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Plötzlich mächtig. Die Vorsitzenden der Bundestagsgruppe der Partei Die Linke, Heidi Reichinnek (r.) und Sören Pellmann, am Montag in Berlin.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Vom kleinen Trupp zum Machtfaktor: Wird die Linke zur letzten Option für das „Deutschlandpaket“?

Mit dem Nein der Grünen zu den Plänen von Union und SPD liegt der Fokus auf den Linken. Die zeigen sich zwar offen, stellen die möglichen Koalitionäre aber vor ein gewichtiges Problem.

Stand:

Im alten Bundestag nur ein kleiner Trupp, im neuen ein echter Machtfaktor. Gegen mehr Geld für Verteidigung, aber für eine Abschaffung der Schuldenbremse: Die Linke sitzt in diesen Tagen zwischen ziemlich vielen Stühlen.

Sie versucht nun auf dem Rechtsweg, in dieser unübersichtlichen Gefechtslage ihre Position zu verbessern. Am Montag teilten die Fraktionsvorsitzenden Sören Pellmann und Heidi Reichinnek mit, vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht zu haben.

Das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl ist für Freitag angekündigt. Die Linke argumentiert, dann müsse der neue Bundestag einberufen werden, sonst seien dessen Abgeordnete in ihrem Recht, an der Gesetzgebung mitzuwirken, und im Recht auf Ausschöpfung der Legislaturperiode verletzt.

Das Grundgesetz stelle die Einberufung eines neuen Bundestags nicht ins Belieben der Akteure. Dass das Parlament dem Wortlaut der Verfassung nach spätestens nach 30 Tagen zusammentreten müsse, zeige, „dass er so bald wie möglich zusammentreten soll“. Eine weitere Klage gegen die konkreten Gesetzentwürfe behalten die Linken sich vor. Das, was sich derzeit im politischen Betrieb abspielt, bezeichnete Reichinnek als „Aneinanderreihung von Taschenspielertricks“.

Gespräche? Davon will der CDU-Generalsekretär nichts hören

Was von den rechtlichen Argumenten zu halten ist, wird Karlsruhe zu entscheiden haben. Wie aber positioniert sich die Linke politisch?

Mit SPD und Grünen ist man im Gespräch, immerhin. Sie würde sich Gesprächsangebote auch von anderen demokratischen Fraktionen wünschen, sagte Reichinnek.

Am Morgen hatte aber CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Konrad-Adenauer-Haus versucht, dieses Thema gar nicht erst aufkommen zu lassen. Gespräche mit den Linken? Linnemann hielt kurz inne und antwortete auf eine andere Frage. Auch eine Stellungnahme.

Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann über Gespräche mit der Linken

Schließlich sind die Interessenlagen grundverschieden. In Sachen Schulden genauso wie bei der Verteidigung.

Union und SPD wollen durch Schulden Deutschlands Wehrfähigkeit sichern und die Ukraine weiter unterstützen. Für die Linkspartei hingegen ist jeder Euro, der für Waffen für die Ukraine ausgegeben wird, ein Euro zu viel.

Die Linke hofft, so formulierte es Reichinnek, dass die Grünen sich nicht doch noch auf einen „dreckigen Deal“ einlassen. Was also, wenn im alten Bundestag tatsächlich keine Grundgesetzänderung mehr zustande kommt? Dann wäre die Frage, ob die Linke im neuen Parlament bei einer Abschaffung der Schuldenbremse auch mitmacht, wenn dadurch die Verteidigungsausgaben wachsen können.

Reichinnek zeigte sich in dieser Frage geschmeidig. Sie sprach von einer „allgemeinen“ Reform der Schuldenbremse, es dürfe nicht nur um Teilbereiche gehen. Wie genau die neuen finanziellen Spielräume genutzt würden, „entscheidet der Bundestag über den Haushalt“. Mit der Linkspartei geht also ziemlich viel – aber nur im neuen Parlament.

Auch die Grünen bringen die Linkspartei ins Spiel

In diese Richtung denken auch die Grünen. Sie wolle Union und SPD explizit ans Herz legen, auch mit der Linken zu sprechen, sagte die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, am Montagmittag mit leichter Süffisanz. Dann könne man ja im nächsten Bundestag bequem die Schuldenbremse reformieren.

Kurz zuvor hatte sie zusammen mit der restlichen Partei- und Fraktionsspitze das Nein zu den derzeitigen Plänen von Union und SPD angekündigt. Ein Nein, von dem noch unklar ist, wie ernst die Grünen es meinen.

Womöglich folgenschweres Nein. Fraktionschefin Britta Haßelmann (M.) mit der Parteispitze der Grünen am Montag im Bundestag.

© dpa/Kay Nietfeld

Klar ist aber, dass das ganz besonders die Union in Nöte bringt: Die kann kaum mit der Linken gemeinsame Sache machen – zumindest nicht, ohne sich noch weiter zu verbiegen. Schließlich gibt es auch noch den Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der Linken untersagt.

Doch sollte – politisch oder rechtlich – im alten Bundestag nichts mehr zu erreichen sein, hätte die Linke alle Trümpfe in der Hand. Denn Linke und AfD haben im neuen Bundestag zusammen eine Sperrminorität. Wer die Verfassung ändern will, braucht also die Stimmen von einer dieser beiden Fraktionen.

Das könnte eine Zustimmung für Union und SPD sehr teuer machen. Aber das lässt sich auch freundlicher formulieren. „Unsere Hand ist ausgestreckt“, sagte Heidi Reichinnek.

CDU-Generalsekretär Linnemann würde darauf nur höchst ungern zurückkommen. Als er am Montag ein zweites Mal auf mögliche Gespräche mit der Linken angesprochen wird, wich er aber nicht aus. Diesmal hielt er nicht inne, sondern antwortete: „Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.“ Man könnte auch sagen: Er hofft.

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