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Brandenburg: Der Kampf um die Braunkohle

Warum so erbittert um die Zukunft der Verstromung in der Lausitz gestritten wird

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Potsdam - In Brandenburg ist erneut eine erbitterte Debatte um die Zukunft der Braunkohle und ihre Verstromung in Lausitzer Kraftwerken entbrannt, ebenso um die umstrittenen CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2). Losgetreten hatte die Debatte Hans Joachim Schellnhuber. Der Chef des renommierten, international anerkannten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hatte am Dienstag gesagt, er halte die Verstromung für nicht zukunftsfähig. Als Unternehmensberater würde er dem Energiekonzern Vattenfall einen Ausstieg empfehlen.

Hat die Braunkohle eine Zukunft?

Das ist die Gretchenfrage! Klimafolgenforscher, Umweltaktivisten, die Grünen und Gegner unterirdischer CO2-Spreicher halten die Verstromung für ein Auslaufmodell. Der Hauptgrund ist: Braunkohlekraftwerke sind wahre Dreckschleudern. Dort ist der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 zwei Drittel höher ist als bei Gaskraftwerken und doppelt zu hoch als in Steinkohlekraftwerken. Die Befürworter der Braunkohle dagegen suchen nach Lösungen, um den CO2-Ausstoß zu minimieren. Zudem halten sie Kohlestrom für unverzichtbar auf dem Weg zum Komplettumstieg auf erneuerbare Energien. Über die Klimapolitik herrscht soweit Konsens. Bis 2050 will die Bundesregierung den Ausstoß des Gases auf null senken. Gestritten wird darüber, wie schnell der Kohleausstieg vonstatten gehen soll. Die Zukunft der Braunkohle ist also ohnehin begrenzt.

Wird Braunkohlestrom gebraucht?

Mit dem Atomausstieg der Bundesregierung stehen Stromerzeuger und Netzbetreiber vor einem Problem. Der Strom aus Wind, Sonne und Biogas sorgt für erhebliche Schwankungen im Netz, was mit Atomstrom relativ flexibel ausgeglichen werden konnte. Die letzten Atomkraftwerke werden 2022 vom Netz genommen. Hauptargument der Kohle-Befürworter ist: Um die sogannte Grundlast im Netz zu halten und Schwankungen auszugleichen, seien Braunkohlekraftwerke nötig. Von einer Brückentechnologie ist die Rede. Das aber bezweifeltn die Kritiker: Denn Braunkohlekraftwerke haben einen schlechteren Wirkungsgrad als Gas- oder Steinkohlekraftwerke. Generell können selbst neueste Kohlekraftwerke schlechter hoch- und runtergefahren werden. Zwar sind die Bemühungen um höhere Effizienz groß, gerade bei der Drosselung aber wird noch geforscht. Gaskraftwerke sind eindeutig im Vorteil. Selbst das PIK hat errechnet, dass für die Energiewende einige neue Kraftwerke nötig sind.

Was ist mit den Kosten?

PIK-Chef Schellnhuber, aber auch Experten von Organisationen von Greenpeace halten Strom aus Braunkohle ab 2013 für nicht wettbewerbsfähig. Dann wird es in der EU mit dem Handel von Emissionszertifikaten für CO2 ernst. Jahr für Jahr wird die zulässige Gesamtmenge des Klimagases, das in die Luft gepustet werden darf, gesenkt. Funktioniert der Markt, steigen die Preise für Zertifikate und damit die Kosten für den CO2-Ausstoß. Vattenfall dagegen bezeichnet seinen Kraftwerkspark als hochmodern und effizient. Braunkohle sei damit auch nach 2013 konkurrenzfähig. Weil die aber schmutziger und weniger flexibel verstromt werden kann, setzen Experten, selbst Brandenburgs Wirtschaftsministerium auf Gaskraftwerke, um den Übergang zur Energiewende hinzubekommen. Gern warnen Kohleanhänger vor dem unberechenbaren Gaslieferanten Russland und betonen, Braunkohle sei der einzig verfügbare Energieträger hierzulande und selbst die Chemieindustrie forsche. Neuerdings macht wieder die Idee von Benzin aus Kohle die Runde.

Wie agiert die Landesregierung?

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will an der Braunkohle festhalten, bis Stromversorgung aus erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig, sicher und zu stabilen, sozial verträglichen Preisen möglich ist. Zugleich betont er auch, dass Brandenburg deutscher Meister bei den „Erneuerbaren“ ist. Der hiesige Stromverbrauch wird schon zu 60 Prozent daraus gedeckt, bis 2020 ist dies komplett möglich. Zugleich wird ein Großteil des Braunkohlestroms exportiert. Platzeck befürwortet auch die CCS-Technik, CO2 abzuscheiden und unterirdisch zu speichern, wie es auch Vattenfall vorhat. Die Zukunft der Verstromung hat Platzeck bislang an CCS gekoppelt, die Regierung unterstützt mehrere Projekte zu Erprobung in Ketzin und Schwarze Pumpe. Allerdings sieht ein Bundesgesetz eine Länderausstiegskelausel vor, wonach jedes Bundesland CO2-Lager auf seinem Grund ablehnen kann. Das lehnt Brandenburg ab, weil es nicht als einziges umstrittene „Endlader“ zulassen will. Nun sucht die Regierung einem Ausweg und verweist auf Pläne der EU für ein CO2-Pipeline-Netz und Geschäftsideen Norwegens, das Klimagas gegen Geld unterirdisch zu speichern. Allerdings ist das alles noch politische Zukunftsmusik. Neben der Klimapolitik geht es um die Zukunft der Lausitz und tausende Arbeitsplätze, die von der Kohle abhängig sind. Einen Masterplan, einen "Plan B" für den Strukturwandel der Lausitz ohne Braunkohle gibt es nicht. Die IHK Cottbus wünscht sich vom Land mehr Unterstützung, sieht aber bislang keine Strategie aus Potsdam, um die Lausitz in eine neue Zukunft zu führen.

Was bedeutet Braunkohle-Strom politisch?

Das Problem am Festhalten am Braunkohlestrom ist aus Sicht des PIK, aber auch Greenpeace: Werden erst mal neue Braunkohlekraftwerke gebaut, könnten über Lobbyarbeit Ausnahmenregeln durchgesetzt, das Null-CO2-Ziel aufgeweicht und der Emissionshandel ausgehebelt werden. Die Energiewende würde gebremst.

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