Ermittlungsguppe geplant: Die Grenze überschritten
Nach den jüngsten Attacken von Rechtsextremen in beiden Ländern ermitteln Berlin und Brandenburg nun gemeinsam
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Waßmannsdorf/Berlin - Nach dem rechtsextremistischen Angriff auf das Flüchtlingsheim ins Waßmannsdorf bei Schönefeld (Dahme-Spreewald) und den Attacken auf zwei Parteibüros, Jugendklubs, Wohnungen von Neonazi-Gegnern und antifaschistische Denkmäler in Berlin und Brandenburg ist eine Ermittlungsgruppe des Staatsschutzes beider Länder geplant. „Zur Aufklärung der Straftaten wird intensiv mit der Berliner Polizei zusammengearbeitet“, erklärte die Staatsanwaltschaft Potsdam am Mittwoch.
Wie berichtet, war am Dienstag an mehreren Tatorten die Adresse der bekannten Neonazi-Seite „NW-Berlin.net“ hinterlassen worden. Auf der Seite des „Nationalen Widerstand Berlin“ wird eine „Feindesliste“ mit Namen von Politikern, Aktivisten der linken Antifa und von Journalisten geführt. Der Berliner Justizverwaltung zufolge handelt es sich um „die zentrale Internetplattform des aktionsorientierten Rechtsextremismus“ in Berlin. Die Internetplattform wird über einen Server in den USA bereitgestellt. Als Kontakt fungierte lange ein schwedischer Rechtsradikaler. Dem Berliner Netzwerk um die Seite werden 15 autonome Nationalisten vor allem aus dem Süden der Stadt zugerechnet.
Jetzt prüfen die Sicherheitsbehörden Bezüge zwischen mehreren rechtsextremistischen Straftaten in den südlichen Berliner Bezirken und im brandenburgischen Umland.
Bei dem Angriff auf das Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf schmierten die Täter ein Hakenkreuz und den Schriftzug „Rostock ist überall“ an die Wand, ein Bezug auf die ausländerfeindlichen Pogrome 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Zudem hinterließen sie in großen Buchstaben die Internetadresse des Neonazinetzwerks. Bei der Attacke ging eine Fensterscheibe zu Bruch, ein Farbbehälter aus Glas verfehlte nur knapp den Kopf einer schlafenden Bewohnerin. Den Zaun hatten die Täter zerschnitten, um auf das Gelände zu kommen. Dort gingen sie die Feuertreppe hinauf und versuchten mit Steinen die Fensterscheiben aus Sicherheitsglas an den Notausgangstüren einzuschlagen. „Die Mutmaßung liegt nahe, dass die Täter hinein wollten“, sagte der Landrat von Dahme-Spreewald, Stephan Loge (SPD), den PNN. „Jetzt soll das Gelände von der Polizei intensiver bestreift werden“, sagte er. Es handele sich um einen „menschenverachtenden Angriff auf die Würde der hier lebenden Menschen“, sagte er. Weil an zahlreichen Tatorten in Berlin und Umland die Internetadresse der rechtsextremistischen Seite hinterlassen wurde, hoffe er, „dass es jetzt eine gemeinsame Gefährdungsanalyse von Berlin und Brandenburg geben wird“.
Beschmiert wurde – nach einer Attacke im Sommer – nun auch wieder das Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Stadtpark Zossen. Zudem wird ein nächtlicher und unangemeldeter Fackelmarsch von maskierten Neonazis in Hennigsdorf im Sommer der rechten Truppe unter dem Signum NW Berlin zugeschrieben. In Storkow (Oder-Spree) wurden vor dem Haus eines linken Jugendlichen u.a. Keltenkreuze und die Losung „Game Over“ auf den Beton gesprüht. Auch in alternativen Jugendklubs in Beeskow und Fürstenwalde wurden Keltenkreuze und das Label der Neonazi-Seite an Wände gesprüht, Scheiben gingen zu Bruch, ein Schuppen in Flammen auf.
In der Nacht zu Dienstag hatten Neonazis das Anton-Schmaus-Haus der SPD-nahen Falken in Berlin-Neukölln mit Hakenkreuzen und Drohungen beschmiert. In Tegel wurden die Scheiben eines Büros der Linken zerstört, in Spandau eine Geschäftsstelle der SPD.
Die für Jugendarbeit zuständige Senatsbildungsverwaltung hat nun bei der landeseigenen Lotto-Stiftung erfolgreich 52 800 Euro für einen Zaun beantragt.
Noch diesen Sommer hatte ein führendes Mitglied der Neuköllner NPD bei einer Demonstration in Brandenburg für die NW-Homepage geworben. Dies wäre insofern strafbar, weil die Seite im April 2011 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden ist. Auch der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke hatte 2010 für die Seite geworben. Zu etwaigen Verboten der Struktur um die Homepage äußerte sich die Innenverwaltung nicht.
„Jahrelang konnte sich diese überschaubare und höchst gewaltbereite Gruppe in Militanz trainieren, ohne mit ernsthaften Konsequenzen rechnen zu müssen“, sagte Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Im März hatte es wegen der Homepage eine Razzia bei Schmidtke und weiteren Rechtsextremen gegeben. Die beschlagnahmten Computerdateien werden von der Berliner Justiz noch bewertet. In den USA waren zuvor Serverdaten ausgelesen worden.
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