineswegs ausgerottet ist“, wie der spanische Admiral Antonio Martorell im Anschluss erklärte. Er ist Kommandant des europäischen Anti-Piraten-Einsatzes „Atalanta“, an dem sich auch die Bundeswehr mit einem Aufklärungsflugzeug sowie rund 80 Soldaten beteiligt. Die meisten davon sind in Djibouti stationiert.

Das Mandat will der Bundestag an diesem Donnerstag um ein weiteres Jahr verlängern – genauso wie die Aufträge für zwei Bundeswehr-Missionen im westafrikanischen Mali. Für alle drei Einsätze sollen bis Mai 2020 insgesamt fast 400 Millionen Euro ausgegeben werden. Die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher.

Merkel: "Die Mission ist schwierig"

Es sind höchst unterschiedliche Missionen der Bundeswehr in Afrika. Genauso verschieden ist ihr jeweiliger Erfolg. Während „Atalanta“ viel erreicht hat für mehr Sicherheit vor der ostafrikanischen Küste, hat sich die Lage in Mali deutlich verschlechtert. Seit 2013 ist die Bundeswehr in dem westafrikanischen Staat stationiert. „Die Mission ist schwierig“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Besuch der Truppen im nordmalischen Gao in der vergangenen Woche.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im nordmalischen Gao.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im nordmalischen Gao.

© dpa

Als vollen Erfolg sieht man in der großen Koalition dagegen den „Atalanta“-Einsatz im Indischen Ozean an. Seit 2011 beteiligt sich die Bundeswehr an der EU-Mission. Der Grund für die Entsendung der deutschen Soldaten war ein Angriff von somalischen Freibeutern auf ein Schiff des UN-Welternährungsprogramms. Mehr als 170 solcher Attacken gab es damals jährlich. Dank „Atalanta“ sind es heute noch ein bis zwei – und die werden in der Regel vereitelt.

„Unser Engagement vor der Küste Somalias dient dem Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen in Somalia und leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der internationalen Handelswege“, sagt Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion. „Deshalb muss unsere Präsenz dort Bestand haben.“

Handfeste deutsche Wirtschaftsinteressen

Zustimmung zur Weiterführung von „Atalanta“ kommt nicht nur aus der Groko. Auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour will für eine Verlängerung votieren, „weil es notwendig ist, dass das Welternährungsprogramm vor der ostafrikanischen Küste ungehindert Lebensmittel liefern kann“.

Hinter der EU-Mission im Indischen Ozean stecken aber auch handfeste deutsche Wirtschaftsinteressen. Das Seegebiet vor dem Horn von Afrika ist laut Bundesregierung „Verbindungsglied und Haupthandelsroute zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien“. Die Region habe „eine elementare Funktion für die Versorgungssicherheit“ Deutschlands, heißt es in dem Regierungsantrag, der am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird. Rund 20.000 Handelsschiffe pro Jahr passieren den Golf von Aden, die Meerenge zwischen dem afrikanischen Kontinent und der Arabischen Halbinsel. 90 Prozent des Handels zwischen Europa, Afrika und Asien laufen durch die Region.

Der Westen fährt damit gewissermaßen seinen Reichtum an einem der ärmsten Länder der Welt vorbei: Somalia. Dort herrscht gerade eine verheerende Dürre, knapp zwei Millionen Menschen hungern, unzählige sind auf der Flucht vor der Trockenheit. Oft ist es diese blanke Not, die junge Männer in die Arme von Extremisten oder Kriminellen treibt. Die Piraten etwa rekrutieren häufig arbeitslose Fischer aus den Küstendörfern, deren Lebensgrundlage die großen Fischerboote aus den Industriestaaten mit ihrem kilometerlangen Netzen zerstören.

"Notwendige Symptombekämpfung"

Der Grünen-Politiker Nouripour spricht im Zusammenhang mit dem Anti-Piraten-Einsatz von einer „notwendigen Symptombekämpfung“. Will heißen: Der Einsatz kann zwar für Sicherheit auf See sorgen. An den Ursachen des Piratentums, der Armut in Ostafrika, kann „Atalanta“ aber nichts ändern.

