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Kanzler Merz hält seine Entscheidung weiter für richtig (Archivbild).

© dpa/Michael Kappeler

Update

Merz warnt vor „hunderttausenden Opfern“: Kanzler will Israel-Kurs halten und verteidigt Waffenembargo

Friedrich Merz hat mit seiner Israel-Politik heftigen Protest in den eigenen Reihen ausgelöst. Jetzt erklärt er sich öffentlich. Zuvor hatte man sich auch im Kanzleramt um Schadensbegrenzung bemüht.

Stand:

Nach massiver Kritik aus den eigenen Reihen hat Bundeskanzler Friedrich Merz am Sonntag seine Entscheidung verteidigt, keine Waffenlieferungen mehr für Israel zu genehmigen, die in Gaza eingesetzt werden könnten. In einem ARD-Interview widersprach der Kanzler der Lesart, es handele sich dabei um einen Kurswechsel.

„Die Grundsätze der deutschen Israelpolitik sind unverändert“, sagte der CDU-Vorsitzende und fügte an: „Wir werden diesem Land auch weiter helfen, sich zu verteidigen.“ Deutschland will weiter Rüstungsgüter für die Luft- und Seeverteidigung exportieren. Allerdings könne die Bundesregierung nicht Waffen in einen Konflikt liefern, der „Hunderttausende zivile Opfer“ fordern könnte.

Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Merz sprach von einem „Dissens mit der israelischen Regierung“. Eine Freundschaft müsse kritische Töne aushalten. „Solidarität mit Israel bedeutet nicht, dass wir jede Entscheidung, die eine Regierung trifft, für gut halten und ihr dabei auch noch Unterstützung zukommen lassen bis hin zu militärischer Unterstützung durch Waffen.“

In der CSU löste der Entschluss des Kanzlers am Wochenende nicht nur aufgrund des Inhalts heftige Kritik aus. Landesgruppenchef Alexander Hoffmann monierte öffentlich, man sei nicht in die Entscheidung eingebunden worden. Laut „Bild“-Zeitung soll auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder übergangen worden sein.

CSU fühlt sich übergangen

Der Bundeskanzler widersprach der Darstellung, kurzfristig und ohne Abstimmung gehandelt zu haben. „Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss“, sagte Merz. „Und ich verantworte sie auch allein.“ Er könne sie nicht zur demokratischen Abstimmung stellen. Vom steigenden öffentlichen Druck habe er sich bei seiner Entscheidungsfindung weniger beeindrucken lassen als von seinem eigenen Urteil sowie dem seiner Berater. 

In einer digitalen Sondersitzung am Sonntagnachmittag hat der sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzler Friedrich Merz Außenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die aktuellen Entwicklungen der Israelpolitik informiert. CSU-Landesgruppenchef Hoffmann hatte am Samstag Gesprächsbedarf angemeldet. Aus Regierungskreisen hieß es, das Angebot für ein Treffen habe man bereits am Freitag ausgesprochen.

Erklärungspapier aus dem Kanzleramt

Ebenfalls am Sonntag hat das Kanzleramt ein dreiseitiges Papier veröffentlicht, in dem es die Hintergründe der Merz-Entscheidung erläutert. Es war zunächst an den Bundesvorstand der CDU verschickt worden.

Darin heißt es, die Operation Netanjahus riskiere die Sicherheit der Geiseln; Zivilisten in Gaza drohe eine Verschlechterung der humanitären Lage. Zudem sei unklar, ob durch die Einnahme von Gaza-Stadt die Chancen auf einen Waffenstillstands-Deal mit der Hamas steigen.

Im Kanzleramt begründet man den neuen israelpolitischen Kurs auch mit den Anti-Israel-Demos in Deutschland. „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen“, heißt es in dem Papier. Mehrere CDU-Politiker halten das für eine Täter-Opfer-Umkehr.

Rückendeckung kam dagegen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der Kanzler habe immer klargemacht, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe, teilte der CDU-Politiker mit. „Die Solidarität mit Israel umfasst für uns auch das Recht auf Verteidigung und Sicherheit des Landes und seiner Bürger.“ 

Zugleich habe Merz immer auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit hingewiesen. „Es ist falsch, diese Position als mangelnde Solidarität darzustellen. Solidarität und Verhältnismäßigkeit schließen sich nicht aus – beides gehört zusammen“, betonte Kretschmer. 

Netanjahu sieht öffentlichen Druck als Grund für Merz’ Waffenstopp

Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte am Sonntag, an seinem Plan für die Eroberung von Gaza-Stadt festhalten zu wollen. Das seit der einzig mögliche Weg zum Frieden. Außerdem kündigte er eine Offensive auf zwei verbliebene Hochburgen der Hamas an.

Die Entscheidung von Friedrich Merz, keine Waffen nach Israel zu liefern, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, beruht nach Worten von Netanjahu auf öffentlichem Druck. Merz sei ein guter Freund Israels, der „unter dem Druck falscher Fernsehberichte“ eingeknickt sei, sagte Netanjahu am Sonntag vor ausländischen Pressevertretern in Jerusalem.

Auch viele europäische Staats- und Regierungschefs würden ihm gegenüber sagen, dass er recht habe, sie sich aber „nicht gegen die öffentliche Meinung in unserem Land stellen“ könnten, so Netanjahu. Erneut beklagte er internationale Kampagnen gegen Israel, „fast so, wie das jüdische Volk im Mittelalter verleumdet wurde“. (mit KNA)

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