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Trio für den Übergang: Thorsten Schäfer-Gümbel, Malu Dreyer (r.) und Manuela Schwesig.

© REUTERS/Annegret Hilse

Studie zu Sozialdemokraten in der EU: Wie die SPD die Herzen der Wähler zurückerobern kann

Die Sozialdemokraten in der EU gelten als Auslaufmodell - zu Unrecht, meint eine neue Studie. Sie können gewinnen, wenn sie die Kluft zu den Wählern schließen.

Von Hans Monath

Das "goldene Zeitalter" der Sozialdemokraten in Europa ist lange her, heute gelten Mitte-Links-Parteien zwischen Nordkap und Sizilien als ein Auslaufmodell. Doch die Sozialdemokraten werden fälschlicherweise pauschal abgeschrieben. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine neue Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Trotz massiver gesellschaftlicher Umwälzungen haben sozialdemokratische Parteien in Europa demnach immer noch gute Möglichkeiten, Bürger zu überzeugen und Wahlen zu gewinnen.

Die Politikberatungsgesellschaft "policy matters" hatte für die Untersuchung Bürger und potenzielle Wähler der Sozialdemokraten in neun europäischen Ländern befragen lassen. Die Studie zeige, "dass sich sozialdemokratische Parteien in Europa im Hinblick auf ihre Erkennbarkeit teils drastisch voneinander unterscheiden", sagte Ko-Autor Richard Hilmer. Sozialdemokraten in der EU verfügten "immer noch über Instrumente, unterschiedliche Interessengruppen wieder an sich zu binden und so wieder mehrheitsfähig zu werden".

Während die dänischen und britischen Sozialdemokraten im europäischen Vergleich laut Studie besonders nahe bei den Stimmungen und Erwartungen der Bevölkerung sind, trifft dies auf die SPD nicht zu. Im Mittelfeld sortiert die Untersuchung die Mitte-Links-Parteien Schwedens, Polens, Frankreichs und der Niederlande ein.

"Weitreichende Entfremdung" sozial schwächerer SPD-Wähler

"Die SPD liegt in den meisten Bereichen abseits von dem, was die Bürger erwarten - und erst recht abseits von dem, was sozial schwächere Bürger von ihr erwarten", sagte Hilmer. Ähnliche Ergebnisse gelten auch für die Schwesterpartei in Österreich. Die Orientierung an Leistungsgerechtigkeit und die Durchsetzung von Regeln seien für Wähler besonders wichtig, die die SPD erreichen könne. "Aber die Bürger haben massive Zweifel, ob die SPD zu diesen Zielen steht - ihr Profil ist da für viele nicht erkennbar", meinte der Meinungsforscher.

Besonders schlimm steht es um die Zuversicht sozial schwächerer Wahlberechtigter, dass die SPD die Werte und Grundsätze vertritt, die ihnen selbst wichtig sind. Diesen missfällt auch laut Studie auch "klar linkslibertäre Angebot der SPD und kulturellen und internationalen Bereich" noch stärker als anderen Bürgern. Zwischen der SPD und vielen ihrer ehemaligen Traditions- oder Stammwähler aus der unteren Gesellschaftsmitte gebe es eine "weitreichende Entfremdung". Die SPD laufe deshalb Gefahr, dass ihre schwindende Wählerschaft sich immer mehr verenge und sie am Ende nur noch bessergestellte und zufriedene gesellschaftliche Gruppen erreiche. "Dann könnte sie ihre Aufgabe als Partei des Ausgleichs nicht mehr erfüllen", warnte Hilmer.

Die dänischen Sozialdemokraten hatten mit einer linken Sozialpolitik und einem strikten Kurs bei Migrationsfragen ihre rechtspopulistische Konkurrenz bei den vor kurzem abgehaltenen Wahlen mehr als halbiert und führen nun die neue Regierung in Kopenhagen. Führende SPD-Vertreter wie Vizekanzler Olaf Scholz und Parteivize Ralf Stegner warnen trotzdem davor, von den Dänen zu lernen. "Es hilft der SPD überhaupt nichts, wenn ihre Vertreter nun die Migrationspolitik der dänischen Sozialdemokraten moralisch verurteilen", sagte Hilmer.

Einsicht für die Problem bei den Sozialdemokraten wächst

Damit werde die Partei verlorene Wähler nicht zurückholen: "Es geht nicht darum, die Grenzen zu schließen, sondern Humanität mit der notwendigen Härte zu verbinden und zu dieser Politik zu stehen." Schließlich seien die Kosten der Zuwanderung ungerecht verteilt, weil etwa für Leute mit geringerem Einkommen die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt deutlich größer werde.

Trotz der großen Distanz der SPD zu ihren potenziellen Wählern zeigte sich der Meinungsforscher optimistisch. Die Zahl der Sozialdemokraten nehme zu, "die die schweren Defizite ihrer Partei sehen und gewillt sind, Konsequenzen daraus zu ziehen". Für die Studie mit dem Titel "Wo genau ist Mitte-Links?" wurden jeweils 1000 Wahlberechtigte in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Polen und Schweden befragt.

Die Studie ist zu finden unter diesem Link: https://www.fes.de/internationale-politikanalyse/artikelseite-ipa/wo-genau-ist-mitte-links?fbclid=IwAR0DEY-xopBtxRUyJ0gbQ2l2dL348csVs6k_sUtQfB-WweG2_B_lKdVY0VQ

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