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Berlin, Deutschland 8. Februar 2023:
84. Sitzung des Deutschen Bundestags - 2023

Regierungserklärung


Im Bild: Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (B'90/Die Grünen), im Hintergrund Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

© Fotostand/Fotostand / Reuhl

„Mit Erleichterung habe ich aufgenommen...“: Was hinter der Brieffeindschaft von Habeck und Lindner steckt

In Briefen teilen die beiden Minister heftig gegeneinander aus. Die Aufstellung des Bundeshaushalts für 2024 wird zur großen Belastung für die Ampel.

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Liebevoll ist der Tonfall des Briefes, den Wirtschaftsminister Robert Habeck am Valentinstag seinem „Herrn Kollegen“ schreibt, keinesfalls. „Wir bitten Sie, keine weiteren öffentlichen oder internen Vorfestlegungen zu treffen, die weitere Ausgaben priorisieren“, schreibt der Vizekanzler stellvertretend für alle grün-geführten Ministerien an Finanzminister Christian Lindner.

Habeck bekennt sich darin zur Schuldenbremse, mahnt den FDP-Vorsitzenden aber, dass deswegen nicht andere vereinbarte politische Projekte im nächsten Bundeshaushalt runterfallen dürften.

Und der Wirtschaftsminister macht seinem Kollegen direkt ein paar Vorschläge, wie er die Misere lösen könnte: „Wir schlagen vor, darüber zu beraten, wie wir Einnahmen verbessern, den Abbau umweltschädlicher Subventionen vorantreiben sowie Programme identifizieren können, die durch Ordnungsrecht ersetzt werden können.“

Mit Erleichterung habe ich aufgenommen, dass die von den Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen.

Christian Lindner (FDP) in einem Brief an seinen Minister-Kollegen Robert Habeck (Grüne)

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang. Zwar sind die Flitterwochen der Ampel-Koalition lange vorbei und übers Geld hat wohl noch jede Koalition gestritten, doch die Art der Kommunikation zeugt vom zerrütteten Verhältnis zwischen den beiden Ministern und ihren Parteien. Denn Lindners Antwort einen Tag später lässt wenig Raum für Verhandlung.

„Mit Erleichterung habe ich aufgenommen, dass die von den Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen“, beginnt Lindner seinen Antwortbrief süffisant mit Verweis auf die Schuldenbremse. Diese stehe höher als Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.

Weiter referiert Lindner mit Verweis auf das Grundgesetz, dass sein Ministerium durchaus ein Recht auf Priorisierungen bei Haushaltsberatungen habe und lehnt Steuererhöhungen ab. „Diese Anregung möchte ich nicht aufgreifen“, schreibt er. Angesichts der Krise sei dies ökonomisch falsch.

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Es wirkt ein bisschen wie im Kindergarten, doch hinter dem Briefwechsel, der dem Tagesspiegel vorliegt, steckt eine harte politische Auseinandersetzung. Der Bundeshaushalt für 2024, der sich aktuell im Aufstellungsverfahren für die einzelnen Ministerien befindet, wird wohl auf Kosten einiger Ampel-Projekte gehen.

Angesichts der schwächelnden Wirtschaft wird die versprochene Rückkehr zur Schuldenbremse ohne finanzpolitische Tricks nur durch Kürzungen möglich.

Die Grünen sehen vor allem ihre Prestigeprojekte betroffen

Doch aus Sicht der Grünen nimmt der FDP-Finanzminister diese vor allem bei Prestigeprojekten der Grünen vor. Die Mittel für die Kindergrundsicherung könnten fehlen, ebenso Gelder für Integrationshilfen oder den Klima- und Transformationsfond, aus dem die Energiewende finanziert werden soll.

Stattdessen priorisiere Lindner mit der Aktienrente, für die er zehn Milliarden Euro eingeplant hat, und mit der Umsatzsteuerermäßigung für die Gastronomie liberale Lieblingsvorhaben.

Begonnen hat die Diskussion aber mit der Forderung des neuen Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD), der angesichts von Waffenlieferungen an die Ukraine zehn Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr forderte. Pistorius zufolge unterstützen Kanzler Olaf Scholz und Parteichef Lars Klingbeil ein deutlich höheres Nato-Ziel für Verteidigungsausgaben.

Doch es gibt auch andere Stimmen in der SPD: Außenpolitiker Ralf Stegner setzt sich für gleiche Zuwächse der Mittel für Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit wie für Verteidigung ein: „Wir haben das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen, das war auch notwendig“, sagte er dem Tagesspiegel: „Es kann darüber hinaus keine Entkoppelung der Ausgaben für die Bundeswehr von jenen für Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit geben.“

Boris Pistorius will mehr Geld für die Truppe.
Boris Pistorius will mehr Geld für die Truppe.

© dpa/Ann-Marie Utz

Zwar müsse der Haushalt der neuen Lage angepasst werden. „Dies kann aber nicht durch Vorfestlegung einzelner Minister geschehen“, sagte Stegner mit Blick auf Lindner.

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampelparteien vereinbart, bei Zuwächsen im Verteidigungshaushalt in gleicher Höhe auch die Ausgaben für Diplomatie und Entwicklungspolitik zu stärken. „Die Ausgaben für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe, AKBP (Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, d. Red.) und Entwicklungszusammenarbeit sollen wie bisher im Maßstab eins-zu-eins wie die Ausgaben für Verteidigung steigen“, heißt es dort.

Das Entwicklungsministerium erklärte auf Anfrage, angesichts der vielfältigen globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Auswirkungen des Ukrainekriegs und den Folgen des Erdbebens in der Türkei und Syrien sei eine „auskömmliche Finanzierung unserer Arbeit“ notwendig.

70
Milliarden Euro wollen die Ministerien 2024 zusätzlich vom Finanzminister.

„Entwicklungspolitische Handlungsfähigkeit gehört ebenso wie eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr zu einem umfassenden Verständnis von Sicherheit und zur Wahrnehmung deutscher Interessen und internationaler Verantwortung“, sagte ein Sprecher. Auch aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Bedarfe würden weiter steigen.

Insgesamt belaufen sich die finanziellen Wünsche der Bundesministerien nach Information des „Handelsblatts“ auf zusätzlich 70 Milliarden Euro. Wie die Löcher nun gestopft werden, ist unklar.

„Ich erlaube mir, auch den Herrn Bundeskanzler und die Kolleginnen und Kollegen über unseren Austausch zu informieren“, schreibt Lindner am Ende seines Briefes an Habeck. Am 15. März will das Kabinett eigentlich die Eckwerte des Haushalts beschließen. Eigentlich.

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