Brandenburg: Auf meinem Flughafen bin ich Kapitän
Wowereit soll an die Spitze des BER-Aufsichtsrats zurückkehren – nur warum?
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Fassungslos werden sich viele Bürger an den Kopf greifen, wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wieder zum Vorsitzenden des BER-Aufsichtsrats gewählt werden sollte. Es scheint, als wollten die öffentlichen Eigentümer – Berlin, Brandenburg und der Bund – den Gescheiterten zum Retter erheben wollen.
Ist Wowereit der Richtige?
Er ist der Einzige, der nach dem Rückzug des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) von allen Ämtern, einschließlich des Aufsichtsratsvorsitzes der Flughafengesellschaft, nach dreimonatiger Suche übrig blieb. Da Platzecks Nachfolger Dietmar Woidke (SPD) sofort ausschloss, den Job zu übernehmen, wurde intensiv nach einem externen Fachmann gesucht. Aber es fand sich niemand. Nach dem Ausschlussprinzip blieb Berlins Regierender Bürgermeister übrig.
Warum will Brandenburg nicht?
Als Woidke schon vor Amtsantritt im August 2013 signalisierte, dass er dem Kontrollgremium nicht mal als einfaches Mitglied angehören will, zeigte Amtskollege und Parteifreund Wowereit wenig Verständnis. „Wer Ministerpräsident lernen will, der kann auch Aufsichtsratschef lernen“, moserte er. Zwei Dinge sprechen aber für Woidkes Entschluss: fehlende Erfahrung und mangelnde Fachkompetenz am BER. Zudem wären ihm die Hände gebunden, jeder Aufsichtsrat muss die Interessen des Unternehmens vertreten. Im Streit um den Schallschutz steht ein brandenburgischer Regierungschef wohl lieber Schulter an Schulter mit den betroffenen Bürgern. Und 2014 ist Landtagswahl.
Warum übernimmt der Bund nicht?
Der Bau und Betrieb großer Flughäfen ist vorrangig Ländersache. Nicht nur in Berlin (26 Prozent), auch in München (26 Prozent) und Köln/Bonn (30,9 Prozent) begnügt sich der Bund deshalb mit einer Minderheitsposition. Der Bundesanteil am Flughafen Frankfurt am Main (18,2 Prozent) wurde 2005 verkauft. Zeitweise wurde diskutiert, dass sich der Bund komplett aus dem Geschäft zurückzieht. In allen drei Airports mit Bundesanteil nimmt der Bund eher eine passive Rolle ein.
Sollte nicht lieber ein externer Experte ran?
Eigentümer von Unternehmen, staatlich oder privat, geben ihre Kontroll- und Steuerungsrechte ungern aus der Hand. In München, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Köln/Bonn leiten Minister, Oberbürgermeister oder Ex-Spitzenpolitiker die Aufsichtsräte. Hamburg und Leipzig/Halle haben Manager an der Spitze. Wobei der Ehrenvorsitzende des Airports Hamburg Helmut Schmidt heißt. Für externe Fachleute an der Spitze spricht deren Erfahrung und Know-how sowie eine gewisse Unabhängigkeit. Dagegen spricht, dass eine reißfeste politische Vernetzung, die Nähe zu Geld gebenden Parlamenten und politische Entscheidungsgewalt für den Aufsichtsratchef eines öffentlichen Unternehmens große Vorteile bringt. Außerdem fand sich kein geeigneter Fachmann; Geld und Ansehen sind mit dem Job schließlich nicht verbunden.
Wie ist der Aufsichtsrat besetzt?
In das 15-köpfige Gremium schicken Berlin und Brandenburg je vier, der Bund zwei und die Arbeitnehmer fünf Vertreter. Davon sind acht Politiker. Der Berliner Hotelier Michael Zehden und der Cottbuser IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Krüger repräsentieren die private Wirtschaft.
Was könnte Wowereit noch verhindern?
Krankheit oder Flucht ins Ausland. Dem Land Brandenburg steht das Vorschlagsrecht zu, Regierungschef Woidke steht hinter Wowereit – ebenso Verkehrs- Staatssekretär Rainer Bomba als Vertreter des Bundes. Die CDU in Berlin hält still. Selbst wenn die Linke in Brandenburg streikt, ist Wowereit eine Mehrheit im Aufsichtsrat sicher. Fraglich ist, ob SPD und Linke in Brandenburg das aushalten. Linksfraktionschef Christian Görke sagte, Wowereit habe nur eine Chance, wenn er sich im Sinne des erfolgreichen Brandenburger Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot am BER bewege.
Was spricht für seine Rückkehr?
Nach über zehn Jahren im Aufsichtsrat: Erfahrung und Routine, Kenntnis der Probleme (auch wenn ihm das oft abgesprochen wird) und Führungsstärke. Offenkundig will Wowereit nach dem Desaster – das ihn fast das Regierungsamt gekostet hätte – zeigen, dass er es besser kann. Zudem ist er in der Lage, dem charismatischen Rambo Hartmut Mehdorn notfalls Paroli zu bieten. Beide verbindet inzwischen eine raue Männerfreundschaft, gelegentlich keilen sie sich, gehen dann wieder zusammen ins Restaurant und sind sich herzlich einig: Ohne uns geht nix!
Was spricht gegen eine Rückkehr?
Demut vor den zornigen Bürgern, die es satthaben, dass Steuergelder in Milliardenhöhe in schlecht geplanten und aus dem Ruder laufenden Großprojekten versickern. Dass sich die Eröffnung um Jahre verzögert und die Kosten explodieren, müsste normalerweise für einen freiwilligen Rückzug des politisch Hauptverantwortlichen reichen. Normalerweise. Ulrich Zawatka-Gerlach
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