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Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm wird seit 2011 gebaut. Er ist seit Jahren umstritten.

© AFP/ Eduardo Soteras

Der globale Mangel wächst: Wo Wasserkrisen zu Konflikten führen

Durch den Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung wird Wasser immer knapper. Wo drohen Engpässe – und wo die Konflikte der Zukunft?

Im Westen von Äthiopien, abgelegen im Hochland von Benishangul Gumuz, lässt sich erahnen, welche Folgen der Klimawandel sehr bald haben könnte. Hier, rund 10 Kilometer von der Grenze des Sudans entfernt, entsteht der größte Staudamm Afrikas. Über 1800 Meter zieht sich die Staumauer, die bald 145 Meter hoch sein wird. 74 Milliarden Kubikmeter Wasser soll der Stausee fassen. Seit Jahren streiten Äthiopien, Ägypten und der Sudan um die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre am Nil.

Während Äthiopien Strom erzeugen will, fürchten die Anrainer um ihre Wasserversorgung. Unzählige Verhandlungsrunden, begleitet von der Afrikanischen Union und der UN, brachten keinen Erfolg. Das ist heikel. Denn schon vor Jahren hat Ägypten mit der Bombardierung des Staudamms gedroht – und Äthiopien staute im Juli erstmals Wasser an.

Was sich am Horn von Afrika ereignet, ist kein Einzelfall. Streit oder gar Kriege um Wasser hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Doch der Klimawandel lässt das Wasser knappen werden. Die Zahl der Hitze- und Dürrewellen nimmt rasant zu. In manchen Regionen in Afrika und Asien, wo die Menschen schon heute mit der Knappheit ihrer Wasserressourcen kämpfen, drohen drastische Veränderungen. 2,2 Milliarden Menschen fehlt laut den Vereinten Nationen Zugang zu sauberem Trinkwasser, sogar 4,2 Milliarden Menschen der zu sauberen Sanitäranlagen. Die Versorgung mit Frischwasser wird wohl eine der schwierigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Die drohende Wasserknappheit erzeugt aber nicht nur humanitäre Probleme. Der Wettkampf um das knappe Wasser wird zunehmen, heißt es in einer Studie des „Joint Research Center“, einer Denkfabrik der Europäischen Union. Das Wassermanagement könnte regionale Spannungen verschärfen, Instabilitäten und soziale Verwerfungen verursachen. Immerhin 70 Prozent des benötigten Wassers fließen in die Nahrungsproduktion. Christoph Heusgen, deutscher UN-Botschafter und lange außenpolitischer Berater der Bundeskanzlerin, nannte den Klimawandel zuletzt das „alles überwölbende“ Problem, ein Risiko für die Welt. Drohen uns bald Kriege um die lebenswichtige Ressource?

Die Warnungen der Experten

Johann Rockström forscht seit 25 Jahren zu den globalen Wasserressourcen und deren Management. Seit September 2018 ist er einer der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Die globale Wasserknappheit wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen“, sagt er. Die Weltbevölkerung wachse rasant, der Bedarf an Wasser folglich auch.

Bis 2050 werde die Hälfte der Weltbevölkerung unter „Wasserstress“ leiden. Und: „Wenn man den Klimawandel hinzudenkt, wird die Wasserknappheit noch drastischer ausfallen.“ In Regionen wie dem Süden Afrikas, dem mittleren Osten, Mittelamerika und Südeuropa könnte es bei einer Erwärmung um zwei Grad bereits 20 bis 25 Prozent weniger regnen. „So wird es schwer Ernteerträge zu halten, die Ernährungsunsicherheit wird zunehmen.“

Johan Rockström ist seit September 2018 einer der Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Johan Rockström ist seit September 2018 einer der Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

© PIK/ Kliese de Souza

„Politiker werden immer öfter auch die Sicherheitsaspekte der Klimawandelfolgen mitdenken müssen“, sagt Rockström. Zwar gebe es keinen Beweis, dass allein Wasserknappheit zu kriegerischen Konflikten führe. Doch: „Welche Konflikte und Spannungen in Zukunft um Spannungen entstehen werden, ist ungewiss.“ Zu denken gibt etwa, dass dem Beginn des arabischen Frühlings fünf extrem trockene Jahre vorausgingen – vor allem in Syrien, wo die vielleicht trockensten Jahre zu beobachten waren, seit dort vor 8000 Jahren die bewässerte Landwirtschaft eingeführt wurde. Da sei aber auch die Sahel-Region oder der Himalaya. Schmelze dort das Eis, betreffe das die Wasserversorgung der ganzen Region.

