
© Andreas Klaer
Abgeschobene jesidische Familie: Schüler aus Lychen übergeben 35.000 Unterschriften für Rückholung
Mit einer Petition fordern ehemalige Mitschüler eines jesidischen Jungen, der mit seiner Familie in den Irak abgeschoben wurde, deren Rückkehr. Auch die Politik beschäftigt der Fall weiter.
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In den Pausen haben sie gemeinsam Fußball gespielt – und am Abend noch das Ende der Grundschulzeit gefeiert. Doch früh am Morgen des 22. Juli war Maatz Quasim weg. Abgeschoben aus Lychen (Uckermark) in den Nordirak.
„Wir wollen, dass Maatz zurückkommt“, sagt der zwölfjährige Emil Rietpietsch. Zusammen mit zwei Schulkameraden ist er am Donnerstag in den Brandenburger Landtag gekommen, um einen von der Schulklasse unterschriebenen Protestbrief und eine Online-Petition an Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) zu übergeben. Denn mittlerweile 35.000 Menschen – zehnmal mehr, als Lychen Einwohner hat – fordern auf der Internetplattform change.org die Rückkehr der Familie.
Im Protestbrief der Schüler heißt es: „Sie sind Jesiden, haben den Völkermord an den Jesiden überlebt und müssen nun nach ihrer Rückkehr in den Irak Schlimmstes befürchten.“ Der Bundestag hatte im Jahr 2023 Verbrechen der Terrormiliz IS an der religiösen Minderheit im Jahr 2014 als Völkermord anerkannt.
„Im Grunde ist diese Familie fast schon ein Symbol dafür, dass wir die falschen Leute abschieben“, sagt die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Carla Kniestedt. Die Gastwirtin aus Lychen hat die Kinder und die Mutter Tanja Niclas in den Landtag begleitet. „Hier wurde eine gut integrierte Familie abgeschoben, Menschen, die wir in Deutschland brauchen.“ Noch deutlicher wird die begleitende Mutter Tanja Niclas. „Wie erklärt man seinem Kind, wenn ein guter Freund und Mitschüler einfach weg ist?“, fragt sie bei der Übergabe des Protestbriefs. „Ich kann es nicht erklären.“
Die älteste Tochter der Familie habe in ihrem Café gearbeitet, beide Mädchen hätten Praktika in einem Lychener Hotel absolviert, Ausbildungsverträge standen in Aussicht. Auch Landtagspräsidentin Liedtke sagt zum Fall der Abschiebung aus Lychen: „Das kann man nicht verstehen.“ Sie sicherte zu, das Schreiben der Lychener an Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) weiterzuleiten.
Zudem werde sich der Petitionsausschuss des Landtags mit dem Fall der Familie befassen. Abschiebungen müssten aus Sicht der Musikwissenschaftlerin, die seit 2019 an der Spitze des Landesparlaments steht, „sehr sensibel“ durchgeführt werden. Versprechen konnte sie den Lychenern aber naturgemäß nichts. „Es gibt immer die Möglichkeit zu Ausnahmeregeln – das muss man klären“, sagte Liedtke.
Die Familie aus Lychen mit vier minderjährigen Kindern war Ende Juli in den Irak abgeschoben worden. Während die Familie schon im Flugzeug saß, entschied das Verwaltungsgericht Potsdam, dass die Abschiebung nicht durchgeführt werden durfte – für die Familie war das aber zu spät.
Offen, ob Familie Berufung einlegen kann
Innenminister René Wilke hatte daraufhin angekündigt, die Familie zurückzuholen, wenn die Entscheidung des Gerichts Bestand hat. Mittlerweile hat das Gericht im Hauptsacheverfahren aber die 2023 ergangene Ablehnung des Asylantrags der Familie bestätigt. Offen ist noch, ob die Familie dagegen Berufung einlegen kann.
Die etwa 35.000 Unterschriften sprechen eine klare Sprache: Brandenburg darf dieses Unrecht so nicht stehen lassen.
Andrea Lübcke, Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen
Die Brandenburger CDU-Landtagsfraktion hat sich unterdessen mit einer Kleinen Anfrage an den Innenminister gewandt, um zu klären, wann Wilke welches Detail aus dem Fall der Familie kannte.
Von einem „fatalen Versagen staatlicher Abstimmung und Rechtsachtung“ sprach unterdessen die Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, Andrea Lübcke. Das Engagement der Mitschüler zeige, „wie sehr die Familie Teil unserer Gesellschaft war – und noch immer ist“, sagte Lübcke. „Die etwa 35.000 Unterschriften sprechen eine klare Sprache: Brandenburg darf dieses Unrecht so nicht stehen lassen.“
Derzeit ist die Familie im Irak bei Verwandten untergebracht. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte eine kritische Auswertung des Falles angekündigt, aber darauf verwiesen, dass das Gerichtsurteil akzeptiert werden müsse.
Am Donnerstagabend dann die Ernüchterung: Die jesidische Familie hat nach einer Gerichtsentscheidung keine Möglichkeit zur Rückkehr nach Deutschland. Das Potsdamer Verwaltungsgericht hat es im Eilverfahren abgelehnt, Deutschland zu einer Rückholung zu verpflichten. Der Beschluss sei unanfechtbar, teilte ein Gerichtssprecher am Donnerstagabend mit.
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