Die Hauptaufgabe der rund 80 deutschen Soldaten in Ostafrika sind laut Regierungsantrag „militärisches Nachrichtenwesen“, „Lagebilderstellung“ und Logistik. Kämpfen sollen sie nicht am Horn von Afrika. Ohnehin dürfen sie nur „bis zu einer Tiefe von maximal 2.000 Metern gegen logistische Einrichtungen der Piraten am Strand vorgehen“, heißt es im Regierungsantrag. „Sie werden hierfür nicht am Boden eingesetzt.“  

Bundesregierung will die Migration stoppen

Auch im westafrikanischen Mali zählt der Kampf an der Waffe nicht zum Kernauftrag der Bundeswehr. Die 1100 deutschen Soldaten sind im Land, um als Teil der UN-Mission Minusma Feindaufklärung zu betreiben sowie im Rahmen des europäischen Programms EUTM zur Ausbildung einheimischer Regierungstruppen beizutragen. Beides leiste „einen essenziellen Beitrag zur Stabilisierung der Sahel-Zone“, sagt Otte. Nouripour fordert, die Bundeswehr müsse den seit 2015 laufenden Friedensprozess im Land auch weiterhin absichern. „Dafür gibt es in der Grünen-Fraktion auch eine große Mehrheit.“

Die malische Regierung hat vor vier Jahren mit Separatistengruppen aus dem Norden ein Abkommen zur Aussöhnung geschlossen. Die Umsetzung kommt jedoch nicht voran. Dazu machen zahlreiche Konflikte dem armen Land zu schaffen. Es wüten islamistische Terroristen wie die von „Boko Haram“, Ackerbauern kämpfen mit Viehhütern um das knappe Nutzland, kriminelle Banden treiben ihr Unwesen. Das Chaos nutzen Menschenhändler aus, sie schmuggeln Migranten nach Norden. Die Bundesregierung will das stoppen.

Die Grünen wünschen sich von der Bundesregierung vor allem mehr politisches Engagement, etwa in der Entwicklungshilfe. Es müsse außerdem der Druck auf Bamako erhöht werden, damit die malische Regierung den Friedensprozess ernsthaft vorantreibe – und etwa eine überfällige Reform der eigenen Sicherheitskräfte durchsetze, damit die Zivilbevölkerung wieder Vertrauen in den Staat gewinnen kann.

Malte Lierl vom Hamburger Forschungsinstitut GIGA sieht das ähnlich. „Für die wichtigste Fragestellung fehlt bislang eine Antwort“, sagt er. „Wie lassen sich Menschenrechtsverletzungen verhindern und wie lässt sich das Vertrauen der lokalen Bevölkerung gewinnen, um die islamistischen Terrorgruppen zurückzudrängen?“

Droht der ganzen Region der Zusammenbruch?

Solange die Zivilbevölkerung den malischen Regierungstruppen nicht vertrauen könne, hätten die militanten Dschihadisten leichtes Spiel, sagt Lierl. Tatsächlich versuchen Islamisten, überall in der Region ihre Macht auszubauen. Deutlichen Einfluss konnten sie in den vergangenen Jahren etwa im bitterarmen Burkina Faso gewinnen.

Es gehe jetzt darum, „die Staaten der Sahel-Region vor dem drohenden Zusammenbruch zu bewahren“, sagt Sicherheitsexperte Lierl. Das scheint auch die Bundesregierung erkannt zu haben. Inzwischen hat sie auch in Malis Nachbarland Niger Soldaten entsandt – allerdings ohne davor das Parlament zu befragen, was dort für einigen Unmut sorgt. Bei einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch sei es deswegen hoch hergegangen, heißt es.

Die Bundesregierung argumentiert, die 20 Soldaten bräuchten kein Mandat vom Parlament, weil sie als Ausbilder und nicht als Kämpfer abbestellt seien. „Die Bundesregierung irrt, wenn sie denkt, den Einsatz der Bundeswehr in Niger nicht dem Bundestag vorlegen zu müssen“, entgegnet der Grünen-Politiker Nouripour: „Die prekäre Sicherheitslage macht einen bewaffneten Einsatz wahrscheinlich und die Entsendung deutscher Soldaten mandatspflichtig.“

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