Die Engpässe an Euphrat und Tigris

Wie nah das Problem rückt, zeigt ein Blick in die Türkei. Viele tausend Jahre Geschichte konnten Hasankeyf nichts anhaben. Die Stadt in Südostanatolien ist eine der ältesten Siedlungen des Zweistromlandes, die nun in einer Talsperre versinkt. Seit dem vergangenen Herbst staut die Türkei mit dem gigantischen Ilisu-Damm den Tigris an. Tausende Menschen wurden umgesiedelt, hunderte Dörfer fallen ihm zum Opfer. Es ist nur einer von zahlreichen Staudämmen, die das Land im vergangenen Jahrzehnt an Euphrat und Tigris fertiggestellt hat. Flussabwärts, im Irak, sorgt das für Ärger. Nach Protesten aus Bagdad hatte Ankara zwischenzeitlich die Auffüllung des Stausees wieder gestoppt und zugestanden, eine Mindestmenge an Wasser durchfließen zu lassen.

Hasankeyf, eine Stadt mit langer Geschichte, hier im Jahr 2010, versinkt im Stausee.
Hasankeyf, eine Stadt mit langer Geschichte, hier im Jahr 2010, versinkt im Stausee.

© AFP/ Bulent Kilic

Für Probleme sorgen die Staudämme in Anatolien auch in Syrien. Dort wurde zuletzt in einer Hitzewelle das Wasser des Euphrat knapp, weil es an den Dämmen flussaufwärts gestaut wurde – in der Türkei, wo der Fluss seinen Ursprung hat. Weiter südlich, wo das Wasser an der syrischen Tischrin-Talsperre, der zweitgrößten des Landes, gestaut wird, wurde nur ein Bruchteil des Stroms produziert. Viele Menschen in der Region leben dort von der Landwirtschaft und vom Fischfang.

Die Haltung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat das Potenzial für klimabedingte Konflikte längst erkannt. „Der Klimawandel ist längst nicht mehr nur eine ökologische Herausforderung für die Menschheit“, warnte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im vergangenen Jahr in einer UN-Debatte. „Er ist immer öfter eine Frage von Krieg und Frieden.“ Klar ist: Die Bundesregierung will Aufmerksamkeit auf den Klimawandel und seine Sicherheitsaspekte lenken. Und ginge es nach Maas, würde der Sicherheitsrat von einem Krisenreaktionsgremium zu einem Krisenpräventionsgremium werden – es bräuchte nur deutlich mehr.

Im UN-Sicherheitsrat waren die politischen Auswirkungen des Klimawandels seit 2007 immer wieder Thema. Mehrere Resolutionen wurden beschlossen, 2017 etwa zur Sicherheitslage im Tschadsee-Becken, die die negativen Folgen des Klimawandels für die Stabilität der Region, auch durch Wasserknappheit, Dürre, Wüstenbildung, Bodendegradation und Ernährungsunsicherheit thematisiert. Als die Bundesregierung im Juli 2020 den Vorsitz im Gremium hatte, scheiterte sie mit einer schon ausgearbeiteten Resolution. Sie sollte einen Mechanismus schaffen, um frühzeitig klimabedingte poten­zielle bewaffnete Konflikte zu erkennen. Sie scheiterte am Widerstand der USA.

Die Konflikte in der Sahelzone

Zwei Jungen vom Volk der Turkana laufen über ausgetrockneten Boden in der Nähe ihres Dorfes Gakong in Kenia.
Zwei Jungen vom Volk der Turkana laufen über ausgetrockneten Boden in der Nähe ihres Dorfes Gakong in Kenia.

