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Notfallsanitäter. Seit Januar gibt es laut Gesetz diesen neuen Ausbildungsberuf. Er soll den Rettungsassistenten ablösen. Doch wann die Ausbildung in Brandenburg startet, ist noch ungewiss.

© Nestor Bachmann/dpa

Brandenburg: Bereit für den Notfall

In Berlin werden Rettungssanitäter besser ausgebildet. In Brandenburg ist der Ausbildungsstart noch offen

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Potsdam/ Berlin - Das Rettungswesen steht unter Druck – schon weil in einer älter werdenen Bevölkerung eher zum Telefon gegriffen wird, um 112 zu rufen, statt zur nächsten Praxis zu laufen. Die Länder sollen nun ein Gesetz umsetzen, dass noch 2013 im Bundestag verabschiedet worden ist. Kern des Gesetzes sind erweiterte Kompetenzen für Rettungsassistenten – also diejenigen, die oft als Erstes am Einsatzort sind. Der Notarzt kommt meist in einem anderen Auto. Rettungsassistenten werden dann Notfallsanitäter heißen und drei statt wie bisher zwei Jahre lang ausgebildet.

Vor allem aber dürfen sie eigenmächtig intravenöse Zugänge legen und starke Medikamente geben. Ihre Entscheidungen vor Ort könnten einige Arzteinsätze also überflüssig machen. Bei lebensbedrohlichen Zuständen sollen Sanitäter allerdings wie bislang nur so lange „medizinische Maßnahmen“ durchführen, bis ein Mediziner kommt.

Sowohl in Brandenburg als auch in Berlin sprechen sich die beteiligten Behörden derzeit ab, etwa die Feuerwehren, die dem Innenministerium unterstehen, und die Gesundheitsverwaltungen. In Brandenburg aber ist wohl noch unklar, wann die neue Ausbildung starten kann. Ein „konkreter Zeitpunkt“ könne noch nicht benannt werden, erklärte Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) auf eine parlamentarische Anfrage. Die FDP sieht damit die Gesundheitsversorgung bei Tack in den falschen Händen. Allerdings ist die Umsetzung des Gesetzes auch in anderen Bundesländern noch unklar.

Unter Ärzten sind die neuen Befugnisse nicht unumstritten, was an die Debatte um mehr Einfluss für Krankenschwestern erinnert. Die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands teilt mit, sie begrüße das Gesetz, warte aber auf eine „gelungene Umsetzung“: Die Sanitäter sollten die Versorgung von Patienten verbessern, bis Ärzte eintreffen. Daran, dass Sanitäter sie irgendwann ersetzen könnten, glauben die Notärzte nicht.

In der Branche hatte es die Befürchtung gegeben, mit dem neuen Berufsbild werde an der ärztlichen Rettungspraxis gefeilt. In den USA etwa rücken Ärzte kaum selbst aus, Rettungswagen sind mit sogenannten Paramedics besetzt. Traditionell haben nichtärztliche Gesundheitsberufe in den USA einen höheren Stellenwert – schon deshalb, weil zuvor oft ein Studium absolviert werden muss.

Die zuständige Verwaltung von Innensenator Frank Henkel (CDU) teilte auf Anfrage vorsichtig mit: Man gehe davon aus, dass durch die neue Ausbildung die Zahl der Arzteinsätze nicht mehr so schnell steigen werde. Das Ersetzen „von Notärzten durch die neuen Notfallsanitäter“ sei aber nicht beabsichtigt.

Wie genau sich die Ausbildung in der Praxis auswirkt, ist folglich kaum abzusehen. Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus plädieren für spürbare Änderungen: „In Aachen konnten die überflüssigen Notarzteinsätze um 30 Prozent reduziert werden“, sagte Gesundheitsexperte Heiko Thomas. „Die Zeit der Ärzte kann sinnvoller eingesetzt werden.“

Ab Herbst sollen in Berlin die Lehrgänge für die neuen Azubis starten. Die schon aktiven Rettungsassistenten können sich bundesweit zum Notfallsanitäter umschulen lassen. Schätzungsweise fast 3000 Rettungsassistenten gibt es in Berlin, in Brandenburg sind es rund 1500. Die meisten arbeiten bei der Feuerwehr, andere etwa beim Deutschen Roten Kreuz.

Die neue Zusatzkompetenz führt nicht nur unter Ärzten zu Debatten. In Gewerkschaften und Pflegeverbänden wird diskutiert, ob die neue Qualifikation nicht mit mehr Lohn einhergehen müsste. Vollzeit-Rettungsassistenten bekommen je nach Arbeitgeber und Alter zwischen 1800 und 2900 Euro brutto im Monat.

Obwohl in der Branche kaum jemand gegen bessere Löhne argumentiert, dürfte eine Debatte um die Gehälter den langjährigen Streit um die Einsatzgebühren neu anfachen: Die Krankenkassen halten dem Berliner Senat vor, er rechne für Rettungsfahrten zu viel ab. Derzeit kostet eine Fahrt in Berlin rund 215 Euro, wenn der Patient nicht in ein Krankenhaus gebracht werden muss. Wird er in eine Klinik transportiert, bekommt die Feuerwehr mindestens 319 Euro von den Krankenkassen. Die Kassen zahlen diese Gebühren nur „unter Vorbehalt“.Hannes Heine

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