
© Thorsten Metzner
Abschiebehaft, Digitalfunk und der BER: Wo Berlin und Brandenburg stärker kooperieren wollen
Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) haben eine engere Zusammenarbeit beider Länder vereinbart.
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Die Bundesländer der Hauptstadtregion wollen enger zusammenarbeiten. Brandenburgs SPD/BSW-Regierung und der Berliner CDU/SPD-Senat haben das am Dienstag auf einer gemeinsamen Sitzung in Potsdam vereinbart, und zwar: bei der Förderung hochkarätiger Start-ups, für die Gewinnung ausländischer Fachkräfte, gegen Wohnungsnot und steigende Mieten, aber auch zum Schutz von Bevölkerung und kritischer Infrastruktur in Zeiten wachsender Bedrohungen.
Die Länderchefs Dietmar Woidke (SPD) und Kai Wegner (CDU) sprachen sich dafür aus, die Gefährder-Abschiebeeinrichtung in Lichtenrade und das neue Ausreisezentrum am BER in Schönefeld gemeinsam zu nutzen. Eine konkrete Einigung dazu gibt es aber noch nicht. „Das ist sinnvoll“, sagte Woidke. „Ich teile das hundertprozentig“, erklärte Wegner. „Ein gemeinsamer Abschiebegewahrsam am BER ist eine gute Sache.“
Beide unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung zum Digitalfunk, die gegenseitige Einsatzhilfe, gemeinsame Notfallübungen und Beschaffungen erleichtern soll. Und Wegner betonte, dass beide Länder den Wohnungsbau beschleunigen wollten: „Es gibt viele Familien, die in die Region ziehen wollen, aber keine Chance haben, eine Wohnung zu finden.“ Konkret sprach er sich für Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld aus.
Es ist seit der geplatzten Länderfusion im Jahr 1996 eine Tradition geworden, dass beide Kabinette regelmäßig gemeinsam tagen, abwechselnd in Berlin und in Potsdam. Inzwischen so häufig wie nie zuvor, „mehrmals im Jahr“, betonte Woidke. Ein Grund dafür ist auch, dass die beiden aktuellen Länderchefs bei Auftritten sowieso wie ziemlich beste Freunde wirken. Hier der Lausitzer, der die Mark seit 2013 regiert und damit einer der dienstältesten deutschen Länderchefs ist, und da der Spandauer, der das Rote Rathaus seit zwei Jahren lenkt.
Woidke hat in all den Jahren schon viele Regierende erlebt und überlebt, eine Ahnengalerie gemeinsamer Fotos ziert sein Büro in der Staatskanzlei, er mit Klaus Wowereit, mit Michael Müller, dann mit Franziska Giffey (alle SPD). Doch so gut wie mit Wegner, den er zum Treffen mit Elon Musk schon mal undercover mit einem Kleinbus im Roten Rathaus abholte, verstand sich Woidke mit keinem Berliner Regenten vorher. „Es macht richtig Spaß mit Dir, lieber Dietmar!“, sagte Wegner.
Konfliktthemen bleiben eher aus
Die Tagesordnung war deutlich voller als üblich. Obwohl nur eineinhalb Stunden für die Beratung im „Brandenburg-Saal“ angesetzt waren, wurden gleich acht Beschlussvorlagen verabschiedet, so viele wie lange nicht. So soll noch im ersten Halbjahr 2026 eine neue Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg verabschiedet werden. Gemeinsames Ziel sei es, die Anzahl hochkarätiger, innovativer Gründungen weiter zu erhöhen, hieß es. „Wir wollen Innovationsregion Nummer Eins in Deutschland werden“, sagte Wegner. Und klar, dass Brandenburg die Berliner Olympia-Pläne unterstützt, die auch Austragungen in der Mark vorsehen.
Andere Konfliktthemen wurden eher ausgespart. Beim BER-Nachtflugverbot drängt Berlin auf Lockerungen wenigstens für verspätete Flieger, Brandenburg sieht keine Spielräume. Beim Ausbau erneuerbarer Energien hatte es zuletzt heftig gekracht, weil Berlin Windräder unmittelbar an der Landesgrenze plant – und dort näher als 1000 Meter von Brandenburger Orten entfernt, was in der Mark unzulässig wäre. Wegner bemühte sich, Sorgen zu entkräften. „Es gibt in Berlin dazu keine Beschlüsse“, sagte Wagner. „Berlin will ein guter Nachbar sein.“
Dafür demonstrierten Woidke und Wegner gegenüber der Bundesregierung Einigkeit. Beide Länder drängen darauf, die Finanzierung der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Schönefeld über 2030 hinaus zu sichern. Zwar begrüßten beide die Unterstützung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) für die ILA am BER. Doch die Abwerbeversuche Niedersachsens, das bereits die Unterstützung des Verteidigungsministeriums für die Etablierung der internationalen Rüstungsmesse 2027 in Hannover hat, werden gleichzeitig ernst genommen.

© Thorsten Metzner
Mit Blick auf ein Langzeitdefizit am Hauptstadtflughafen gab es den Appell, der seit Jahren nie fehlte: In einem gemeinsamen Beschluss wird das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, mehr Interkontinentalflüge zuzulassen und weitere ICE-Linien zum Airport zu ermöglichen. Es könne nicht sein, dass es aus Westdeutschland 200 Interkontinentalverbindungen am Tag gebe, aber nur acht aus der Hauptstadtregion, aus Ostdeutschland, sagte Woidke. „Wir verlangen keine Sonderbehandlung, wir wollen Fairness“, sagte Woidke. „Nirgendwo auf der Welt gibt es eine Hauptstadt, die so schlecht zu erreichen ist“, sagte Wegner. Es gebe Airlines, die den BER anfliegen wollten, aber keine Start- und Landegenehmigungen bekämen.
Eigentlich wollten die Brandenburger auch noch das ungelöste Mega-Problem ansprechen, die „Zukunft der Wasserversorgung und -entsorgung“. Dafür reichte die Zeit nicht. Hintergrund ist, dass Berlins Trinkwasserversorgung, bislang weitgehend aus Spreefiltrat, künftig von Brandenburg abhängen wird. Mit dem Kohleausstieg, mit dem einige Jahre nach 2038 dann auch keine Tagebauwässer in die Spree mehr gepumpt werden, droht flussabwärts am Spreebogen nur noch ein dürres Rinnsal anzukommen.
Beim Abwasser ist die Abhängigkeit umgekehrt. Da wird Brandenburg mehr denn je auf die Berliner Kläranlagen im Speckgürtel angewiesen sein, die an ihre Kapazitätsgrenzen geraten – wegen des Bevölkerungswachstums in Metropole und Umland. Schon lange wird da hinter den Kulissen verhandelt. „Wir arbeiten weiter intensiv an dem Thema“, versicherte Woidke.
Der Berliner Senat war zwar nicht mit der S-Bahn, aber weitgehend elektrisch angereist, vor der Staatskanzlei parkten zehn E-Limousinen mit Berliner Kennzeichen. Davon ist der weitgehend fossile Regierungsfuhrpark Brandenburgs noch weit entfernt, obwohl hier inzwischen eine E-Auto-Fabrik steht. In mancher Hinsicht unterscheiden sich beide Regierungen dann doch.
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