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Ein Scherz und keine Seele. So romantisch stellte sich eine Agentur die Länderhochzeit vor – und wollte vor Jahren mit diesem Motiv dafür werben. Nur gab es seit der gescheiterten Volksabstimmung von 1996 keine Gelegenheit mehr dafür. Vor allem in Brandenburg sind die Vorbehalte weiter groß.

© Die Brandenburgs/promo

Brandenburg: Brandenburg nimmt Berlin nur, wenn ...

es nicht mehr mit der Arroganz der Hauptstadt daherkommt – und ohne Mega-Schuldenberg

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Berlin/Potsdam - Berlin als normale Stadt im Land Brandenburg, vorher von seiner Schuldenlast befreit durch den Bund? Der aktuelle Vorstoß ür ein vereinigtes Land durch einen Beitritt Berlins, das „nur“ Bundeshauptstadt bliebe, löst in Brandenburgs Politik ein verhaltenes, interessiertes, aber nicht rundweg ablehnendes Echo aus. Das Konzept, das die Stiftung Zukunft Berlin am Samstag in den PNN erstmals vorgestellt hat, soll an diesem Montag im Potsdamer Kutschstall präsentiert werden.

Das berlin-brandenburgische Verhältnis rückt damit in den Fokus, die Beziehungen haben einen Tiefpunkt erreicht. Zwar arbeiten viele Institutionen zusammen, doch in den letzten Jahren gingen Berlin und Brandenburg verstärkt getrennte Wege, etwa bei den Gefängnissen, wo Berlin eine Kooperation ausschlug, oder der Bildung, wo Brandenburg aus dem gemeinsamen Zentralabitur ausstieg. Und am BER beißt Brandenburg in Berlin – ungeachtet des erfolgreichen Volksbegehrens und des einmütigen Landtagsbeschlusses für ein strengeres Nachtflugverbot – auf Granit. Mit der rot-schwarzen Regierung in Berlin sei die Zusammenarbeit „lieblos geworden, sodass ich momentan Berlin nicht geschenkt haben möchte“, sagte Christian Görke, Brandenburgs Linke-Fraktionschef. Nötig sei daher „zuallererst eine größere Offenheit Berlins gegenüber Brandenburg, wieder eine Bereitschaft zu engerer Zusammenarbeit“. 1996 war die Fusion auch am Nein der Linken gescheitert. Jetzt sagt Görke, die Linke stehe „für eine eingetragene Partnerschaft, die perspektivisch in ein gemeinsames Land münden kann.“ Über die Wege dahin könne man debattieren. Offen reagierten auch CDU und Grüne. Aktuell sei er „nicht relevant“, aber perspektivisch sei es ein „interessanter“ Ansatz, dass sich Berlin ohne Landesstatus auf die Rolle als Bundeshauptstadt konzentriert, sagt CDU-Landeschef Michael Schierack. Allerdings gebe es auch da verschiedene Möglichkeiten, neben Berlin als kreisfreie Stadt in Brandenburg etwa auch das Modell Washington D.C. Am ehesten für die Fusion sind schon länger die Grünen: „Hauptsache es kommt endlich Dampf in die Geschichte“, sagt Landtagsfraktionschef Axel Vogel. Dreh- und Angelpunkt bleibe die Verschuldung Berlins. Dagegen winkt Brandenburgs designierte SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz ab. Der Vorstoß habe keine Chance. „Es ist eine akademische Debatte“. Ein ähnliches Modell sei bereits in den 90er-Jahren debattiert und verworfen worden. Brandenburgs neuer Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte unmittelbar nach seiner Wahl einem gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg längerfristig eine Absage erteilt - begründet mit der Verschuldung Berlins, aber auch mit der zahlenmäßigen Mehrheit der Berliner in einem gemeinsamen Parlament. Die gäbe es auch bei einem Beitritt der Metropole ins Land Brandenburg.

Allerdings ist eine neue Förderalismusdebatte in Deutschland wegen der öffentlichen Finanzen nur eine Frage der Zeit. Und die Verschuldung Berlins harrt – so oder so – einer strukturellen Lösung. Der langjährige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Otto Fricke, der mit der FDP jetzt aus dem Parlament geflogen ist, ist überzeugt, dass eine kommende große Koalition im Bund zumindest Teile der Vorschläge umsetzen wird: Durch eine Übernahme der Berliner Schulden entstünden dem Bund faktisch nur Kosten durch die Zinsen; der staatliche Gesamtschuldenstand ändere sich dadurch nicht. Der Bund habe zudem im kulturellen Bereich bereits einen großen Teil der finanziellen Verpflichtungen übernommen – bei der Museumsinsel, dem Humboldtforum oder bei der Sanierung der Staatsoper. Selbst bei der Berlinale steuere der Bund inzwischen weit mehr Geld bei als Berlin. Kritischer sieht Fricke die Forderung der Stiftung, der Bund solle auch die Kosten übernehmen, die Berlin aus seiner Funktion als Regierungssitz entstehen – etwa bei der Sicherheit oder der Polizei. Dies könne bei anderen Ländern mit Bundesstellen Begehrlichkeiten wecken. Udo Wolf, Fraktionschef der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht als Kernproblem weiter die Altschulden Berlins – und lobt, „dass das jetzt endlich mal aufgegriffen worden ist“. Um seriös über einen Neuanlauf der Länderfusion oder die Eingliederung Berlins zu diskutieren, „muss sich der Bund endlich mal positionieren zu den 63 Milliarden Euro Schulden“. Neben der finanziellen sieht Wolf eine ebenso berechtigte mentale Hürde: „Berlin muss lernen, mit den Brandenburgern auf Augenhöhe zu diskutieren und nicht mit der Arroganz des Hauptstädters.“ Als schlechtes Beispiel nennt er die Konfrontation nach dem erfolgreichen Brandenburger Volksentscheid für ein strengeres Nachtflugverbot. Als der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) darüber reden wollte, wurde er aus Berlin brüsk zurechtgewiesen: Klaus Wowereit (SPD) warf ihm vor, „sich vom Acker zu machen“. Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an, Platzeck werde sich „eine blutige Nase holen“. Meinung

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