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Annalena Baerbock beim digitalen Bundesparteitag der Grünen.

© Kay Nietfeld/dpa

Baerbock macht eine Kampfansage: Wer führt das Außenamt nach der Wahl? Raten Sie mal!

„Wir dürfen uns nicht wegducken“, sagt Grünen-Chefin Baerbock über europäische Militäreinsätze. Spricht die nächste Außenministerin? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Heute mal ein kleines politisches Ratespiel. Wer ist das: Vor dem Machtwechsel in den USA fordert X ein stärkeres Engagement Europas in der Verteidigungspolitik. Wenn der Westen Staaten wie China, Russland oder der Türkei nicht das Feld überlassen wolle, müsse Europa seine „Friedensrolle“ in der Welt ernster nehmen. Offen zeigt sich X in der „SZ“ dafür, über höhere Ausgaben für die Bundeswehr nachzudenken, außerdem für europäische Militäreinsätze an der Seite Frankreichs. „Wir dürfen uns nicht wegducken.“

Erraten? Also, streiche X, setze … nein, nicht Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, CDU-Bewerber um den Bundesvorsitz. Könnte inhaltlich passen, er ist es aber nicht. Auch nicht Friedrich Merz, früher Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU und im Europaparlament, jetzt auch Anwärter auf den CDU-Bundesvorsitz. Annegret Kramp-Karrenbauer, scheidende CDU-Chefin, amtierende Bundesministerin der Verteidigung? Nein. Dann einer von der SPD, Heiko Maas vielleicht, Außenminister?

Traumergebnis von 99 Prozent

Alles falsch. Es ist Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende der Grünen, die so spricht. Das muss man sich mal vorstellen! Oder auch: Was man sich da alles vorstellen kann! Erst einmal, dass manche altgediente Grüne sich die Augen wund reiben werden; die Grünen, die weiland Außenminister Joschka Fischer wegen vermuteten Bellizismus einen Farbbeutel aufs Ohr warfen. Diese Strömung gibt es heute noch, das sieht man auf Bundesdelegiertenkonferenzen, wie bei ihnen Parteitage heißen.

Ein gewichtiger Unterschied: Trotzdem wird Baerbock, Realpolitikerin vom Schlage Fischers, mit dem Traumergebnis von 99 Prozent zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt. (Wehe übrigens Olaf Scholz, dem SPD-Spitzenkandidaten, der in Potsdam im Wahlkreis gegen sie antreten muss.)

Kampfansage und Koalitionsangebot in einem

Seit 2013 ist Baerbock im Bundestag. Sie hat Politikwissenschaft und öffentliches Recht in Hamburg und Völkerrecht an der London School of Economics studiert, ihren Master in Public International Law gemacht, war Mitarbeiterin der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter und Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik der Bundestagsfraktion, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa – die Liste ließe sich verlängern. Kurz: eine Fachfrau.

Was Baerbock sagt, ist Kampfansage und Koalitionsangebot in einem. Kampfansage, weil sie die Grünen anschlussfähig an die politische Mitte und dort mehrheitsfähig machen will; Koalitionsangebot, weil eine solche grüne Partei nicht nur bei Roten, sondern auch bei den Schwarzen Gefallen findet, wie deren Chef demnächst auch heißen mag, Merz, Röttgen oder Armin Laschet. Oder, als Kanzlerkandidat, Markus Söder. Einerlei, die Außenministerin, die erste der Republik, wäre in jedem Fall schon gefunden. Noch zehn Monate bis zur Wahl.

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