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Zum Fastenbrechen ließ Israel die Palästinenser ausnahmsweise an den Strand von Tel Aviv.
© dapd

Spannungen zwischen Iran und Israel: „Wir wollen lieber ans Meer“

Palästinenser in den besetzten Gebieten halten nichts von einem Krieg zwischen Israel und dem Iran. Selbst die Hamas rückt von Teheran ab.

Am letzten Tag des Ramadan machten die Israelis 130 000 Menschen ein außergewöhnliches Geschenk. Normalerweise ist es Palästinensern aus dem Westjordanland und Gaza untersagt, nach Israel einzureisen. Doch für das Fest des Fastenbrechens, Id-el-Fitr, erteilten die Behörden in Jerusalem eintägige Ausnahmegenehmigungen für den Grenzübertritt. Die meisten Palästinenser packten vor einigen Tagen die Gelegenheit beim Schopf, luden Badelaken und Sprösslinge in ihre Autos und reisten nach Tel Aviv ans Meer.

Mohammed Ismail ist mit seiner ganzen Familie aus Ramallah gekommen. Während seine Frau im Sand über die Kinder wacht, vergnügt sich der Bauarbeiter in den Wellen. „Es ist wundervoll“, sagt er und spritzt voll Übermut Wasser auf seine Söhne, „meine Kinder sehen das Meer heute zum ersten Mal“. Eigentlich möchte Ismail an diesem Ausflugstag lieber nicht über Politik diskutieren, schon gar nicht über Krieg. Doch dann will er doch noch etwas loswerden: „Ein Krieg gegen den Iran wäre für die Israelis und für uns Wahnsinn. Wir wollen keinen Kampf, sondern ein normales Leben, die Wirtschaft auf Vordermann bringen und unsere Familien ernähren.“

Sein Strandnachbar, der in Dschenin im Westjordanland zu Hause ist, pflichtet Mohammed Ismail bei. „Die Palästinenser könnten das in keiner Weise kontrollieren, wären aber trotzdem mittendrin.“ Spricht es und sprintet in die Fluten. Dann dreht er sich noch einmal kurz um und ruft: „Außerdem wollen wir lieber ans Meer als in den Krieg.“

Mit diesem Wunsch steht der Palästinenser nicht allein. Auch in den Köpfen der meisten Israelis dreht sich in diesen glutheißen Augusttagen alles um Abkühlung, die Vorbereitungen auf das neue Schuljahr – und einen eventuellen Militärschlag ihres Landes gegen Irans Atomanlagen. Immer wieder wird über die markigen Worte ihrer politischen Führung, insbesondere von Premier Benjamin Netanjahu, debattiert. Das gilt gleichermaßen für die arabische Bevölkerung in Israel und den palästinensischen Gebieten. Denn die Nachrichten aus Jerusalem sind längst auch in Ramallah, Bethlehem und Gaza angekommen.

Jeden Abend, wenn die schlimmste Hitze des Tages vorbei ist, drängen Jung und Alt auf die Straßen der palästinensischen Städte, wo Händler mit Obst, duftenden Backwaren und eisgekühlten Getränken um Kunden buhlen. In den traditionellen arabischen Cafés diskutieren die Männer über die Tagespolitik. Zu der gehört an erster Stelle Israels Konflikt mit dem Iran. Während beim Golfkrieg von 1990/91 noch Teile der Palästinenser die Raketen des irakischen Diktators Saddam Hussein auf Tel Aviv von ihren Häuserdächern aus bejubelten, wollen die meisten jetzt keine militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran vor ihrer Türschwelle erleben. Das gilt auch für die politische Führung.

Vor wenigen Tagen sagte zum Beispiel Nabil Schaath, Beauftragter der Fatah für internationale Angelegenheiten: Israels Regierungschef Netanjahu benutze das Thema Iran lediglich, um sowohl seine Landsleute als auch die Welt vom Palästina-Konflikt abzulenken. „Wir sorgen uns, dass ein sogenannter Präventivschlag auch uns zerstören könnte. Wir werden in ein Schlachthaus gezerrt, ohne eine Wahl zu haben“, fürchtet Schaath. Teherans Drohungen, die Israel als existenziell einstuft, misst er indes kaum Bedeutung bei: „Ich habe Angst vor jedem Land, das Waffen entwickelt, die gegen mein Land eingesetzt werden können. Doch warum sollte ich weniger Angst vor einer israelischen Bombe haben? Die ist Realität, die iranische lediglich eine Eventualität.“

Sogar die radikal-islamische Hamas, die im Gazastreifen regiert, äußert sich bei dem Thema ziemlich zurückhaltend. Man wolle sich aus einem möglichen Konflikt heraushalten, sagte ein führendes Mitglied der Organisation, Achmed Jussef, der Deutschen Presseagentur. „Der Iran ist ein Land, das sehr wohl selbst antworten kann und keine Hilfe Dritter benötigt. Hamas unterhält keine militärischen Allianzen.“ Möglicherweise hat sich die enge Verbindung der Organisation zum Regime in Teheran nach dem Rückzug der Hamas-Führungsriege aus Syrien ohnehin stark abgekühlt.

Dass der Iran im Ernstfall auf einen wie auch immer gearteten militärischen Beistand der Palästinenser zählen könnte, ist also mehr als fraglich. Das sieht auch Mehdi al Massri so, der an diesem außergewöhnlich heißen Tag seinen Kebab statt im Vorgarten seines Hauses in Nablus lieber am Strand von Tel Aviv brät. „Es stimmt, dass wir Muslime zusammenhalten müssen. Aber es gibt schon mehr als genug Probleme hier bei uns zu Haus“, sagt er. „Und was haben wir schon mit dem Iran zu tun?“

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