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Zurückweisungen, Klimaneutralität, Israel: Das waren Merz’ wichtigste Aussagen in der Regierungsbefragung
Der Alleingang bei den Zurückweisungen, die Vorwürfe gegen Spahn, der Ärger um die „Zirkuszelt-Aussage“: Merz hat im Bundestag zu vielen kritischen Themen Stellung bezogen.
Stand:
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich am Mittwoch einer Regierungsbefragung im Bundestag gestellt. Das waren die wichtigsten Punkte:
Zurückweisungen an den Grenzen
Merz hat ein Ende des rechtlich infrage stehenden Vorgehens an den deutschen Grenzen in Aussicht gestellt. „Wir werden nicht auf Dauer in diesem Modus der Zurückweisungen arbeiten können“, sagte Merz am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag.
Wir werden nicht auf Dauer in diesem Modus der Zurückweisungen arbeiten können.
Kanzler Friedrich Merz
Die Bundesregierung wolle das nicht, „auch der Bundesinnenminister nicht“, sagte Merz im Bundestag. Vielmehr wolle man zu gemeinsamen europäischen Lösungen kommen. Ähnlich äußerte sich Merz bereits in seiner Rede am Vormittag.
„Wir müssen uns dieser illegalen Migration gemeinsam erwehren“, sagte Merz auf eine Frage des Abgeordneten Konstantin von Notz (Grüne). Das bedeute „gemeinsam in Europa“.
Der Grünen-Politiker hatte Merz mit dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts konfrontiert, das die von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordneten Zurückweisungen Schutzsuchender an den deutschen Grenzen als rechtswidrig beurteilt hat. Die europäische Dublin-Regelung sieht Zurückweisungen nicht vor, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei Asylgesuchen zumindest zu prüfen, welches Land zuständig ist.
Auch andere Mitgliedstaaten würden zu diesem Instrument greifen, verteidigte Merz die anhaltende Praxis an der Grenze, sagte zugleich aber auch, das sei eine „Übergangslösung“.
Er begrüßte, dass Polen seit dieser Woche neben der Grenze zu Belarus auch die zu Litauen stärker kontrolliert. Man müsse einen Weg finden, damit nicht „Migration als Waffe“ eingesetzt werde, sagte Merz.
Innenminister Dobrindt hatte sich bereits zu Amtsbeginn dafür ausgesprochen, beim erst im vergangenen Jahr beschlossenen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) auf Veränderungen hinzuwirken.
Am Freitag nächster Woche will er sich mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien auf der Zugspitze treffen, um über das Ziel einer „härteren“ europäischen Migrationspolitik zu beraten.
Merz zu deutscher Klimaneutralität
Der Bundeskanzler hat vor zu hohen Erwartungen an die Folgen einer vorzeitigen deutschen Klimaneutralität gewarnt. „Selbst wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland, würde keine einzige Klimakatastrophe auf der Welt weniger geschehen, würde kein einziger Waldbrand weniger geschehen, würde keine einzige Überschwemmung in Texas weniger geschehen“, sagte Merz.
Selbst wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland, würde keine einzige Klimakatastrophe auf der Welt weniger geschehen, würde kein einziger Waldbrand weniger geschehen, würde keine einzige Überschwemmung in Texas weniger geschehen.
Kanzler Friedrich Merz
Der Bundeskanzler sprach damit die jüngsten Waldbrände etwa in Thüringen und Sachsen und die Flutkatastrophe in Texas mit mehr als 100 Toten an. Merz verwies darauf, dass Deutschland nur rund ein Prozent der Weltbevölkerung repräsentiere und rund zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen verursache.
Merz bekannte sich aber explizit zu den Pariser Klimazielen, mit denen die globale Erwärmung auf 1,5 bis zwei Grad im Vergleich zu vorindustriellen Werten begrenzt werden soll. „Wir stehen zu diesen internationalen Verpflichtungen“, stellte Merz klar. „Auch an dieser Stelle werden wir den Koalitionsvertrag einhalten“, fuhr Merz fort. Darin setzt sich die Bundesregierung weiter das Ziel, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein.
Die Klimaneutralität dürfe aber nicht mit einer „Deindustrialisierung unseres Landes“ einhergehen, betonte Merz im Bundestag. „Wir wollen Klimaschutz und Industriestandort miteinander verbinden.“
Merz nahm mit seinen Ausführugen Stellung zu der Kritik unter anderem der Grünen, dass seine Bundesregierung den Klimaschutz nicht wichtig genug nehme. Kritik an Merz’ Äußerungen kam am Mittwoch aber auch aus dem Lager der schwarz-roten Regierung.
„Damit kann kein Wissenschaftlicher einverstanden sein“, schrieb der ehemalige SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Online-Dienst X. „Mit dieser Argumentation könnten hunderte Länder den Klimaschutz sofort beenden.“
Merz zum Vorwurf der Queerfeindlichkeit
Nach dem Wirbel um seine „Zirkuszelt“-Äußerung hat Merz den Vorwurf der Queerfeindlichkeit zurückgewiesen. „Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen“, sagte Merz am Mittwoch im Bundestag. Er fügte hinzu: „Ich stehe auch persönlich dafür ein, dass das so ist.“
Derzeit seien sexuelle Minderheiten in Deutschland „vielfältigen Bedrohungen“ ausgesetzt. Das dürfe so nicht bleiben, betonte der Kanzler.
Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Kanzler Friedrich Merz
Merz hatte sich vergangene Woche hinter die Entscheidung seiner Parteikollegin und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gestellt, in diesem Jahr beim Christopher Street Day nicht die Regenbogenfahne auf dem Bundestag zu hissen. Der Bundestag sei „ja nun kein Zirkuszelt“, auf dem beliebig die Fahnen gehisst werden könnten, sagte er.
Die Regenbogenflagge gilt als Symbol des Kampfs sexueller Minderheiten um Respekt und Gleichberechtigung. Dass Merz einen Zusammenhang mit einem Zirkuszelt herstellte, brachte ihm scharfe Kritik ein - etwa von Linken, Grünen, der SPD und zivilgesellschaftlichen Verbänden, die die Äußerung als abwertend kritisierten. Der Begriff „queer“ bezeichnet Menschen mit einer Identität jenseits der heterosexuellen Norm.
Merz sagte nun im Bundestag zu, seine Regierung werde „alles tun, um die Bedrohungen dieser Menschen auch abzuwenden“. Diese Bedrohungen seien „keine Kavaliersdelikte, und das ist ungeeignet für billige Witzchen“, betonte er. „Das sind Dinge, die den Lebensalltag dieser Menschen betreffen.“
Maskenaffäre: Merz stellt sich hinter Spahn
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellt sich angesichts von Vorwürfen wegen teurer Maskenbeschaffungen in der Corona-Krise hinter den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Ich habe keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussagen und seiner Bewertung dieser Vorgänge“, sagte Merz. Er verwies darauf, dass man die Vorgänge heute mit leichter Hand aus der Rückschau anders beurteilen könne als damals in der Krisensituation, als schnell gehandelt werden musste.
Merz bekräftigte zudem seine Kritik an der vom Gesundheitsministerium 2024 eingesetzten Sonderermittlerin Margaretha Sudhof. „Wenn sie wirklich darum bemüht gewesen wäre, einen Bericht zu verfassen, der alle Seiten betrachtet, dann hätte sie wenigstens auch einmal die Gelegenheit genommen, mit Jens Spahn über diese Themen zu sprechen.“ Spahn, der heute Unionsfraktionschef ist, weist Kritik der Opposition an seinem Vorgehen als Minister zurück.
Der Kanzler bejahte eine Frage aus der Linke-Fraktion, ob er an einer früher geäußerten Einschätzung einer parteipolitischen Motivation Sudhofs festhalte. Auf die Nachfrage, ob er den Bericht der Sonderermittlerin überhaupt persönlich gelesen habe, sagte Merz: „Ich habe den Bericht gelesen und habe an meiner Bewertung dazu nichts zu ändern.“
Bericht sieht Versäumnisse Spahns
Der Bericht von Sudhof hatte festgestellt, dass Spahn gegen den Rat seiner Fachabteilungen zu Beginn der Pandemie 2020 in eine Massenbeschaffung damals knapper Schutzmasken eingestiegen war. Das Ministerium griff auch zu einem Verfahren mit festen hohen Preisen ohne weitere Verhandlungen.
Wegen der dann nicht abgenommenen Masken klagten Lieferanten. Dem Bund drohen aus Rechtsstreitigkeiten darüber noch Milliardenrisiken. Der vorherige Minister Karl Lauterbach (SPD) beauftragte Sudhoff daraufhin 2024 mit einer Untersuchung.
Merz hält Israels Angriffe für völkerrechtskonform
Merz sieht in den israelischen Angriffen auf den Iran anders als viele Juristen keinen Verstoß gegen das Völkerrecht. Er habe „an der Legitimität und auch an der völkerrechtlichen Legalität dessen, was Israel getan hat, heute keinen Zweifel“, sagte der CDU-Chef bei der Regierungsbefragung im Bundestag und positionierte sich damit deutlicher als bisher in dieser Frage.
Er betonte, dass die am 13. Juni gestarteten israelischen Luftangriffe auf iranische Atomanlagen, militärisches Führungspersonal und Atomphysiker juristisch nicht unbedingt als Präventivschlag gewertet werden müssten. Dies sei „nur eine von mehreren möglichen Annahmen“, sagte er.
„Man kann auch zu dem Ergebnis kommen, dass Israel seit Jahren täglich angegriffen wird und das Recht hat, sich dagegen militärisch zur Wehr zu setzen.“ Spätestens seit den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 aus dem Gazastreifen müsse eigentlich jedem klar sein, dass solche Angriffe stattfinden und dass eine solche militärische Bedrohung äußerst ernst zu nehmen sei.
Laut Gutachten „erhebliche Zweifel“ an Rechtmäßigkeit
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hatten in einem Anfang Juli veröffentlichten Gutachten „erhebliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit der israelischen und US-amerikanischen Angriffe auf den Iran geltend gemacht.
Die „ganz überwiegende Zahl der Völkerrechtler“ sehe die Kriterien für eine „Selbstverteidigungslage“ Israels nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen nicht als erfüllt an, heißt es in der 54-seitigen Expertise, die vom Linken-Abgeordneten Ulrich Thoden in Auftrag gegeben wurde, der auch die Frage an Merz im Bundestag stellte. (epd, dpa, AFP)
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