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Von Alexander Fröhlich und Peter Tiede: CCS-Gesetz: Rot-Rot vor Zerreißprobe Der Bund hat Regelwerk überraschend fertig – und bringt Platzeck und die Linke in Nöte

Potsdam - Schwarz-Gelb im Bund beschert Rot-Rot in Brandenburg eine Zerreißprobe. Denn die von CDU und FDP geführte Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzesentwurf zur sogenannten CCS-Technik und damit zur Genehmigung von Kohlendioxid-Endlagern in Deutschland geeinigt.

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Potsdam - Schwarz-Gelb im Bund beschert Rot-Rot in Brandenburg eine Zerreißprobe. Denn die von CDU und FDP geführte Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzesentwurf zur sogenannten CCS-Technik und damit zur Genehmigung von Kohlendioxid-Endlagern in Deutschland geeinigt. Tenor des Papiers, das den PNN vorliegt: Der Bund setzt ein entsprechendes EU-Gesetz nicht komplett selbst um, sondern schafft nur ein Rahmengesetz. Die Länder bekämen „die Gestaltungsmöglichkeiten, um für ihr Gebiet zu entscheiden, ob CCS stattfindet oder nicht“, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Mittwoch in Berlin. Die Bundesländer sollen weitgehende Befugnisse erhalten, um CO2-Lagerstätten über eigene Gesetze zu verhindern oder nur in geringem Maße zuzulassen. Dadurch würde die Erprobung weitgehend auf Brandenburg beschränkt bleiben – denn kaum ein anderes Land will CCS.

Das bringt Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) erheblich in Bedrängnis und könnte die Linke politisch zerreißen: Denn bislang hatte Platzeck darauf gesetzt, sich in seiner kohlefreundlichen Industrie- und Klimapolitik auf ein Bundesgesetz berufen zu können, das die Genehmigungsvoraussetzungen für CCS-Anlagen zur Abtrennung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) regelt. Doch nach den neuesten Plänen der Bundesregierung müsste sich Rot-Rot in Brandenburg nun selbst zu der Technik und zu den vom Energiekonzern Vattenfall geplanten CO2-Endlagern in Ostbrandenburg bekennen – statt bei diesem politisch heiklen Thema auf den Bund verweisen zu können. Damit wackelt auch Platzecks Energiestrategie, die neue Braunkohletagebaue in der Lausitz an die CCS-Technologie knüpft.

Die Linke hat gestern schnell klargestellt, dass sie an einer Lex Brandenburg nicht mitwirken werde. Darauf laufe die geplante Länderöffnungsklausel aber hinaus, sagte der Lausitzer Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic. „Brandenburg darf nicht zum bundesdeutschen Experimentierfeld für die umstrittene CCS-Technologie werden.“ Die Linke-Landtagsfraktionschefin Kerstin Kaiser sagte, eine Lex Brandenburg werde es nicht geben. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) beharrt darauf, dass das Bundesgesetz für ganz Deutschland gelten müsse. Brandenburg sei gegen eine Ausstiegsklausel, sagte ein Ministeriumssprecher. Doch ein Umschwenken der Bundesregierung gilt als ausgeschlossen: Umweltminister Röttgen hatte den nun vorliegenden Gesetzestext in der Vorwoche mit den CDU-geführten Landesregierungen Niedersachsens und Schleswig-Holstein abgestimmt. Beide Länder kämen als Endlagerstätten infrage – wollen dies aber ausdrücklich nicht.

Brandenburgs Linke hatte im Jahr 2009 gegen CO2-Endlager Wahlkampf gemacht und sich gar einer Volksinitiative gegen neue Tagebaue angeschlossen. Denn sie führt in den Orten, wo Vattenfall Endlager erkunden will, den Widerstand dagegen mit an.

Die SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen das Thema CCS aber zum K.-o.-Kriterium gemacht. Nun richtet sie sich auf schwere Konflikte mit dem Koalitionspartner ein. „Die Diskussion in Brandenburg um CCS wird sich zuspitzen“, sagte der SPD-Abgeordnete und frühere Infrastrukturminister Reinhold Dellmann. Die Energieexpertin der SPD-Landtagsfraktion, Barbara Hackenschmidt, sagte, es werde „schwierig, Mehrheiten für CCS zu kriegen“. Aus der Fraktion hieß es zudem, alle Seiten warteten darauf, wer in Brandenburg nun die Reißleine zieht und die Endlager-Pläne stoppt. „Vielen wäre es am liebsten, wenn Vattenfall das macht.“

Der CDU-Energieexperte Steeven Bretz forderte, Rot-Rot müsse „sich jetzt zu dieser Technologie bekennen“. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel sagte, offen sei, ob die Regierungskoalition „unter diesen Umständen in der Lage ist, CCS durchzusetzen“. Daher wachse bei den CCS-Gegnern die Hoffnung, „die CO2-Versenkung in Ostbrandenburg zu verhindern“.

Regierungschef Platzeck hat schon vor Jahren wesentliche Teile der brandenburgischen Klima- und Umweltpolitik und die Zukunft der Braunkohleförderung und -verstromung in der Lausitz an den Einsatz der CCS-Technik geknüpft. Im September 2007 hatte er sich mit dem damaligen Chef des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall, Lars G. Josefsson, in seiner Staatskanzlei in Potsdam getroffen. Damals einigten sich beide auf neue Tagebaue für Vattenfall. Doch dem Energieriesen sollen in der Lausitz danach keine weiteren Tagebaue und keine neuen Kraftwerke mehr genehmigt werden, wenn Vattenfall den Klimakiller CO2 nicht aus der Abluft der Kraftwerke filtert. Darauf einigten sich Platzeck und Josefsson. Seitdem heißt die Devise: Ohne CCS keine langfristige Zukunft für die Braunkohleförderung in der Lausitz.

Nur: Festgeschrieben oder gar in Gesetzesform gegossen wurde dies nie. Rechtliche Möglichkeiten, Vattenfall etwa wegen der fehlenden CCS-Technik und nicht vorhandener CO2-Endlager den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes in der Lausitz zu verbieten, hat Brandenburg damit nicht. Für neue Tagebaue – so Vattenfall sie denn will – gilt dies auch. Platzeck räumte jüngst auf einer Veranstaltung mit Journalisten auf Nachfrage ein, dass er nur Josefsson Wort habe. Der aber ist längst aus dem Unternehmen ausgeschieden.

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