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Klar ist: Weihnachten 2020 wird anders als sonst.

© Imago Images/Political Moments

Merz gegen Corona-Auflagen: Wenn mit Weihnachten Wahlkampf gemacht wird

Die zweite Corona-Welle und der CDU-Wahlkampf um den Vorsitz werden zu einem schwierigen Gemisch. Wie viel Staat an Weihnachten darf es sein? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Es war vor gut einem Jahr, da trafen sich Friedrich Merz und Peer Steinbrück zufällig bei einem Konzert in der Boston Symphony Hall. Merz hatte Kanzlerin Angela Merkel gerade attestiert, eine „grottenschlechte Regierung“ zu führen. Beide Herren tauschten sich intensiv über die Lage daheim aus. Sie eint, dass der eine (Merz) in der CDU, der andere (Steinbrück) in der SPD als Projektionsfläche für klare Kante und klares Profil gesehen werden beziehungsweise wurden.

Bei Steinbrück mündete das in einer suboptimal verlaufenen Kanzlerkandidatur. Bei Merz könnte es auch zur Kanzlerkandidatur führen – aber wie bei Steinbrück die Nebenverdienste, bietet seine Tätigkeit für den Fondsverwalter Blackrock sicher noch Skandalisierungspotential.

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Es ist nicht die glücklichste Fügung, dass gerade die zweite Welle der Corona-Pandemie und der sich zuspitzende CDU-interne Wahlkampf parallel laufen. Da war das Wochenende aufschlussreich. Merz sagte im Interview mit dem Tagesspiegel einen bemerkenswerten Satz: "Es geht den Staat auch nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere." Die Aufregung darüber ist erwartbar gewesen. Aber Merz ist jetzt auch keiner, der zu Weihnachten im Sauerland ein Fest in Schützenfestdimension plant.

Wer ist der "Staat"?

Wen meint Merz mit "dem Staat"? Kanzlerin Merkel oder seinen Widersacher um den CDU-Vorsitz, seinen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet? Bund und Länder haben doch längst verstanden, dass sie den Menschen nach Ostern nicht auch noch Weihnachten nehmen können.

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Auch deshalb wird der Teil-Lockdown wohl bis kurz vor Weihnachten verlängert. Nirgendwo wird die Polizei an Heiligabend klingeln und Oma, Opa, Tante und Onkel vom gedeckten Gabentisch wegzerren.

Ohnehin sind der Staat in dieser Krise: Wir alle. Die vernünftige Mehrheit der Bevölkerung macht längst an Corona angepasste Festtagspläne, so wie sie im Alltag Kontakte reduziert. Zum Beispiel, dass am ersten Feiertag der eine Sohn mit Frau und Kindern Eltern und Großeltern besucht, am zweiten Feiertag ein anderer Teil der Familie. Auch hier gilt: Alles wird etwas kleiner, entzerrter.

Aber kein staatlich verordnetes einsames Weihnachten. Ein Vorschlag: Bund und Länder könnten die Bürger mit Millionen an kostenlosen Schnelltests und FFP2-Masken vor dem Fest beschenken, das würde Ansteckungsrisiken, die gerade durch den Weihnachtsreiseverkehr entstehen, deutlich senken.

Hatte auch selbst schon Corona: Friedrich Merz.
Hatte auch selbst schon Corona: Friedrich Merz.

© dpa

Merz, der Outsider

Das eigentliche Problem an den Weihnachts-Einlassungen von Merz: Er gefällt sich in seiner Rolle als Outsider, der gegen das von ihm so bezeichnete Partei-Establishment kämpft. Gerade in einer Phase, wo das vielfältige Milieu der Gegner staatlicher Corona-Maßnahmen immer radikaler wird und von Merkel-Diktatur schwadroniert wird, sollten deren Vorurteile nicht von jemanden, der sich für den CDU-Vorsitz bewirbt, bedient werden.

Merkel selbst sollte sich allerdings auch vor einer Bevormundungspolitik hüten, ihre Ansage: Treffen von Kindern nur noch mit einem Freund/einer Freundin, hat viel Kredit verspielt. Und Merz hat in dem Punkt Recht, wenn er ein bisschen mehr Horizont in der zeitlichen Planung verlangt.

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Wenn Bund und Länder am kommenden Mittwoch den Teil-Lockdown womöglich noch etwas verschärfen und zum Beispiel bis 20. Dezember verlängern sollten, sollten sie daher ebenso klar machen, dass Weihnachten gemeinsam – mit Vorsicht und weniger groß als sonst – gefeiert werden kann, große Silvesterpartys aber dieses Jahr nicht drin sind.

Einer der Drei soll CDU-Chef werden: Norbert Röttgen, Armin Laschet oder Friedrich Merz.
Einer der Drei soll CDU-Chef werden: Norbert Röttgen, Armin Laschet oder Friedrich Merz.

© imago images/photothek

Kramp Karrenbauer sieht "ruinösen Wettbewerb"

So unklar wie aktuell bei Corona ist auch für die CDU die Zukunft. Es ist der Sache sicher nicht dienlich, wenn die scheidende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt auch öffentlich einen „ruinösen Wettbewerb“ beklagt. Wobei gerade der Dritte im Bunde neben Laschet und Merz, Norbert Röttgen, bisher nicht mit Wahlkampf auf Kosten anderer auffällt, sondern die Sorge um die ungelösten Baustellen der CDU – eine engagiertere Klimapolitik und die sich dramatisch ändernde internationale Lage – in den Fokus stellt.

Die nicht abreißenden Gedankenspiele, ob nicht doch Jens Spahn oder Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus noch ins Rennen gehen sollen, zeugen davon, dass man alles andere als überzeugt ist vom zu wählenden Personal. Die Pandemie könnte zwar bald überwunden, die CDU mit der beginnenden Nach-Merkel-Ära aber in eine veritable Krise rutschen.

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