© dpa/ Stephen Morrison

Dabei sind die Probleme offenkundig. Etwa in der Sahelzone. In Nigeria, einem Land mit fast 200 Millionen Einwohnern, dessen Bevölkerung stetig wächst, tragen schon heute Nomaden und Bauern mitunter blutige Kämpfe um Weide- und Ackerland aus. Auch im benachbarten Tschad, in Niger oder in Kamerun verstärkt der Klimawandel das Zusammenspiel von Naturkatastrophen und Krankheiten noch. Doch ob Sahelzone, am Horn von Afrika oder im „Trockenkorridor Zentralamerikas: Dass die die Wasserknappheit das Risiko von Konflikten erhöhen wird, ist für Gernot Laganda, den Leiter der Klima- und Katastrophenpräventionsabteilung im Welternährungsprogramm (WFP) der UN, klar zu erkennen.

„Konflikte, wie geladen auch immer, lassen sich aber nicht durch klimatische Faktoren allein erklären. Politische, ökonomische oder soziale Spannungen sind immer bereits vorhanden und spielen eine wichtige Rolle“, sagt er.

Grafiken des WFP zeigen, wie Proteste und Unruhen, Gewalt gegen Zivilisten oder bewaffnete Konflikte vor allem dort in Erscheinung treten, wo es an Nahrung fehlt – oder an Regen. Das Auftreten dieser Konfliktfälle zieht sich wie ein Faden die Sahelzone entlang, durch Länder wie Mali, Burkina Faso, Tschad und Nigeria. In einigen Gebieten, auch in der Sahel-Region, prognostizieren Klimamodelle eine durchschnittliche Zunahme von Regen. Doch wenn er seltener auftrete, aber dann als extremer Starkregen fällt, verstärke dies Erosion, Ernteausfälle und den Verlust von Infrastruktur durch Überschwemmungen, so Laganda.

„Diese Muster sehen wir auf allen Kontinenten.“ Er sagt ebenso: „Man kann den Kampf gegen den Wassermangel natürlich auch als ein gemeinschaftliches Ziel definieren, was politische Konflikte auf lokaler Ebene entschärfen kann.“ Die Lösungen für solche Probleme seien regionale, grenzüberschreitende Ansätze, mit denen man versuche, die Entwicklung solcher Flusssysteme nachhaltiger zu gestalten.

Männer arbeiten auf einem Feld in der Nähe von Maradi/Niger.
Männer arbeiten auf einem Feld in der Nähe von Maradi/Niger.

© dpa/ Carola Frentzen

Die Möglichkeiten der Diplomatie

Wie schwer eine Einigung sein kann, zeigt der Blick nach Äthiopien. Seit 2011 wird an der Talsperre gearbeitet, immer war sie umstritten. Viele Jahre vergingen, ohne dass eine Einigung erzielt wurde. Während Addis Abeba nie einen Zweifel daran ließ, mit dem Aufstauen des Flusses auch ohne Einigung zu beginnen, fordern Ägypten und der Sudan eine Einigung.

Dass eine Vermittlung klappen kann, zeigt der Blick noch weiter zurück. Auf Drängen der Weltbank führten Indien und Pakistan ab 1951 Verhandlungen über die Nutzung des Indus-Wassers, ein Verteilungskonflikt, der bis in die Kolonialzeit zurückreichte. 1960 erst schlossen die verfeindeten Atommächte einen Vertrag, der trotz aller Spannungen bis in die Gegenwart hält. Er regelt die Nutzung des Stroms und seiner Nebenflüsse, den Informationsaustausch und Kooperationsmechanismen.

Eine Kommission beider Staaten regelt Differenzen – es ist eine der robustesten Vereinbarungen zu der Ressource weltweit. „Die Diplomatie um Wasser wird erheblich bedeutender werden“ sagt Rockström. „Das nutzbare Wasser ist begrenzt. Das Wassermanagement wird also entscheidend sein.“

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